Ellis Mano Band: Die (erfolgreiche) Suche nach dem vierten Akkord
von Matthias Mineur, Artikel aus dem Archiv
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(Bild: Matthias Mineur)
Noch hat die aus der Schweiz stammende Ellis Mano Band mit ihrem Soul- und Jazz-getränkten Bluesrock nur begrenzt auf sich aufmerksam machen können. Denn Corona-bedingt durfte die Gruppe bislang nur wenig öffentlich auftreten, war aber dennoch alles andere als untätig: Gleich drei Alben sind seit 2019 erschienen, die aktuelle Scheibe ‚Luck Of The Draw‘ steht seit kurzem in den Geschäften. Zudem befindet sich die fünfköpfige Formation seit dem Frühjahr 2023 endlich auch auf internationaler Tournee, um sich ihr (verdientes) Publikum zu erspielen.
Wir haben das Quintett in der Isernhagener Blues Garage besucht, durften dort ein fabelhaftes Konzert (in einem fabelhaften Club!) erleben und – bereits im Rahmen des Soundchecks – mit Gitarrist Edis Mano (EM) und Bassist Severin Graf (SG) über den bisherigen Verlauf ihrer Karriere sprechen. Kurze Prognose, schon jetzt: Von dieser Band wird man zukünftig garantiert noch viel Großartiges zu hören bekommen!
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Edis und Severin, fangen wir bei Adam und Eva an: Wie seid ihr zur Musik gekommen?
EM: Bei uns zuhause stand in irgendeiner Ecke eine ganz schlechte Westerngitarre herum, die meinem Vater gehörte. Allerdings konnte er nur drei Akkorde spielen: E-Dur, A-Moll und D-Dur. Irgendwann hat mich das total genervt und ich überlegte: Da muss es doch noch mindestens einen weiteren Akkord geben! (lacht) Damals war ich 12 oder 13 und begann Gitarre zu spielen, um gemeinsam mit zwei Cousins, die Schlagzeug und Bass spielen konnten, Musik zu machen.
Anfangs waren meine Einflüsse noch querbeet, von B.B. King bis zu Jimi Hendrix, aber auch Balkan-Rock, da meine Eltern aus Kroatien stammen. Später habe ich Steve Vai und Joe Satriani und damit auch Ibanez-Gitarren entdeckt. Ab einem Alter von 19 Jahren regierte dann allerdings Jimi Hendrix und folgerichtig gab es für mich nur noch Fender-Gitarren.
Wie war das bei dir, Severin?
SG: Ich habe in jungen Jahren die Platten meines älteren Bruders geerbt und dadurch meine Favoriten Van Halen, Jimi Hendrix, The Doors und die Beatles kennengelernt. Eigentlich wollte ich Schlagzeug spielen, aber wie es bei Bassisten ja häufig so ist: Mit 11 Jahren schloss ich mich mit Schulfreunden zu einer Band zusammen, doch einen Drummer gab es bereits. Deshalb wurde mir einfach ein Bass in die Hand gedrückt. (lacht)
Liebe auf den ersten Blick?
SG: Na ja – eigentlich konnte keiner von uns damals so richtig spielen. Insofern war mir das Instrument anfangs ziemlich egal, zumal es auch so riesigen Spaß gemacht hat. Das änderte sich aber mit zunehmender Zeit, als mir der Bass immer wichtiger wurde. Nach dem Ende der Schulzeit löste sich die Band auf, und ich suchte mir erst einmal ein paar Jobs. Anschließend habe ich zunächst sehr viel Unterhaltungsmusik gespielt und mich an der Jazz-Hochschule eingeschrieben. Mittlerweile lebe ich komplett von der Musik, ich habe Schüler, gebe Unterricht und spiele in verschiedenen Bands. Auf diese Weise habe ich auch Edis kennengelernt. Er gab mir nach einem gemeinsamen Gig seine Telefonnummer und meinte: „Irgendwann machen wir was zusammen!“
EM: Wobei man dazusagen muss, dass Severin der angesagteste Bassist der Schweiz ist und im Radio oft Songs zu hören sind, an denen er aktiv mitgewirkt hat.
Wie viele Bässe besitzt du derzeit?
SG: Etwa 20, inklusive eines 5-Saiters, eines 6-Saiters und eines Kontrabasses.
In der Ellis Mano Band spielst du aber ausschließlich Viersaiter, nicht wahr?
SG: Ja, das stimmt. Im Grunde genommen bin ich der typische Fender-Viersaiter-Typ, kann aber auch Fünf- und Sechssaiter spielen.
Wie viele Gitarren besitzt du, Edis?
EM: Ich tippe, es sind noch circa 15. Während der Pandemie musste ich einiges Equipment verkaufen, da ich Geld brauchte. Dabei sind dann eine 71er Strat, eine teure Martin-Acoustic, eine Gibson-Mandoline, eine 1956er Danelectro und ein 1968er Fender Super Reverb weggegangen. Zum Glück vermisse ich diese Instrumente nicht. Ich habe meine Sammlung verschlankt und auf die wesentlichen Bestandteile begrenzt. Der Schwerpunkt liegt jetzt auf zwei Strats und zwei Teles, hinzu kommen ein paar eher spezielle Modelle mit ungewöhnlichen Pickups usw.
Wie habt ihr als Band letztlich zusammengefunden?
EM: Durch meine Technikerjobs. Anfangs habe ich nur sehr selten durchblicken lassen, dass ich auch selbst Musiker bin. So etwas kommt bei den Gitarristen der betreffenden Bands mitunter nicht so gut an, da sie sich möglicherweise kontrolliert fühlen oder sich in einer Konkurrenzsituation wähnen. Chris Ellis sang damals in einer A-Cappella-Formation und hatte mit dem Traum einer eigenen Band, mit der er nochmal so richtig durchstarten kann, eigentlich abgeschlossen. Aber eines Nachts, nach einem gemeinsamen Gig, rief er mich früh morgens um drei Uhr an und fragte: „Wollen wir etwas zusammen machen?“ Ich war wie elektrisiert, habe sofort Severin und unseren Schlagzeuger Nico Looser kontaktiert. Nach nur wenigen Monaten hatten wir bereits unseren ersten Song ‚Whisky‘ aufgenommen.
Gab es eigentlich einen Masterplan, als ihr die Ellis Mano Band gegründet habt? Eine Art konzeptionelle Verabredung?
EM: Nein, das hätte auch wenig Sinn gemacht, da wir stilistisch nicht eindeutig zuzuordnen sind. Es ist halt nicht einfach nur Southern- oder Blues-Rock, sondern eine bunte Mischung aus Rock, Pop, Blues und Jazz. Das macht es in Zeiten von Spotify für uns ja auch nicht ganz einfach, da wir in keine Schublade passen. Aber wir wollen unsere Roots nicht einschränken.
SG: Diese Band soll einfach kompromisslos arbeiten können. So jedenfalls lautet unser Credo: Wir führen die Ellis Mano Band so wie wir es wollen, ohne dass uns irgendjemand reinredet.
EM: Natürlich existiert bei uns ein roter Faden. Wir spielen nun einmal so, wie wir spielen, und haben zudem einen sehr markanten Sänger. Dadurch entsteht bei uns absolute Authentizität. Aber wir sind nicht AC/DC, bei denen man vorher weiß, wie die kommende Scheibe klingen wird. Deshalb ist es bei AC/DC trotzdem immer sehr spannend. Aber noch spannender finde ich es, wenn man nicht weiß, was als nächstes passiert, ob es eine Jazz-Trompete oder irgendetwas anderes Abgefahrenes gibt. Damit jetzt kein falscher Eindruck entsteht: Ich liebe AC/DC!
SG: Zumal auch AC/DC auf ihre Weise absolut kompromisslos sind.
Ist euer Equipment im Studio und auf der Bühne identisch?
EM: Ja, bei mir schon.
SG: Bei mir nicht. Ich probiere im Studio immer mehrere Bässe pro Song aus. Auf dem aktuellen Album war es häufig ein 60er Precision, der live aber leider nicht funktioniert hat, da er sich im Gesamtsound nicht genügend durchsetzen konnte.
EM: Der größte Unterschied bei uns ist die Hammond-Orgel, die im Studio ein 180 Kilo schweres Original ist, auf Tour jedoch durch eine nur 25 Kilo schwere digitale Kopie ersetzt wird. Unser Sänger benutzt immer ein Shure-SM-7B-Studiomikro. Auf der aktuellen Tour nehmen wir jede Show auf, da es Ende 2023 ein neues Live-Album geben soll. Deshalb haben wir an unser Gear natürlich einen professionellen Anspruch und wollen auch auf der Bühne nur die bestmöglichen Instrumente spielen. Ich kann Gitarristen sowieso nicht verstehen, die zuhause eine tolle Strat stehen haben, unterwegs aber eine billige Mexiko-Kopie spielen.
Pedalboard u.a. mit Ibanez TS10, Ibanez TS808, zwei EHX Holy Grail Nano, Boss Blues Driver 2, MXR Phase 90 und Electro Harmonix Memory Man Deluxe
Spielt ihr im Studio die jeweiligen Soundeffekte gleich mit ein, oder werden sie nachträglich hinzugefügt?
EM: Bei mir ist beides der Fall. Ich habe dieses tolle Voodoo-Lab-Switching-System, bei dem man mit einem Klick gleich mehrere Effekte schalten kann. Im Studio will ich die Jungs aber nicht zu lange warten lassen, deshalb werden manche Effekte erst beim Mix hinzugefügt.
SG: Ich setze im Studio sowieso kaum Effekte ein. Auf dieser Tour habe ich einen Verzerrer dabei, um meinen Sound ein wenig zu boosten. Zusätzlich setze ich bei einem Song einen Hall ein, den wir im Studio im Nachhinein hinzugefügt haben. Darüber hinaus gibt es noch einen Chorus, den ich im Studio aber nicht benötigt habe.
Bild: Matthias Mineur
Squier JV Jazz Bass, Made In Japan, Baujahr 1982
Bild: Matthias Mineur
Fender Precision Bass mit Jazz-Bass-Neck, Custom, Baujahr 2021
Bild: Matthias Mineur
Fender 100 Bassman Silverface + Fender Cabinet
Bild: Matthias Mineur
Grafs Pedalboard u.a. mit MXR Bass Chorus Deluxe, Origin Effects Cali 76, Aguilar Octamizer, Strymon El Capistan, Strymon Blue Sky und Boss Driver DB-5
Spürt ihr bereits nach drei Alben eine stilistische Weiterentwicklung der Band?
EM: Ich habe mich erst vorhin mit jemandem unterhalten und ihm erzählt, dass andere Bands vor ihrem ersten Studiotermin meistens bereits 1000 Stunden im Proberaum waren, während wir sehr früh schon unser 2019er-Debütalbum aufgenommen haben. Eigentlich wollten wir anschließend sofort live spielen, doch dann kam die Pandemie, wir konnten nur fünf oder sechs Gigs geben und haben deshalb gleich das zweite Album produziert. Corona herrschte aber weiterhin, sodass jetzt bereits das dritte Album existiert, mit dem wir endlich auf Tour gehen können. Es gab bislang nicht mal 50 Konzerte der Band, insofern hat unsere bisherige Weiterentwicklung tatsächlich überwiegend im Studio stattgefunden.
Dementsprechend gibt es also noch große Ziele bei euch?
SG: Das kann man so oder so sehen. Bei mir zumindest gibt es nicht das Gefühl, dass ein bestimmtes Ziel bereits erreicht ist oder zu einem späteren Zeitpunkt erreicht sein wird. Ich sehe es eher wie bei einem Film mit Happy End: Das Paar ist endlich zusammengekommen, aber eigentlich geht es ja jetzt erst richtig los. Ich habe nur ein Ziel: spielen zu können, Zuschauer anzusprechen und dadurch weiterzumachen und mich entwickeln zu können, denn dafür brauchen wir die Leute. Ich denke, wenn irgendwann tatsächlich viele Leute zu unseren Shows kommen, erst dann geht es so richtig los. Ich möchte diese Band einfach so lange wie irgend möglich machen.
EM: Das Wichtigste für uns ist die musikalische und wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Denn dann, wenn es gut läuft, hat man die Zeit für all das, was man so sehr liebt. Die Bonamassas dieser Welt haben vor 20 Jahren mit 20 Zuschauern angefangen. Irgendwann kamen 200 Zuschauer zu ihren Gigs, und nach ein paar Jahren waren sie die absoluten Topseller. Ich habe den Eindruck, dass wir uns irgendwo in der Mitte dieses Weges befinden, aber es fühlt sich schon sehr gut an.
Es brodelt, wir sind auf Tour, wir sind in den Medien, es kommen TV-Shows, Radio, weitere Auftritte. Es dauert halt seine Zeit, bis man die volle Aufmerksamkeit bekommt. Ich sehe das wie eine große, sich langsam aufbauende Welle, die man lange Zeit nicht sieht und dann plötzlich überschwappt. Der Weg ist das Ziel. Zumal, auch heute haben wir gleich zwei unserer Ziele erreicht: Wir spielen in der Blues Garage und geben ein Interview für GITARRE & BASS!