Blues with a twist

Blues-Bootcamp: Der Wes-Montgomery-Ansatz

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(Bild: KRIACHKO OLEKSII/Shutterstock)

Zurück zu etwas jazz-bluesigen Klängen! Noch einmal zur Erinnerung – mein alter GIT-Lehrer Scott Henderson pflegte zu sagen: „Es geht nicht darum, was du spielst, sondern darum, wie du es spielst!“ Was bedeutet das für die Dinge, die wir hier in der Kolumne ansprechen? Gerade in den letzten Jahren, sind viele Gitarristen wie Josh Smith, Greg Koch, Guthrie Trapp oder Kirk Fletcher unter anderem dadurch so populär geworden, dass sie auf eine sehr natürliche Art und Weise traditionelle Jazz- und Blues-Elemente mit einer doch eher rockigen, modernen Attitüde und zeitgemäßen Sounds kombinieren.

ABWECHSLUNG

Daher ist es auf jeden Fall mehr als empfehlenswert, die Beispiele der letzten Monate in möglichst unterschiedlichen Varianten zu spielen: ursprünglich verzerrte Passagen mal clean, cleane Solos mit Overdrive und anderen Effekten, mal unterschiedliche Gitarrentypen ausprobieren, unterschiedliche Time-Feels und Grooves checken und so weiter. Letzten Endes ist die Gestaltung der Töne einfach das A und O. Es gibt ja nur 12 Töne und drei unterschiedliche Akkordtypen (also zumindest in meiner Welt).

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Apropos Grooves: Obwohl bislang alle Beispiele ternärer Natur waren (auf Triolen basierend, also Shuffle/Swing) ist es wichtig, auch mal davon wegzukommen und die Ideen mit geraden, also binären (auf Achtelnoten basierenden) Grooves zu kombinieren. Neben Robben Ford und Larry Carlton ist übrigens Wes Montgomery in den letzten Jahren einer meiner Lieblingsgitarristen geworden. Er, Howard Roberts und Joe Pass dürften wohl die Jazzgitarristen sein, die ich am liebsten höre. Wes aber sicherlich am häufigsten.

WARUM WES?

Die Singlenote-Lines seiner Soli fallen nicht zu sportlich und virtuos aus, anders als bei einem Pat Martino etwa, sondern sind eher in einem mittleren Tempo, aber dafür sehr melodisch. Sein Oktavspiel und seine Akkordsoli sind natürlich jenseits von Gut und Böse, aber das ist ein anderes Thema. Generell empfinde ich sein Spiel als sehr melodisch, und viele seiner populären Titel basieren auf modifizierten Bluesformen. In diesem Zusammenhang wichtige Songs wären u.a. ‚D-Natural Blues‘, ‚West Coast Blues‘, ‚Four On Six‘, ‚Twisted Blues‘, ‚Missile Blues‘, ‚Unit 7‘, ‚The Thumb‘ oder ‚Sundown‘. Unter meinem User-Namen ‚Gitarrenpeter‘ findet man bei Spotify übrigens auch eine prima Playlist mit meinen persönlichen Lieblingstiteln von Wes. Enjoy! In dieser und der kommenden Folge, werden wir auf einige dieser Modifikationen eingehen.

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In Beispiel 1 findest du einen regulären Jazz Blues, wie wir ihn nun schon eine ganze Weile bearbeitet haben. Im unteren System sind einige leichte Modifikationen notiert, die darin bestehen, dass an einigen Stellen kleine II-V-Module eingesetzt werden können, die für noch etwas mehr Bewegung in der Akkordfolge sorgen. Man kann mit diesen Modulen übrigens sehr nach persönlichem Geschmack umgehen. Man kann sie einsetzen, muss es aber nicht. In Takt 11 kann A7 durch Eb7 ersetzt werden und in Takt 12 G7 durch Db7. Klingt auch gut.

Im Blues Bootcamp aus Ausgabe 09/22 ging es ja u.a. um die sogenannten „approach chords“, die in der Regel eine verminderte Quinte vom Ausgangakkord und einen Halbton vom Zielakkord entfernt sind.

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In Beispiel 2 besteht die Idee nun darin, die eben eingesetzten II-V-Module mit der Tritonus-Substitution zu bearbeiten. Noch einmal zur Erinnerung: Bei der Tritonus-Substitution, die auch b5-Substitution genannt wird, wird ein Dom7-Akkord durch einen Akkord ersetzt, der eine verminderte Quinte entfernt ist. Dadurch kann in den Takten 8 bis 10 eine chromatische Rückung von Akkorden entstehen, die ein wichtiger Bestandteil des Bebop ist.

BLUES WITH A TWIST

Nachdem nun nachvollziehbar ist, woher ein paar der typischen Wes-Montgomery-Akkordbewegungen ihren Ursprung haben, folgen nun einige Harmoniefolgen aus bekannten populären Songs von ihm, die alle ihre Wurzeln im Blues haben. Zur besseren Übersicht habe ich sie wieder nach C transponiert.

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Beispiel 3 ist die Akkordfolge von Sundown (ursprünglich in A). Sie ist ansatzweise der Stormy-Monday-Blues-Akkordfolge der letzten Episode ähnlich.

Beim Solo wird beim Original allerdings über eine „normale“ Jazz-Blues-Form gespielt.

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Beispiel 4 ist eine Akkordfolge im Stile des ‚West Coast Blues‘, einem der populärsten Montgomery Songs (ursprünglich in Bb). Im Original ist dieser Song in einem ¾-Takt komponiert. Ich habe mir erlaubt, die Form insofern leicht zu verändern, als ich die Akkordwechsel im 4/4-Takt angepasst notiert habe, damit man die harmonischen Abweichungen besser erkennen kann.

Der Song ‚Twisted Blues‘ (ursprünglich in Gb) ist ein sehr schneller 16-taktiger Blues mit einer interessanten Halbtonrückung am Anfang. Der gerückte Db7-Akkord ist wieder die b5-Substitution von G7.

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Beispiel 5 ist die nach C transponierte Akkordfolge dazu. Bei ‚Four On Six‘, einem anderen sehr beliebten, schnellen Wes-Song, gibt es eine weitere interessante Variante: anstelle der gewohnten Dom7-Akkorde werden eintaktige II-V-Kadenzen gespielt.

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In Beispiel 6 findest du die wahrscheinlich ursprüngliche Form und die durch die Kadenzen aufgehübschte Version. Ähnlich wie beim ‚Twisted Blues‘ ist die Form auch wieder auf 16 Takte verlängert.

In Abänderung des normalen Bootcamp-Programms, gibt es diesmal keinen ausnotierten Rhythmus- oder Solo-Part. Ich würde empfehlen, die oben genannten Akkordfolgen mit den schon in 09/2022 vorgestellten Begleitmustern zu kombinieren. Ich habe auch ein paar kurze Jamtracks mit den oben genannten Akkordfolgen produziert, die auf www.gitarrebass.de auf euch warten. Nächsten Monat gibt es dann wieder Solo-Stuff.


(erschienen in Gitarre & Bass 09/2023)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Sehr guter Artilel mit praktischen Tipps und verständlich erklärt.

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