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Was sind die Skills, die man braucht, um ein gutes improvisiertes Solo zu spielen? Um diese Frage zu beantworten, lohnt es sich, zu differenzieren. Im Rock und Blues reicht es oft schon aus, sich in der Moll-Pentatonik und der mit ihr fast deckungsgleichen Blues-Scale auszukennen. Viele berühmte Solos beschränken sich auf dieses Tonmaterial und leben von variantenreichen Licks, gutem Gitarren-Ton und der Fähigkeit der Musiker, spannende Geschichten zu erzählen. Sobald die zugrundeliegenden Akkorde aber das Blues-Schema verlassen und komplexer werden, ist ein größeres harmonisches Vokabular gefragt.
Wer mal probiert hat, über ‚The Girl From Ipanema‘ zu solieren, bekommt einen guten Eindruck von der Komplexität des Themas. Aber auch im Rock gibt es harmonische Komplexität. Der Eagles-Hit ‚Hotel California‘ oder der von David Bowie geschriebene Mott-The-Hoople-Song ‚All The Young Dudes‘ sind nur zwei Beispiele für abgefahrene Akkordfolgen.
Wohl fast jeder hat den Begriff der II-V-I-Verbindung zumindest schon einmal gehört. Aber wofür stehen die römischen Ziffern? Sie kennzeichnen eine spezielle Kombination von Stufenakkorden. Die Stufenakkorde der C-Dur-Tonleiter findet ihr im Workshop Guitar Basics über Ionisch in der Gitarre-&-Bass-Ausgabe 10/2023. Eine II-V-I-Verbindung in C-Dur besteht aus den Akkorden: Dm7-G7-C∆7.
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Beispiel 1 zeigt sechs Varianten dieser Akkordfolge, zunächst zwei als reine Septakkorde, dann auch mit Erweiterungen wie 9, 11 oder 13. Diese zu üben ist eine gute Vorbereitung, um die häufigste Akkordfolge im Jazz spielen zu können.
Die Grundtöne jedes Akkords sind markiert, so lassen sich einzelne Akkorde und auch komplette II-V-I-Verbindungen durch einfaches Verschieben leicht transponieren. Wenn es darum geht, über die II-V-I-Verbindung in C-Dur zu improvisieren, bietet sich natürlich die C-Dur-Tonleiter selbst an.
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Beispiel 2 zeigt diese zunächst aufsteigend, dann absteigend. Allerdings ist Tonleitern auf- und abwärts spielen nicht das ideale Tool für die Improvisation. Die klanglichen Eigenheiten der zugrundeliegenden Akkorde werden so nicht wirklich hörbar.
Das leisten Arpeggien, also zerlegte Akkorde, viel besser. Beispiel 3 zeigt die Arpeggien von Dm7, G7 und C∆7 zuerst in Grundstellung (GS), dann in der 1., 2. und 3. Umkehrung (UK). Wieder sind die Grundtöne markiert wodurch das Material leicht zu transponieren ist.
In Beispiel 4 sehen wir zwei in durchgehenden Achteln gespielte Linien, die erste beginnt mit dem Grundton von Dm7, die zweite mit der Quinte. Probiert das auch mit Terz und Sept als Anfangston aus.
In Beispiel 5 ändert sich die Reihenfolge der Töne der Arpeggien. Wir beginnen mit der Quint und spielen diese Reihenfolge: 5 1 3 5 7 3 5 7. In der zweiten Variante beginnen wir mit der Grundstellung (GS), gefolgt von der 3. Umkehrung (UK), allerdings abwärts gespielt.
In Beispiel 6 lernen wir einen sehr häufig eingesetzten Improvisationstrick kennen. C∆9 entsteht durch Terzschichtung, bei der über dem Basis-Akkord und den Tönen 1, 3, 5 und ∆7 noch die None (9) erklingt: C, E, G, B, D. Lassen wir bei diesem fünfstimmigen Akkord den Grundton weg, wird der quasi verkürzt und entspricht mit seinen Tönen E, G, B, D dem Akkord Em7. Das funktioniert genauso für Dm9 und G9.
Beispiel 7 zeigt zwei Varianten analog zu Beispiel 5, aber mit Legato. Die von mir heiß geliebten Triad-Pairs (hier F und G) klingen auch über II-V-I-Verbindungen wunderbar (Beispiel 8).
Das gilt auch für die diatonischen Vierklänge, zwei Möglichkeiten zeigt Beispiel 9.
In der nächsten Folge pimpen wir unsere Lines mit Chromatik und zeigen Anwendungen in der Praxis.
(erschienen in Gitarre & Bass 12/2023)
Für mich gelten die irischen Gitarristen als Maßstab für gefühlvolle Balladen und bestem Irish Folk Rock Blues a la Rory Gallagher (R.I.P.).
Wer jemals beim jährlich vor Ort,insgesamt 3 Tage stattfindendem Blues Rock Festival in Ballyshannon/Donnegal auf der saftig grünen Insel war,weiß,wo von ich rede,denn dort in Ireland spielt die Music,schlägt das Herz für gute Laune,trifft man nette,sehr aufgeschlossene Menschen,und versteht den Charme und die Ehrlichkeit des dort beheimateten irischen Volkes sehr zu schätzen.
Der musikalische Aspekt spielt bei den Iren eine enorm große Rolle,was sich in ihrem Gitarrenspiel und Gesang extrem stark ausdrückt. Musik ist der Ausdruck eines Gefühls,daß durch die Protagonisten und Zuhörer bestimmt wird. Rory Gallagher wußte genau,wie er seine unzähligen Fans bei Live Concerten in den Bann zog. Er bleibt für uns unvergessen.
Musiktheorie ist sicherlich die Basis,Spontanität und Liebe zur Musik die Praxis,die uns Gitarristen/-innen immer wieder antreibt.
Beste Grüße aus den Berliner Bezirken Kreuzberg/Neukölln.
“Beispiele in der Blues-Rock- Geschichte, die ohne jegliche fundierte Musik-Theorien Musik-Geschichte kreiert haben”: gibt es, unbestritten! Das sind eben die speziellen Klangfarben, weitgehend 3 Akkorde der Stufen I,IV,V, dorisches und äolisches Moll. Und das ist dann eben DEINE MUSIK. Jazz, Latin, Balkan, Gypsy, Flamenco & Weltmusik überhaupt umfassen weitere Klangfarben, Kirchentonarten, Rhythmen…Ist eben eine ANDERE MUSIK. Du musst sie ja nicht hören, von der Musiktheorie her verstehen oder gar selber spielen. 🙂
Häufiges Mißverständnis : (Musik- )Theorie wäre eine Art Bauplan, der den frei und lustvoll agierenden Musiker in ein Korsett zwingt. Im Gegenteil : zuerst waren die spontanen Musiker da, die in welcher Form auch immer, mit Klängen ihren Gefühlen, aber auch ihrer Verspieltheit Ausdruck verliehen. Und erst danach bemerkten aufmerksame Zuhörer wiederkehrende Muster im Spiel-Ablauf. Das war die Entdeckung von “Gesetzmäßigkeiten”. Und weil diese Musikpraxis die Zuhörer beeindruckt hatte, entstand eine gewisse Tradition. Die Musiker machten ihre Musik nicht auf dem Reissbrett, sondern sie entwickelten aus den oft gespielten, “erfolgreichen” Klangerzählungen ihre aktuellen Variationen. Für diese speziellen Vorgänge fand man schließlich Namen, Benennungen : Rhythmus, Form , Melodie , Grundton etc.!
Unsere Vorfahren haben nicht Musik gemacht wie etwa in “Malen nach Zahlen”. Sie haben reizvolle akustische Elemente eingesetzt, um ihre eigenen Spielideen anzureichern – die vielen Leute, die zur Musik getanzt haben, hätten nie zu einem Bild einer Formel auf einem Plakat (im Stil einer Powerpoint Präsentation) getanzt. Der technisch klingende Begriff “Theorie” steht nur für das Sammeln von Ereignissen und Wirkungen, ist eigentlich eine intelligente Chronik der gelebten Praxis. Zur Verdeutlichung eine Analogie: obwohl wir in unserer regionalen Landessprache uns auf eine Unzahl von Ausdrücken geeinigt haben, kann Jeder sagen was er will, es gibt keine inhaltliche Benützungsvorschrift. Die Musiktheorie ist nur ein Werkzeug, die Musik kommt sowieso aus dem Herzen. In diesem Sinne :” Rock and Roll ! “
Vielen Dank für den spannenden Beitrag lieber Fritz! Du hast es absolut auf den Punkt gebracht!
dem ist nichts hinzuzufügen. Wer die Theorien lernt, hat mehr Werkzeuge zur Hand. So einfach ist das. 😉
Einfach nur:
DANKE für diesen Beitrag
Kreativität entsteht nicht aus dem Nichts. Kreativität setzt eine tief gehende Auseinandersetzung mit allen Elementen des Bereichs voraus, in den sie entstehen soll – theoretisch und praktisch. Hoch kreative Menschen studieren mit Hingabe bin zur Besessenheit alle Aspekte einer Disziplin solange bis sie diese internalisiert haben. Erst dann ist der Boden bereitet, auf dem Neues entstehen kann. Wer Musiktheorie für grau hält, ist wahrscheinlich in der Schule mit Theorie zu Tode gelangweilt worden. Wer seinen Dilettantismus jedoch hinter sich lassen will, muss sich kundig machen. Anders geht das nicht.
Ganz so einfach ist es mit der Musik nun auch nicht! Theorie gehört allemal dazu, will man nicht immer nur Blues od. Rock’n Roll spielen! – Wer sich noch an den Titel A WHITER SHADE OF PALE erinnern kann (der ab und zu noch im Radio gespielt wird), sollte wissen, dass fast jede seiner Noten von J.S. BACH “abgekupfert” wurde. Ohne Theorie wäre aber dieser Meister nicht in der Lage gewesen, uns seine großartigen Klassik-Werke zu hinterlassen. Vielen Rock-Gitarristen dürften ja auch die Noten des ital. Violinisten und Gitarristen PAGANINI (1782 – 1840) bekannt sein, welche noch heute jeden anspruchsvollen Gitarristen zum Schwitzen bringen können. Der schwedische Rock-Gitarrist Y. MALMSTEEN hat seine schnellen Finger z.T. an solchen klassischen Vorlagen “trainiert” und sie gekonnt in die moderne Rock-Musik eingebaut. – Auch der BLUES muss nicht immer so “spartanisch” mit nur 3 Akkorden gespielt werden, wie ihn einst B.B. KING vortrug, sondern kann mit erweiterten Akkorden melodisch interessant eingekleidet werden, wie es z.B. ROBBEN FORD macht! Dazu ist aber nun mal Musik-Theorie nötig, sonst bleibt man eben bei der Blues-Skala stehen od. hängen – was auf Dauer jedoch (zumindest für den Musiker!) langweilig wird.