Im Interview

The Sixsters: Ukrainian Riot Girls

Anzeige
(Bild: Arnd Müller)

Es lief gut für die Band aus der Gegend um Kiew. Im Frühjahr 2022 sollten sie als Support mit auf Stadion-Tour gehen, doch der russische Angriffskrieg machte alle Pläne zunichte. Die Musikerinnen verließen ihre Heimat, fanden wieder zusammen und haben mit ,I’m Gonna Be‘ ein starkes Album veröffentlicht.

Maria (voc, g), Anna (g), Polina (b), Katya (dr) und Maya (kb) leben seit etwa einem Jahr in Deutschland und der Schweiz. Mit den Songs auf dem im Dezember bereits veröffentlichten ,I’m Gonna Be‘ beleben die Sixsters den Punkpop und Emocore der 90er- und 00er-Jahre wieder und gehen richtig nach vorne – mit deftigen Drums, komprimierten bis angezerrten Bässen, punkigen Gitarren, Marias kraftvoller Stimme und scharfen Background-Chören. Dazu setzen auch mal ein Klavier, Keyboards und weitere elektronische Sounds Akzente.

Anzeige

Die Gefühlsskala reicht vom wütenden ,Fucking Life‘ über das melancholische ,Happiness‘ bis zur schönen Akustik-Nummer ,Hold‘. Ihre energiegeladene Attitüde und ihre Kreativität spiegeln sich auch im opulenten Video zum Titeltrack, in dem die Musikerinnen sich spooky wie Marionetten bewegen und mit weiß geschminkten Gesichtern und in schrillem Outfit aussehen wie Figuren aus einem Tim-Burton-Film. Es ist wirklich bewundernswert, wie die Band trotz des andauernden Krieges ihren Weg weiterverfolgt. Wir sprachen mit Sängerin und Gitarristin Maria sowie der zweiten Gitarristin Anna.

Es muss schwer sein für euch angesichts dieses furchtbaren Krieges in eurem Land.

Maria: Ja, das ist es. Aber es ist nun auch schon ein Jahr her, seit die Invasion begann. Schon nachdem wir ausgereist waren, fingen wir in einer gewissen Weise an uns daran zu gewöhnen.

2018 wurde die Band gegründet, wie habt ihr euch kennengelernt?

Maria: Es begann alles mit Katya, unserer Schlagzeugerin, sie hat mit sechs Jahren angefangen zu spielen. Sie und ihre Familie entschieden, dass sie mit anderen Mädchen in einer Band spielen soll. So habe ich sie kennengelernt.

Wie sieht die Musikszene in Kiew aus? Gibt es viele Clubs in denen man auftreten kann?

Maria: Eher nicht. Es gab Festivals in der Stadt. Wir sind dann landesweit bei Festivals aufgetreten.

Welche Art von Bands gibt es in der Ukraine?

Maria: Ganz verschiedene. Wir haben eine große Rockszene, die in den 90ern begann. Okean Elzy ist einer der größten Acts in der Ukraine. Auch Antytila ist eine große Band, mit der wir eigentlich auf Tour gehen sollten.

Im Dezember habt ihr ,I’m Gonna Be‘ veröffentlicht.

Maria: Es ist unser drittes Album, aber es ist das erste in Englisch. Die beiden davor waren in Ukrainisch. Wir haben aber auch vorher schon einige Songs in Englisch und sogar auf Deutsch gemacht.

Wie läuft bei euch das Songwriting ab?

Maria: Wir machen alles gemeinsam. Jemand bringt eine Idee mit, wir sitzen dann im Kreis und entwickeln sie weiter. Niemand sitzt zu Hause und arbeitet alleine, es ist immer Teamarbeit. Wir sind wie ein großer Organismus.

Wo habt ihr aufgenommen?

Maria: Als wir nach Deutschland kamen, war alles anstrengend und ziemlich hektisch. Der Future Campus Ruhr in Essen hat einen großen künstlerischen Bereich mit einem Tonstudio und sie sagten zu mir: „Wir glauben an dich und deine Band. Ihr könnt hier tun was ihr wollt.“ Direktor Peter Petersen ist unser bester Freund und wir mögen ihn sehr. Er hat uns geholfen, und so haben wir angefangen nach sechs Monaten Pause wieder zu proben.

Wie seid ihr im Studio vorgegangen?

Anna: Jede von uns spielt ihren Part getrennt ein. Wir fangen normalerweise mit den Drums an, dann kommen Bass und die Gitarren. Anschließend Keyboards und dann der Gesang.

Marias Marshall DSL 40C
Gallien-Krueger MB 115-II
Marias Board: Marshall Guv‘Nor GV-2 Plus, Sound JS Super OverDrive SD-5, Polytune3, Dunlop Cry Baby WahWah, RockBoard Power LT XL
Annas Peavey Bandit 112
Annas Pedalboard: Marshall JH-1 Jackhammer, Custom made Overdrive, Polytune3, Dunlop Cry Baby WahWah, RockBoard Power LT XL

 

Anna, wann hast du angefangen Gitarre zu spielen?

Anna: Ich weiß es nicht, es hat sich einfach so ergeben. Jedenfalls habe ich erst mit Klavier angefangen. Dann meinte meine Mutter, ich sollte Klassische Gitarre lernen. Das war ein wenig langweilig, also dachte ich mir, warum probiere ich es nicht mit einer E-Gitarre.

Hast du spezielle Vorbilder?

Anna: Mein Lieblingsgitarrist ist Mateus Asato aus Brasilien. Er ist eher ein Sessionplayer und spielt jetzt mit Bruno Mars und anderen Popsängern.

Habt ihr Lieblingsalben?

Anna: Vielleicht ,The Black Parade‘ von My Chemical Romance. Das ist ein Meisterwerk. Aber ich höre alles Mögliche.

Maria: Bei mir ist es auch My Chemical Romance, allerdings ,Three Cheers For Sweet Revenge‘, dann noch Pierce The Veil mit ,Collide With The Sky‘ oder auch von Children Of Bodom ,Hatebreeder‘. Als Band mögen wir Pop-Punk-Bands wie Blink-182, Sum 41, Avril Lavigne und Green Day.

Maria, wann hast du mit der Gitarre angefangen?

Maria: Ich habe erstmal mit zweieinhalb Jahren angefangen Klavier zu lernen. Dann habe ich später irgendwann Metallica gehört, es machte Klick und ich wechselte zur Gitarre.

Seid ihr alle ausgebildete Musikerinnen?

Anna: Ja, wir waren alle an der Musikschule und haben alle Klavier gelernt.

Inwiefern habt ihr davon profitiert?

Maria: Dadurch entwickelt sich das Gehör und das Gefühl für die Musik selbst. Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll, aber ich fühle mich selbstbewusst, weil ich weiß, dass ich eine musikalische Ausbildung habe.

Anna: Ich bin wirklich dankbar für meine musikalische Ausbildung und stolz auf das, was die Musikschule mir vermittelt hat, besonders auf meinen Klavierlehrer.

Maria: Das war alles Klassischer Unterricht. In der Ukraine wird Klassische Musik sehr professionell und fokussiert betrieben. Die Leute sind richtige Experten. Es gibt zwar auch eine ziemlich große Jazz-Szene, aber Unterricht bekamen wir ausschließlich in der Klassik.

(erschienen in Gitarre & Bass 06/2023)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.