(Bild: Kimberly Metz)
Mit ihren schrillen Outfits und Frisuren fällt Nik West auf, bevor man einen Ton ihrer Musik gehört hat, doch tut man das, werden alle Äußerlichkeiten zur Nebensache. Als Kind einer musikalischen Familie in Phoenix im US-Bundesstaat Arizona – alle Kinder spielten ein Instrument – verlor sie ihr Herz schon früh zu etwa gleichen Teilen an Funk, Soul und Rock, was sie zum Bassspielen geführt hat.
Auf bisher zwei Soloalben verschmilzt sie diese Stile mit ihrer charismatischen Gesangsstimme und einem breiten Erfahrungsschatz, den sie an der Seite so unterschiedlicher Künstler wie dem siebenfachen Grammy-Gewinner John Mayer, Popikone Prince, Bassvirtuose Marcus Miller oder Dave Stewart von Eurythmics gewonnen hat.
Neben Engagements im amerikanischen Fernsehen gibt sie Online-Bassunterricht, fördert mit dem von ihr initiierten „Queen Of Strings“-Wettbewerb junge Musikerinnen und sorgt immer wieder für energiegeladene Live-Performances. Im Rahmen ihrer Tournee als Support von Joss Stone und Lenny Kravitz schlägt sie auch für vier Konzerte in Deutschland auf. Wir erwischen Nik, die Gespräche über Equipment sterbenslangweilig findet, auf ihrer Reise und unterhalten uns nicht nur über ihren Werdegang, sondern auch über ihr Selbstverständnis als Musikerin im Allgemeinen.
Nik dein erstes Instrument war eigentlich die Gitarre; gab es einen Schlüsselmoment, der dich sozusagen für immer zum Bassspiel bekehrt hat?
Mein Vater, der ein phänomenaler Gitarrist ist, kaufte mir meinen ersten E-Bass und sagte einfach, ich solle versuchen, ihn zu spielen. Sobald ich das Instrument in meinen Händen hielt und ein paar Töne anschlug, spürte ich, dass es für mich gemacht war. Später brachte mir mein Vater bei, wie man richtig spielt.
Wurdest du als Linkshänderin jemals aufgefordert, dich umzuorientieren, und würdest du sagen, dass es dir bei der Entwicklung deines eigenen Stils geholfen hat, bei dem zu bleiben, was sich für dich natürlich anfühlte?
Ich weiß nicht, mein Vater war Rechtshänder und konnte mir deshalb nur zeigen, wie er spielte. Mit der Zeit wurde die Linksorientierung für mich so selbstverständlich, dass ich beschloss, genau so weiterzuspielen.
Du sollst eine hervorragende Schülerin gewesen sein und hast auch ehrgeizig Sport getrieben. Wie konntest du deine musikalischen Ambitionen damit vereinbaren?
Der Sport und meine schulischen Leistungen hatten zunächst Vorrang. Als ich meinen Schulabschluss machte, nahm der Bass schon eine wichtige Rolle in meinem Leben ein. Ich hatte mich in ihn verliebt, also stand für mich fest, dass ich eine Musikkarriere einschlagen würde.
Bei alledem warst du auch eine Weile als Model tätig. Kommt deine Vorliebe für auffällige Kleider und Frisuren daher, und siehst du sie als weiteres Ausdrucksmittel neben der Musik?
Ja, definitiv. Außerdem hat mir Modeln dabei geholfen, mich daran zu gewöhnen, bei Konzerten fotografiert zu werden. Ich weiß, dass das vielen Musikern unangenehm ist, habe aber selbst kein Problem damit und lasse während der gesamten Show Fotos machen. Die Fotografen sollen die Möglichkeit erhalten, einen fantastischen Schnappschuss zu machen, um Fans, die nicht dabei waren, später etwas von der Stimmung des Abends zu vermitteln.
(Bild: Camille Misty)
Nutzt du zum Songwriting hauptsächlich den Bass oder helfen dir andere Instrumente beim Arrangieren?
Ich greife auch auf andere Instrumente zurück, vor allem Keyboard und Gitarre, aber auch Drums. Da ich meine Musik selbst aufnehme und meine Alben auch produziere, ist es für mich selbstverständlich, nicht nur Bass spielen zu können. Ansonsten stößt man beim Schreiben und Arrangieren schnell an seine Grenzen.
Dass du Drums spielst, ist interessant. Worauf achtest du im Zusammenspiel mit anderen Schlagzeugern?
Aufs Feeling. Mir geht es in erster Linie darum, eine Verbindung zwischen mir und dem Drummer zu spüren. Er oder sie muss nicht nur fühlen, was ich spiele, sondern auch jede meine Bewegungen mitvollziehen können. Umgekehrt ist es natürlich genauso, und wir sollten uns richtig in dieses Feeling fallenlassen. Darüber hinaus ist die Persönlichkeit von Schlagzeugern wichtig; schließlich nehme ich während einer Show viel Energie von ihnen auf, und die sollte idealerweise positiv sein.
Wie würdest du deinen Werdegang als Solokünstlerin anhand deiner Studioalben beschreiben?
Jedes davon hat eine eigene Geschichte, die mit der Zeit zusammenhängt, in der es entstand, und vermittelt daher auch eine eigene Botschaft. Wenn ich ein Album aufnehme, geht es darum, Dinge aus meinem Leben zu teilen und zu zeigen, was mich inspiriert; ich gebe der Welt Musik, die aus meinem Herzen kommt.
(Bild: Natalia)
Jemand wie du, der von Stars zu Sessions eingeladen wird, braucht mehr als nur musikalische Fertigkeiten. Musstest du dir die notwendigen Soft Skills erst aneignen, oder bist du von Natur aus ein umgänglicher Typ?
Um das Niveau zu erreichen, auf dem ich heute arbeite, brauchte ich natürlich viele hundert Stunden Übung, Ausdauer und Leidenschaft für die Sache. Manches fällt mir im Umgang mit anderen Menschen von jeher leicht, aber vieles musste ich auch einfach lernen.
Hast du als kreativer Kopf bei Kollaborationen manchmal Schwierigkeiten, dich in den Dienst der Sache zu stellen, statt deine eigenen Ideen durchsetzen zu wollen?
Tatsächlich ja. Ich denke jedoch, dass ich das durch meine Erfahrung nach all den Jahren mittlerweile gut im Griff habe und meine Ansichten, Gedanken und Ideen konstruktiv in das jeweilige Projekt einbringen kann.
Was sind die wichtigsten Erkenntnisse, die du aus der Zusammenarbeit mit Größen wie Prince oder Eurythmics-Kopf Dave Stewart gewonnen hast?
Etliche, doch vor allem hat es mein Selbstvertrauen gestärkt und meine Führungsfähigkeiten verbessert, ganz zu schweigen von dem unschätzbaren Wissen, das mir die beiden über Musik als Kunsthandwerk vermittelt haben.
Du konntest im Laufe der Zeit eigene Songs in Netflix-Produktionen und Sportsendungen unterbringen. Ist das für dich ein wichtiges finanzielles Standbein oder nur ein nettes Zubrot?
Es ist unbedingt wichtig. Schließlich streamt heutzutage praktisch jeder Filme und Serien. Viele Menschen entdecken Musik überhaupt erst beim Fernsehen, also helfen Kanäle wie Netflix oder Apple TV dabei, Songs bekanntzumachen, die ansonsten in der Versenkung verschwinden würden. Ich arbeite aktiv daran, meine Musik auch weiterhin fürs TV zu pitchen und zu lizenzieren.
Wollte dir schon einmal jemand weismachen, du würdest es als Frau im Musikgeschäft nie zu etwas bringen?
Sagen wir so: Der Weg war steinig und ist es immer noch. Ich habe jetzt einen kleinen Sohn und machte mir während meiner Schwangerschaft Sorgen darüber, wie das in der Öffentlichkeit ankommen würde.
Wie siehst du die aktuelle Situation von Frauen in der Branche generell?
Wie gesagt, es ist nach wie vor schwierig. Viele Frauen im Musikbereich haben Angst davor, ein Kind zu bekommen, weil es der Karriere schaden kann, und bereuen es später, kinderlos zu sein. Ich persönlich fühle mich gerade sehr zuversichtlich und kann mir nichts Schöneres vorstellen, als eine Rockstar-Mom zu sein. Mein Sohn gibt mir festen Rückhalt.
Für wen ist der „Bass Domination“-Kurs geeignet, den du auf deiner Webseite anbietest, und planst du, deine Lehrinhalte zu erweitern?
Der Kurs richtet sich vornehmlich an Anfänger. Jeder, der lernen möchte, wie man Bass spielt, ist herzlich willkommen. Einige meiner ehemaligen Schülerinnen und Schüler geben jetzt selbst Konzerte, sind mit Bands zusammen aufgetreten und demnach sehr zufrieden mit dem Kurs. Ich habe zufälligerweise wirklich etwas Neues in Planung – einen Slap-Lehrgang, in dessen Rahmen ich ein paar Tipps und Geheimnisse meines Stils verrate.
(erschienen in Gitarre & Bass 06/2024)