Don’t lose the groove! Eine der wichtigsten Eigenschaften für Bassist:innen ist es, einen guten Groove und ein gutes Timing zu haben. Das musikalische Taktgefühl des Menschen ist eine sehr komplexe Fähigkeit, die höchstwahrscheinlich auf evolutionären, neurologischen, kulturellen und auch genetischen Faktoren beruht. Die Wissenschaft gewinnt ständig neue Erkenntnisse zu diesem Thema.
GROOVE VS. TIMING
Ich betrachte Groove und Timing getrennt voneinander, da es nicht selten vorkommt, dass jemand im Timing spielt, aber nicht groovt oder umgekehrt. Vor allem bei Anfängern ist oft zu beobachten, dass sie zwar gelernt haben, mit dem Metronom in Time zu spielen, das Gespielte aber nicht groovt und sehr mechanisch klingt. Woran liegt das?
Ich möchte das mit einer musikalischen Phrase vergleichen. Bei einer melodischen Phrase muss ich auch wissen oder im besten Fall fühlen, wo mein Zielton ist und wo meine musikalische Linie ihren Höhepunkt hat. Wo phrasiere ich hin, wo phrasiere ich ab, welche Noten bekommen mehr Gewicht, welche werden etwas lauter oder leiser gespielt. Ohne diese (sehr oft auch intuitiven) Überlegungen wird die Melodielinie sehr langweilig und belanglos klingen.
Genau so empfinde ich es, wenn es um den Groove geht. Ich muss mir überlegen oder erspüren, wo ich die Tonlängen etwas verlängere und wo meine Schwerpunkte liegen. Ganz wichtig sind die Pausen! Die Pausen sind Teil des Grooves und geben den gespielten Noten erst ihre Bedeutung.
Ein Beispiel wäre die „Basic Funk Formula“ von Bootsy Collins. Bevor Bootsy zum Bass wechselte, war er Gitarrist und übertrug seine Gitarrenkenntnisse einfach auf den Bass. Er hatte die Gewohnheit, viele Noten zu spielen, die zwar im Takt, aber nicht sehr banddienlich waren.
James Brown sagte zu ihm: „Give me the ONE!“ Du kannst alles dazwischen machen, aber gib mir den ersten Downbeat. Gut zu hören ist diese klare 1 zum Beispiel in den Songs ‚Super Bad‘ oder ‚Talkin’ Loud And Sayin’ Nothing‘. Wie wichtig diese Information von James Brown für Bootsy Collins ist, zeigt er auf seinem letzten Album mit dem Titel ‚The Power Of The One‘.
TIMING
Timing bedeutet, ein klares Verständnis und Gefühl für den Puls und seine Subdivision (binär oder ternär) zu haben. Victor Wooten dazu: „If you pay attention correctly, it won’t matter if you’re in another room or in another state, you’ll still be able to feel the pulse.“ Übung macht den Meister! Die Übungen sind als tägliche Warm-Ups auf einem sehr niedrigen technischen Niveau gedacht, um sich ganz auf das Timing konzentrieren zu können.
ÜBUNG 1
Wechselschlag mit leerer Saite und Metronom: Der Startpunkt ist 60 bpm, binär, 4/4 Takt und Achtelnoten. Bei den meisten App-Metronomen kann man eine Temposteigerung einstellen, z. B. alle 8 Takte um 10 bpm. Ich muss mich also innerhalb kürzester Zeit auf ein neues Tempo einstellen und die neue Unterteilung spüren. Diese Übung wird so lange durchgeführt, bis die Präzession der Achtelnoten nachlässt.
Bei der nächsten Übungseinheit beginne ich nicht mit 60 bpm, sondern mit 61 bpm. Jeden Tag erhöhe ich meinen Startpunkt um 1 bpm, bis ich bei 69 angekommen bin. Das ist wichtig, weil wir sonst sehr viele Tempi auslassen würden. Versuche, jeden Tag eine andere Saite zu verwenden, wegen der unterschiedlichen Saitenstärke, und statt eines 4/4-Taktes einen 3/4-, 6/4- oder 7/4- Takt zu spielen. Die letzte Variationsmöglichkeit wäre, mit der rechten Hand einmal mit dem Zeigefinger und einmal mit dem Mittelfinger zu beginnen oder, wenn du willst, den Ringfinger hinzuzunehmen (3-Finger-Technik). Es gibt also viele verschiedene Möglichkeiten, langweilig wird es bestimmt nicht!
ÜBUNG 2
Wir nehmen Übung 1 als Grundlage, verändern aber zusätzlich die Betonung. Zuerst betonen wir die erste und dritte Zählzeit, dann nur noch die zweite und vierte Zählzeit und schließlich nur noch die Offbeats, also jede zweite Achtelnote.
ÜBUNG 3
Übung 1 dient wieder als Grundlage, nur diesmal mit Gruppierungen! In einem 4/4-Takt könnten die Unterteilungen z.B. so aussehen: 3 + 3 + 2, 3 + 2 + 3 oder 2 + 3 + 3. Experimentiere und stelle Groupings zusammen, die erst nach mehreren Takten wieder auf der ersten Zählzeit landen (dazu könnte die Tempoerhöhung um 10 bpm alle 8 Takte deaktiviert werden).
(Die Noten können durch Anklicken vergrößert werden!)
ÜBUNG 4
Wir sind es gewohnt, das Metronom auf dem Downbeat zu hören. Eine super Kontrolle, ob ich einen Rhythmus wirklich verstanden habe, ist, das Metronom gedanklich auf die Offbeats zu legen, also auf die 1+, 2+, 3+ und die 4+. Hier merkt man besonders gut, ob es Stellen gibt, wo man entweder zu langsam oder zu schnell ist. Eine Stufe schwieriger wäre es, das Metronom auf die zweite oder vierte Sechzehntelnote zu legen. Mit diesen Übungen bekommt man ein sehr gutes Gefühl für das Timing.
ÜBUNG 5
Laut mitzählen! Klingt einfach, aber bei der einen oder anderen Basslinie ist diese Übung ziemlich schwierig. Zum Beispiel bei Songs wie ‚Sunshine Of Your Love‘ von Cream, ‚YYZ‘ von Rush oder ‚Killing In The Name‘ von Rage Against The Machine. Diese Übung ist auch sehr hilfreich für deine Sight-Reading Skills. Das Schlagzeugbuch ‚The New Breed‘ von Gary Chester hat mich diesbezüglich sehr inspiriert.
ÜBUNG 6
Eine sehr effektive Übung für das Timekeeping ist es, das Metronom alle zwei Takte pausieren zu lassen. Das funktioniert entweder mit verschiedenen Apps oder man baut sich einen eigenen Backingtrack. Wenn dein Metronom diese Funktion nicht hat, kannst du diese Übung über die visuelle Ebene lösen. Schalte das Metronom stumm, folge dem Blinken und schaue alle zwei Takte weg.
ÜBUNG 7
Übe deine Etüden, Technikübungen und Stücke in verschiedenen Lautstärken mit einem Metronom. Es gibt eine allgemeine Tendenz, in leisen Passagen langsamer zu werden und in lauten Passagen schneller. Diese Übung hilft dir, dir dessen bewusst zu werden und die Übergänge fließend zu gestalten. Viel Spaß bei der Arbeit an deinem Groove- und Timing-Gefühl!