Gitarrenvirtuose Scott Holiday hat vor über einer Dekade mit seiner Band den klassischen Heavy Rock mit Wurzeln in den späten 60ern und frühen 70ern wiederbelebt. Mit jedem Album setzte er mit seinen opulenten Vintage-Sounds Maßstäbe und weckte das Interesse an scharfen Riffs mit geschmackvoller Verzerrung.
Die Presse verlieh ihm den Titel „Fuzz-Lord“, wegen Scotts Vorliebe für diesen geschichtsträchtigen Zerr-Sound. Den gibt es auch auf dem aktuellen ,Darkfighter‘ zu hören – ein kraftvolles Rock-Album das so richtig Laune macht! Im Herbst erscheint dann mit ,Lightbringer‘ gleich ein weiteres. Ein Interview über die Liebe zur Musik, Sound, Gitarren und Amps.
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Scott, das neue Album ist im Vergleich zu den Vorgängern ziemlich düster. Würdest du dem zustimmen?
Wenn man über das Album spricht, muss man auch das angekündigte ‘Lightbringer’ berücksichtigen. Dieses erste Album erzählt eine Geschichte mit einer, wie du sagst, dunkleren Stimmung. Natürlich gibt es auch hellere Momente.
Wie läuft das Songwriting bei den Rival Sons ab?
Jedes Mal anders. Meistens schicken Jay und ich uns die Songs hin und her. Manchmal schicke ich Jay meine Ideen, er fügt was hinzu, schickt es zurück und ich schreibe ein paar neue Teile. So in etwa läuft das. Manchmal gehen wir ins Studio und haben nicht viel. Dann schreibe ich dort meine Riffs und werde kreativ. Dieses Album ist hauptsächlich von mir und Jay geschrieben worden, während der Pandemie.
Wie immer ist der Gesamtsound des Albums lebendig und dick. Wie habt ihr das erreicht?
Nun, irgendetwas passierte zu Beginn der Aufnahmen. Ich wählte die Effekte und neue Sounds aus und habe andere Sachen weggelassen. Der Gesamtsound entstand, als wir anfingen aufzunehmen. Meine Idee war, alles moderner klingen zu lassen. Denn Rival-SonsPlatten klangen früher nicht modern. Wir verfolgten diesen älteren Rock’n’Roll-Sound. Nicht, weil wir retro sein wollten, sondern einfach nur weil es der Sound ist, den wir mögen. Ich dachte dieser Sound kommt wirklich gut im Radio.
Wenn du erst moderne Alternative- oder Metal-Bands hörst und dann die Rival Sons, ist das erfrischend, dieser schöne organische Sound. Wir haben uns verändert, ich denke unsere letzten Platten klangen moderner und diese Platte klingt möglicherweise am modernsten von allen. Und das ist wohl das, was du meinst mit lebendig und dick. Es gibt einige düstere Sounds, wie Baritone-Gitarren oder Octafuzz-Effekte und es gibt mehr Keyboards. Das alles zusammen hat einen dickeren Sound kreiert. Und lebendig? Da bin ich immer hinterher!
Wie sah die Aufnahmesituation aus?
Anders als jemals zuvor, durch die Pandemie. Jeder hat ziemlich viel zu Hause aufgenommen und wir haben auch von zu Hause aus produziert. Daneben haben wir in mehreren Etappen einen Teil des Albums im RCA Studio A, Nashville, eingespielt. ,Lightbringer‘ entstand bei den gleichen Sessions, und alles wurde dann noch im privaten Studio von Produzent Dave Cobb in Savannah, Georgia, fertiggestellt. In der Vergangenheit haben wir die Songs oft erst im Studio zu Ende gebracht. Diesmal hatten wir die Songs ziemlich gut vorbereitet, sodass wir in den verschiedenen Studiowochen in der Lage waren, die Dinge direkt einzufangen, in einer wirklich rauen Art und Weise.
Wie immer, gibt es auch viele Fuzz-Sounds. Wie kommt es, dass du scheinbar geradezu besessen bist von diesem Sound?
Es ist weniger eine Besessenheit, mehr eine Art Witz. Ich habe diesen Spitznamen: „Fuzz-Lord“. Ich denke, wenn es um Gitarre geht, tendieren die Leute zu bestimmten Sounds. Du hast diese Ton-Puristen, die ihre Verstärker nur leicht verzerren, dann sind da die Klon-Centaur-Pedal-Typen, und dann gibt es noch diese Nur-Verstärker-Gain-Typen – und viele dazwischen. Ich mag eben den Sound eines Fuzz, wo jemand anderes vielleicht ein dickes, lauteres Distortion-Pedal benutzt. Für mich ist ein Fuzz-Pedal viel cooler, es ist eine flächige, größere, fettere Art und Weise der Verzerrung.
Ich bin ein großer Garage-Rock-Fan, ich mag diese alten Bands wie The Troggs und The Strawberry Alarm Clock, diese Art von Fuzz ist in meine Seele eingraviert. Es ist meine Eigenart, die ganze Zeit etwas anderes zu kreieren. In den 60ern und 70ern hattest du Musiker wie Jimi Hendrix mit dem Fuzz Face, du hast Jimmy Page mit dem Vox Tone Bender MK 1.5 und es gab so viele Leute, die einen Treblebooster wie den Dallas Arbiter Range Master spielten. Für mich ist das wie eine Box mit Buntstiften.
Und welche Pedale hast du?
Ich habe eine Fuzz-Face-Variante, eine Tone-Bender-Variante und ein Octavia. Dann habe ich noch diese Synth-Tones, wie das Microsynth oder das POG, beide von Electro Harmonix. Ich will, dass man in eine neue Welt gelangt, wenn man sich die Platte anhört. Hör dir den ersten Track ,Mirrors‘ an. Das Fuzz, das du da hörst, hat ein Freund von mir gebaut, von der Firma Kossek Effects in Dänemark. Wir haben zusammen an einem superaggressiven Octafuzz gearbeitet. Ich habe es Deep Sea Crackin‘ Fuzz genannt. Das ist ein komplett anderer Fuzz-Sound im Vergleich zu den restlichen der Platte.
Welche Gitarren hast du auf ,Darkfighter‘ eingesetzt?
Hauptsächlich zwei neue Instrumente, eine Custom Sunburst Gretsch Falcon mit dickem Body wie das Original. Dann habe ich sehr oft ein Flying-V-Modell von Banker Guitars gespielt. Diese Korina V wurde nach historischen Vorgaben mit einem Lonnie-MackBigsby-Vibrato/Tailpiece gebaut. Dann waren da u. a. noch: Gretsch Baritone, Kauer Super Chief, Kauer Banshee, Double Neck Gibson EDS1275. Dave Cobb hat eine erstaunliche Gitarrensammlung. Wir haben viel von ihm benutzt, z. B. eine 54er Fender Esquire und verschiedene Strats. Und dann besorgte ich mir während der Aufnahmen noch eine wunderschöne 66er Gibson ES-330 mit P90-Tonabnehmern.
In welchen Tunings spielst du deine Gitarren?
Neu ist ein Baritone-Tuning von A nach a, also eine Quinte tiefer als die Standardstimmung. Dann gab es noch DADGAD, Open Gb, natürlich die Standardstimmung und noch Standard um einen Ganzton nach unten gestimmt.
Man sieht dich live oft mit Orange-Verstärkern.
Auf meinen Platten spiele ich ehrlich gesagt nicht so viel Orange-Amps. Ich habe sie sehr viel live benutzt und werde den Sound des Custom Shop 50 immer lieben. Aber für Aufnahmen brauche ich kleine Amps mit 8“-, 10“- oder sogar 6“-Lautsprechern. Ich habe mich der Idee verschrieben, über die schon viele Leute geredet haben: Small Amp, Big Tone! Denn diese kleinen Amps klingen über Mikrofon viel größer, als wenn du so ein Ungeheuer abnimmst. Du brauchst nicht so große Lautstärken, ein Mikrofon kann das nicht übersetzen. Deine Ohren können das übersetzen, wenn du vor einer 4x12er-Box stehst.
Im Studio habe ich einen Supro 1600 Supreme, der ist sehr einfach, und einen alten kleinen 60er Gretsch-Amp. Das ist alles, was ich brauche, denn ich habe für die Sounds ja meine Effektgeräte. Und, glaub es oder nicht, ich habe auch einen Helix Modeler benutzt. Ich weiß, Puristen sagen: das ist Mist, du gehst zur dunklen Seite. Modeling kann nie so cool sein wie Aufnahmen mit einem Amp. Aber wenn du weißt, wie man die Dinger einstellen muss, dann ist der Sound mittlerweile ziemlich weit. Wird es irgendwann besser sein als analog? Nein. Ich habe das Helix über den kleinen Supro gespielt, ein unglaublicher Sound. Aber ich bin damit auch direkt in meinen Computer gegangen, ich habe also alles ausprobiert.
Schlägst du die Saiten mehr mit dem Plektrum oder auch mit den Fingern an?
Beides. Live spiele ich immer mit meinen Vortex-Picks. Im Studio schaue ich, was am besten klingt. Ich bin da nicht auf dem Level meiner Helden wie Jeff Beck oder jüngerer Typen wie Jared James Nichols. Bei mir reicht es für alles, was ich aufnehme. Aber ich brauche das Pick noch für extra Power und für schnelle Linien.
Du spielst auch viel Bottleneck.
Ja, aber ich benutze keinen konventionellen Bottleneck, sondern ein Jetslide, das man wie einen Ring am Finger trägt. Mit ihm kann ich schnell zwischen normalem und Slide-Spiel wechseln. Manche Leute denken, ich trage einen schrägen Ring.
Welche Musik hast du als Kind und später als Teenager gehört?
Meine Eltern waren große Zeppelin-Fans, und meine Onkels hörten Rush, Pink Floyd und natürlich die Beatles. Mit 12 fing ich an, Gitarre zu spielen. Ich stieg so richtig in den Rock’n’Roll ein und hörte viele von den 80er-Bands wie Van Halen und Guns N’ Roses. Ich fragte mich, was diese Jungs gehört haben, landete dann mehr in der Garagenrock-Ecke und folgte Jimmy Page und Jeff Beck zurück zu den Yardbirds, was wunderbar war.
Dann kam ich zum Blues und Muddy Waters, Bukka White, und Howlin‘ Wolf. Später entdeckte ich Jazz und hörte auch immer populäre Musik. Ich bin kein Purist, jede Art von Musik bietet etwas. Mich interessieren Melodien, der Aufbau und das Songwriting. Björk höre ich genauso wie Skip James. Wie alle meine Freunde hörte ich auch Rap, Run DMC oder Cold Quest genauso wie Radiohead. Schon früh wollte ich wissen, warum ein Genre existiert, was genau seine Größe ausmacht.