Als am 4. Mai 1979 das erste Fischer-Z-Album ,Word Salad‘ veröffentlicht wurde, war Marian Menge gerade mal ein halbes Jahr alt. 2008 spielte er dann mehrere Konzerte als Support der legendären Band um Sänger, Songwriter & Gitarrist John Watts, der ihn wiederum zwei Jahre später als Aushilfs-Bassist für ein Konzert buchte …
2016 kam dann das Angebot, als Gitarrist bei Fischer-Z einzusteigen. Inzwischen war Marian Menge an fünf Album-Produktionen der New-Wave-Legende beteiligt, darunter auch die aktuelle Veröffentlichung ‚Triptych‘. Vorher hatte er Unterricht beim Anfang März 2024 verstorbenen Jazz-Gitarristen Ralph Beerkircher, und von 2000 bis 2006 studierte er am ArtEZ Conservatorium Arnhem.
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Da hinein platzte 2003 Voltaire, die beeindruckendste deutschsprachige Indie-Rock-Band der 00er-Jahre, die es eigentlich verdient gehabt hätte, von Bonn aus den Rest der Welt zu verzaubern. Da aber begeisterte Kritikerinnen & Kritiker in der Regel keine Platten kaufen und/oder Eintritt bei Konzerten zahlen, hatten es Sänger Roland Meyer de Voltaire, Bassist Rudolf Frauenberger, Keyboarder Hedayet Djeddikar, Drummer David Schlechtriemen und Gitarrist Marian Menge nicht leicht. Auf die ersten Eigenproduktionen folgte ein Major-Vertrag, Touren mit I Am Kloot, Saybia und Madsen – und zwei hervorragende Alben.
In den knapp 15 Jahren nach dem Ende von Voltaire hat sich bei Marian eine Menge getan. Zwei interessante Gegenpole seines musikalischen Schaffens: 2019 erschien die 4-Track-Solo-EP ,Nichts mehr‘. Diese vier Songs sind so minimalistisch wie großartig, schräg, berührend, poetisch, direkt – und fast mehr gesprochen als gesungen.
Dem gegenüber steht seit 2015 eine weitere Band: Die aus Ex-Mitgliedern von Tulp, Voltaire und Lichter bestehende Formation Alpentines, mit der Marian eine EP und drei großartige Alben eingespielt hat. „Alpentines sind: Kay Lehmkuhl: Vocals, Guitars, OP1 / Marian Menge: Guitars, Mandoline, Banjo / Philipp Gosch: Bass, Mellotron, Additional Sounds / Kurt Fuhrmann: Drums, Percussions, Keys, Synths, Drum Programming“, verrät die Info zum zweiten Album.
Und ihre wunderbaren Songs, irgendwo zwischen eigenwilligem Alternative-Pop und Progressive-Rock, ihre originellen Sounds und Arrangements, sind großartig. Insbesondere das 2023 erschienene ,Third Floor‘ ist ein extrem reifes Werk. Keine Frage, diese Band hat ganz großes künstlerisches Potenzial. Und jetzt warten wir alle auf eine neue mediale Welt, die wieder Entdeckungen ermöglicht und Kunst wertschätzt. So lange können Künstlerinnen & Künstler froh sein, wenn sie einen Job finden, der die Rechnungen bezahlt ohne die Kreativität auszutrocknen. 2024: ,Triptych‘ heißt das aktuelle Werk, mit dem Fischer-Z jetzt auch auf Tour gehen, und bei dem Marian Menge laut Album-Credits für „guitars & effects“ zuständig war.
Marian, welches Equipment hattest du bei der Produktion zu ‚Triptych‘ im Einsatz?
Für diese Aufnahmen waren wir im August 2022 im legendären Vega Studio in Südfrankreich, wohin ich mit dem Zug angereist bin. Deswegen hatte ich nur ein Pedalboard dabei, mit allem, was ich meinte zu brauchen. Vor Ort gab es dann u.a. eine Fender Thinline Tele aus den 70ern, eine Höfner-4560-Archtop aus den frühen 60ern und einen alten Fender Vibroverb.
Auf meinem Board hatte ich: Jam Pedals Wahcko, Digitech FreqOut, Okko Coca Compressor, Ernie Ball Volume, EHX PitchFork, Magnetic Effects Midphoria, TC Electronic Hall Of Fame 2, Fulltone OCD, TC Electronic MojoMojo, EHX Ripped Speaker, Boss CH-1, Dawner Prince Starla Tremolo, Digitech Ventura Vibe, Line 6 DL4, EHX Holy Grail Max. Und ich glaube, es kamen auch alle Pedale zum Einsatz, weil John Watts mir ziemlich freie Hand gelassen hat und mehrfach sagte: „Just do your thing, go for atmospheres. I want you to be you.“
Und was hast du live am Start bei Fischer-Z?
John und ich spielen jeweils ein Line 6 Helix LT. Meine Gitarren auf der Bühne sollen möglichst vielseitig und leicht sein, deswegen verwende ich da hauptsächlich eine Danelectro 57 Jade und eine Fender Modern Player Thinline Tele.
Deine Solo-EP und die Alben von Alpentines gehören für mich zur originellsten & spannendsten Musik der deutschen Szene – und sind extrem unterschiedlich. Gilt das auch für deine musikalischen Einflüsse?
Danke. Und ja, ich glaube schon. Ich erinnere mich, dass John bei unseren ersten Aufnahmen vor sechs Jahren noch Anweisungen parat hatte wie: „Spiel so, als würde Mark Knopfler so tun, als würde er Johnny Marr imitieren, wie er Jazz spielt.“ Das klingt absurd, trifft aber meinen Ansatz. Ich liebe es, Platz zu lassen und Räume zu füllen. Und diese Räume versuche ich durch etwas zu füllen, das ich selbst da nicht erwarten würde.
Deswegen versuche ich gerne, eine unpassende Schublade aufzumachen, und wenn da dann gerade Terje Rypdal drinsitzt, dann teste ich aus, was er wohl in diesem ihm fremden Kontext beitragen würde. Das ist gar nicht so ein bewusster Prozess, und am Ende klingt es meist auch gar nicht wie derjenige, der Pate stand, aber dadurch entsteht etwas Überraschendes und für mich Unerwartetes. Und es gibt auf jeden Fall einige Schubladen, die ich im Laufe der Zeit gefüllt habe und ab und an gerne öffne: Marc Ribot, Bill Frisell, Jakob Bro, Blixa Bargeld, John Scofield, Klaus Heuser, Jakob Ilja, David Gilmour, Jonny Greenwood, James Blood Ulmer, Nils Lofgren, Brian May …
Und ich versuche, dass das Wenige, was ich spiele, mit so wenig unnötigen Klischees wie möglich auskommt. Und wenn mir beim Spielen mal nichts Originelles einfällt, dann genieße ich die Stille: Es gibt tatsächlich einige Songs auf Platten, zu denen ich etwas beitragen sollte, und ich auch was versucht habe, aber am Ende sagen musste: „Nein, der Song ist fertig, wie er ist. Da fehlt nichts von mir.“
Die anstehende Fischer-Z-Tour hat ca. 15 Termine, was ja aktuell nicht jede Band zustande bringt. Siehst du perspektivisch andere Möglichkeiten mit Musik Geld zu verdienen, als mit dem Live-Spielen?
Ehrlich gesagt, sehe ich auch diese Möglichkeit nur bedingt bzw. nur temporär. Natürlich bekomme ich eine Gage für die Tour, aber die bringt mich natürlich auch nicht übers Jahr. Und die Wenigsten können mit dem Live-Spielen nennenswert Geld verdienen, es sei denn, sie sind Mitglied in einer gut gebuchten Cover-Band oder ähnlichem. Aber zum Dienstleister fehlen mir die Fähigkeiten und auch der Drive, und bei der Musik, die ich sonst so mache, mache ich mir keine Illusionen.
Es klingt vielleicht romantisierend, aber ich bin total glücklich darüber, dass 100 Prozent der Musik, die ich mache, genau das sind, was ich auch machen will. Kein Geld mit seiner Musik zu verdienen, bedeutet eben auch, keine Kompromisse eingehen zu müssen. Und das macht auf Dauer zufriedener.
Was war das Wichtigste, das du als Musiker gelernt hast? Und als Mensch.
Mich hat schon als Jugendlicher die Leonard-Cohen-Zeile „There‘s a crack in everything, that‘s how the light gets in“ immer beschäftigt, als Mensch und dann auch als Musiker. Meine musikalische Erfüllung finde ich nicht darin, besonders schnell zu spielen, besonders authentisch einen Stil zu bedienen oder in extremer Härte. Für mich gehörte eine ordentliche Portion Lernprozess dazu, zu erkennen und zu akzeptieren, dass ich mich keiner Szene, keinem Genre zugehörig fühlen kann, was ja gerade für Gitarristen eigentlich ziemlich einfach ist.
Und irgendwann habe ich aufgehört zu suchen, wer ich als Musiker werden könnte, sondern erkannt, dass mich gar nicht die Gitarre zum Musiker macht und ich eben auch nicht als Gitarrist denken muss. Mich interessieren Stimmungen, das Zusammenspiel von Melancholie und Freude, von Wärme und Wut. Ich mache gern Schönes kaputt und Kaputtes schön. Das ist vielleicht auch ein bisschen kindlich.