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Parts Lounge: Amplified Nation – Trem-Drive Deluxe

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(Bild: Udo Pipper)

Es ist schon erstaunlich, dass ein kleiner Alleinunternehmer wie Alexander Dumble eine ganze Generation von Amp-Konstrukteuren mit solch geringem Output geprägt hat. Es heißt, Dumble habe in seinem Leben nur etwa 300 Amps gebaut. Klar, es gab da herausragende Modelle wie den Overdrive Special oder den Steel-String-Singer, aber im Grunde war jeder Amp eine Custom-Anfertigung gemäß den jeweiligen Kundenwünschen. So wundert es auch kaum, dass sich beinahe unzählige Techniker von seinen Modellen inspirieren ließen …

Das in der Nähe von Boston/MA ansässige Unternehmen Amplified Nation ist neben Two Rock, Bludotone, Fuchs, Welagen, Van Weelden, Ceriatone und vielen anderen ein weiteres Beispiel für Boutique-Hersteller, die sich ganz und gar den Dumble-Konzepten widmen. Offenbar gibt es in puncto Röhren-Amp nichts Neues mehr zu entdecken, also stützt man sich ganz bewusst auf bewährte Modelle. Der Wettbewerb konzentriert sich hier eher auf den Preis und die Ausstattung dieser Amps. Daher machen solche Neuheiten wie der Trem-Drive Deluxe neugierig, denn mit einem Preis von 4.790 Euro für die 50 Watt Combo-Version ist er zwar nicht preisgünstig, aber im Vergleich zu vielen Mitbewerbern sogar noch auf der erschwinglichen Seite. Für ein Dumble-Original werden bereits seit Jahren sechsstellige Summen aufgerufen.

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Amplified-Nation-Gründer Taylor Cox startete seine Laufbahn ganz klassisch als Service-Techniker, entwickelte jedoch im Laufe der Jahre ein kleines Produktions-Unternehmen, in dem Amps, Cabinets und Pedale entwickelt werden. Manchmal schaut man von hier aus etwas neidisch auf solche Geschichten, denn in den USA ist der Bedarf an Boutique-Verstärkern scheinbar grenzenlos. Während hierzulande der Markt offenbar von Modeling-Amps nahezu überrollt wird, gibt es in den USA immer noch genügend Raum für anspruchsvolle Röhrentechnik, und das, obwohl sich auch dort die Bauteilbeschaffung in den letzten Jahren als langwierig und teuer erwiesen hat. Man denke nur an die immer noch anhaltende Röhrenknappheit.

ALLES DRIN – ALLES DRAN …

Der Trem-Drive Deluxe bietet eine beachtlich üppige Ausstattung, was ihn aus den üblichen in Anlehnung an den Dumble Overdrive Special angelehnten Dumble-Repliken hervorhebt. Es gibt nicht nur eine Overdrive-Einheit, sondern auch Röhrenhall und ein Tremolo wie etwa in allen größeren Fender-Amps. Und Taylor Cox, so viel verrät mir der Blick ins Innere des Verstärkers, schafft das mit vorbildlicher Ordnung und Übersicht trotz Handverdrahtung. Dieser Amp ist wirklich extrem akribisch verarbeitet und läuft ebenso sauber und ruhig, was auch im Boutique-Lager nicht immer eine Selbstverständlichkeit ist.

Sauber verarbeitet und handverdrahtet (Bild: Udo Pipper)

Ähnlich wie bei frühen Mesa-Boogie-Modellen wählt man zwischen zwei Eingängen, einer davon klassisch clean mit sehr schönem Fender-Blackface-Charakter, der andere mit zusätzlichem Regler für ein sehr weites Spektrum von Overdrive-Sounds, für die mit Overdrive, Level und Master-Volume insgesamt drei Regler zur Verfügung stehen. Besonders gelungen finde ich hier das auffällig weite Spektrum für wunderschöne Crunch-Sounds, die sich an jeden Pickup-Typen perfekt anpassen lassen. Die Suche nach dem persönlichen Sweet-Spot gelingt so kinderleicht.

Die drei Mini-Switches an der Front aktivieren einen Bright-Modus, das Tremolo sowie klassische „Rock“- und „Jazz“-Presets mit unterschiedlichem Mitten-Spektrum. Im Rock-Modus erinnert der Amp an alle möglichen Klangfarben aus der Tube-Screamer-Familie. Die hohen Mitten werden etwas geboostet, was Punch und Durchsetzungskraft erhöht.

Wie bei Dumble-Schaltungen üblich, reagieren die Klangregler völlig unabhängig voneinander, was eigentlich den größten Unterschied zur Fender-Schaltung ausmacht. Diese EQ-Einheit ist intensiver und wesentlich zielgenauer in der Bedienung. Man verliert auch kaum Leistung, sollte es einem gefallen, die Regler auch mal weit zurückzudrehen.

Der Hall arbeitet sauber und mit einer auffällig durchdringenden Tiefe. Ich vermute, hier sind drei Spiralen im Einsatz. So klingt der Hall dichter und weniger „scheppernd“ als bei manchen Fender-Modellen. Das Tremolo, das sich auch per Fußschalter aktivieren lässt, erinnert wie erwähnt an die Fender-Klassiker, was nicht nur nach meiner Meinung die schönste Tremolo-Variante für einen Gitarren-Amp ist. Ein Presence-Regler, hier mit der Bezeichnung „Accent“, ermöglicht Höhen und Offenheit in den obersten Registern zu steuern, was besonders bei dunkleren Speakern äußerst praktisch ist.

(Bild: Udo Pipper)

So einer ist hier nämlich an Board. Der WGS 12L ist ein schwerer 200-Watt-Bolide und tönt klar in Anlehnung an den für Dumble-Amps beliebten Electro-Voice 12L. Hier gibt es Wärme und tiefe Mitten zuhauf. Obenrum lässt er etwas von dem Geglitzer eines Alnico-Lautsprechers vermissen. Aber das ist Geschmackssache. Für warme, runde Clean-Sounds ist dieser Speaker wirklich hervorragend, für den Crunch-Bereich habe ich beim Test eine 2×12″-Box mit Celestion Greenbacks bevorzugt. Aber vielleicht braucht der WGS auch noch ein bisschen Einspielzeit bis er vollends „aufmacht“.

Die Ausstattung lässt insgesamt keine Wünsche offen. Vielmehr kann man in einen Verstärker dieser Gattung kaum einverleiben. Darüber hinaus werden für den Amp zahlreiche Versionen bereitgehalten. Der Kunde kann z. B. zwischen verschiedenen Tolex-Farben wählen, eine Version mit Gleichrichterröhre, 50 oder 100 Watt oder im Topteil-Gehäuse bestellen, wobei Letzteres ihn dann auch deutlich preisgünstiger macht.

Der Ton bewegt sich irgendwo zwischen Fender Vibroverb und Dumble. Zwei 6L6-Endstufenröhren liefern beachtlichen Headroom. Blues, Fusion, Jazz, aber auch rockigere Töne etwa mit Celestions in einer externen Box sind auf hohem Niveau möglich. Die Adaptionen solcher Hersteller machen für mich den direkten Vergleich mit einem originalen Dumble mittlerweile völlig überflüssig, denn man fühlt sich mit diesen Amps einfach durchweg wohl. Klassische Sounds mit hervorragenden Features und einer enormen Vielseitigkeit, die jede Stilrichtung erlauben. Testphasen wie diese sind für mich als Röhrenliebhaber stets ein großer Genuss. Die Glaskolben sind meiner Meinung nach jedenfalls auf diesem Niveau kaum zu ersetzen.

Vertrieb: ProGuitar, Schwarzenbruck

Preis: € 4790


(erschienen in Gitarre & Bass 09/2023)

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