Ein paar Zeilen über...
Die klanglichen Unterschiede von Tonabnehmerdraht
von André Waldenmaier // Michael Pantleon, Artikel aus dem Archiv
Die klanglichen Unterschiede verschiedener Wickeldrähte sind sensationell! Ein Draht muss natürlich isoliert sein; wäre er das nicht, würde ein Kurzschluss entstehen und der Pickup nicht funktionieren. In den 50er-Jahren bis etwa Mitte der 60er wurden die Wickeldrähte zur Isolation mit „Plain Enamel“ oder „Formvar“ beschichtet.
Das sind relativ dicke Beschichtungen, Formvar noch ein bisschen dicker als Plain Enamel. Die Folge davon: Die einzelnen Kupferlagen haben einen größeren Abstand voneinander. Die äußeren Wicklungen der Spule sind deshalb weiter von den Polstücken des Spulenkerns entfernt und liegen somit anders im Magnetfeld als bei dem späteren, dünneren Beschichtungsverfahren mit Polyuhrethan oder Polysol. Die Folgen kennen wir aus der Geschichte alter Gitarren: Die Pickups mit dünnerer Wickeldraht-Isolierung klingen dünner und höhenbetonter.
Ich will nicht behaupten, dass sie schlechter klängen, nur eben anders als in den 50ern und 60ern mit ihren dickeren Isolierungen. Folglich sind die Hersteller bei der Reproduktion alter Pickup-Typen wieder zu den dicker isolierten Drähten übergegangen.
Wenn amerikanischer Wickeldraht oder amerikanisches Kabel verwendet wird, trifft man immer auf die Maßeinheit AWG. Das heißt American Wire Gauge, also amerikanische Drahtstärke. Im Pickup-Bau wird beispielsweise der Wickeldraht AWG 42 oder AWG 43 benutzt; oder das Anschlusskabel AWG 22, bestehend aus sieben Adern des Drahtes AWG 30. Diese AWG-Zahlen stammen noch aus dem 19. Jahrhundert und wurden beim Ziehen von Kupferdraht verwendet.
Das System ist etwas verwirrend, weil eine hohe AWG-Nummer einen kleinen Drahtdurchmesser angibt. So ist AWG 43 = 0,056 mm Durchmesser, AWG 42 = 0,063 mm, AWG 30 = 0,25 mm, AWG 22 = 0,644 mm, AWG 15 = 1,45 mm. Das Verhältnis von einer zur nächsten AWG-Stärke wird mit dem Divisor 1,1229322 bestimmt. Also: 0,063 mm (AWG 42) : 1,1229322 = 0,0561 mm (AWG 43)
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Da fehlt ein wesentlicher Parameter: Wann stoppt die Wickelmaschine? Wenn der Wickelkörper voll ist, oder wenn eine bestimmte Windungszahl erreicht ist? Im ersten Fall gibt’s bei dicker isoliertem Draht weniger Windungen, im zweiten Fall gibt’s einen größeren Wickel. Mehr darüber in
http://www.gitarrenphysik.de/tutorials => T24 Pickup secrets (kostenloses Video).
Sehr geehrter Herr Zollner,
sie sprechen mir aus dem Herzen ❤️
Die vereinfachende Behauptung in diesem Beitrag, dickere Isolierung = dickerer Klang (was ist dick in dem Zusammenhang eigentlich?)
kann ich so nicht teilen. Im Gegenteil meine ich eher, dass bei dickerer Isolierung die pharasitäre Kapazität zwischen zwei benachbarten Windungen oder auch Wicklungslagen eher geringer sein dürfte und somit der Pickup aufgrund der geringen Kapazität und damit höheren Eigenresonanz der Spule mehr Höhen übertragen müsste, als ein Tonabnehmer gleicher Windungzahl mit dünnerem Draht.
Gleichzeitig wäre noch zu untersuchen: 1) welchen Einfluss die räumliche Ausdehnung des Spulenwickels auf die resultierende Induktivität hat.
2) ob der größere Abstand der äußeren Windungen bei dickerem Draht und gleicher Windungszahl wie bei einem PU mit dünnerem Draht, einen signifikanten Einfluss auf das Übertragungsverhalten und die induzierte Signalspannung hat.
Hinweise zu diesen Fragen finden sich in Ihrem Buch Physik der Gitarrentonabnehmer. Dennoch scheint es, die Antwort auf rein theoretischem Weg zu finden, schwierig, da mir die Unterschiede zwischen den einzelnen Einflussfaktoren widersprüchlich zu sein scheinen.
Aber ich arbeite mich nochmal durch.
MfG.
P.V.