Im Interview

Ihsahn: Vom Black-Metaller zum Musician‘s Musician

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(Bild: Bjørn Tore Moen)

Als Frontmann der norwegischen Black-Metal-Pioniere Emperor lotete Vegard Sverre Tveitan alias IHSAHN zu Beginn der 1990er die Grenzen des Extremen in der Musik aus. Aber noch während der aktiven Zeit der Band, die heute lediglich zu besonderen Anlässen Konzerte gibt, wurde es dem heute 47-Jährigen zu eng in seiner angestammten Szene: Nach vier Studioalben und verschiedenen Projekten, für die er bis heute stets zu haben ist, startete er eine Solokarriere, in deren Verlauf der Klangvisionär zu einem genreübergreifend beachteten Rundum-Musiker und Produzenten avancierte.

Wir nahmen also eine neue 3-Song-EP mit musikerzieherischem Anspruch zum Anlass für ein ausführliches Gespräch mit dem selbsternannten Equipment-Nerd. Und schon zu Beginn des Gesprächs macht er klar, dass der Gitarrist nicht nur über seine Musik sprechen möchte: „Ich kann mich nicht über zu wenig Interesse seitens der Medien beklagen, aber es handelt sich normalerweise nur um die Metal-Presse, bei der viele Themen unberührt bleiben, über die ich gerne sprechen würde. Ich liebe alles, was mit dem Aufnehmen und Produzieren von Musik zu tun hat. Darum freue ich mich umso mehr über diese Gelegenheit hier.“ Na dann, los!

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LET‘S GET PHYSICAL

Ihsahn, erzähl uns etwas über deine neue EP, bitte.

Gerne. Ich genieße das Privileg, seit vielen Jahren mit dem Produzenten Jens Bogren und seinem Team in den Fascination Street Studios in Schweden zu arbeiten. Doch die EP ‚Fascination Street Sessions‘ hat einen etwas anderen Hintergrund: Jens bietet neuerdings Kurse an der URM Academy an. Das ist ein Online-Lernportal für alles Mögliche, was mit Musik zusammenhängt. Dazu brauchte er eine Band und bat mich, eine zusammenzustellen, was mir sehr schmeichelte und großen Spaß machte, weil ich die Möglichkeit bekam, sowohl moderne Aufnahmetechnik als auch Vintage-Geräte zu verwenden.

Die Arbeit entpuppte sich als unerwartet intensiv. Am Ende hockten wir zehn Tage lang drinnen und sahen so gut wie nichts von der Umgebung, aber die Erfahrung war es wert. Eigentlich hatten wir gehofft, einige der Sehenswürdigkeiten und Restaurants in Örebro auszuchecken, wo sich die Studios befinden …

Ich stelle mir die Studios als ziemlich gut ausgestatteten Spielplatz vor.

Das kann man wohl sagen. Die neuen Räumlichkeiten sind so eine Art Hybridstudio, doch Jens bleibt sehr wählerisch, wenn es um Mikrofone oder Verstärker geht, und will stets die Kontrolle über alles behalten. Für die EP haben wir eine klassische Hammond-B3- Orgel mit Leslie-Speaker verwendet, ein generalüberholtes Wurlitzer und ein Fender-Rhodes-Piano, das wir über einen Twin Reverb spielten, nicht zu vergessen etliche Analog-Effektpedale.

Vegard (links) im Juke Joint Studio (Bild: Vegard Sverre Tveitan)

Magst du das Gefühl, die Dinge anfassen zu können, mit denen du arbeitest, also im Gegensatz zu Computern und Software?

Auf jeden Fall, auch die Unberechenbarkeit und Eigenheit mancher alter Instrumente und Verstärker – das haptische Erlebnis, wenn du Knöpfe drehen oder drücken kannst. Davon abgesehen bin ich ja mit vielen Alben aufgewachsen, die auf diese Weise entstanden sind, und verbinde Erinnerungen mit bestimmten Klängen. Dabei spielen neben den Arbeitsmitteln natürlich auch die Raumakustik sowie die Tatsache eine Rolle, dass zu einem gegebenen Zeitpunkt eine Gruppe von Musikern dastand und etwas zusammen schuf.

Als Emperor anfingen, war das genauso: Der Tontechniker startete die Aufnahme, das Band fing an zu laufen, und wir legten los mit dem, was wir über lange Zeit hinweg sorgfältig einstudiert hatten. Heute muss alles schnell gehen, jeder verfügt über die gleichen Plug-ins, Emulatoren und Programme, dementsprechend klingt auch vieles austauschbar.

Im Studio kommt auch weiterhin Analogtechnik zum Einsatz: MLC Amps Subzero 100 (Bild: Vegard Sverre Tveitan)

Trotzdem greifst du selbst mitunter ausgiebig auf digitale Werkzeuge zurück.

Ich bin auch froh darüber, das tun zu können, denn ansonsten könnte ich als Solokünstler gar nicht so viel alleine bewerkstelligen. Die Arbeit mit Jens Ausstattung ist auch deshalb so toll, weil man den ursprünglichen Sound mit Originalequipment einfängt und dann nach Belieben digital damit weiterarbeiten kann. Das Juke Joint Studio in meiner Heimatstadt Notodden in Norwegen ist auch ein Paradies für Vintage-Jünger; es hat ein altes Auditronics-Mischpult, das für Produktionen des legendären Soul-Labels Stax in Memphis eingesetzt wurde, einige wirklich nette Onboard-EQs und viele tolle Vorverstärker.

Dort haben wir mit einigen meiner Projekte Drums aufgenommen, und es eignet sich auch hervorragend, um Aufnahmen mit Analogeffekten zu veredeln, beispielsweise einem echten Universal Audio 1176 Peak Limiter aus den 1960ern, oder einfach zum Einfangen der Atmosphäre in diesem geschichtsträchtigen Raum. Ich habe dann mein kleines API-Lunchbox-Rack mit mehreren Programmschnittstellen dabei, um alles zu übertragen und dann in meinem eigenen Studio fertigzustellen.

Was für Equipment brauchst du auf der Bühne, um dich entsprechend sicher zu fühlen?

Das hängt davon ab, was am jeweiligen Auftrittsort vorhanden ist, aber generell haben sich bestimmte Komponenten im Lauf der Jahre für mich bewährt. Lange Zeit spielte ich live digitale Modelling-Amps von Kemper, die heute noch bei mir im Studio stehen. Kürzlich wechselte ich aber für Konzerte zu einem Neural DSP Quad Cortex, zumal wir jetzt auch mit Timecodes arbeiten, sodass sich Midi-Sequenzen und Patch-Änderungen fernsteuern lassen. Ich muss also keinen Balletttanz mehr auf Pedalboards vollführen, was ja sowieso sehr fehleranfällig ist. Nicht dass nun immer alles perfekt laufen würde, doch der Nervenkitzel macht ja auch den besonderen Reiz einer Live-Darbietung aus. Jedenfalls ist dieses Setup ideal für InEar-Monitoring und kann an jede beliebige Bühnenausstattung angepasst werden, die man etwa bei Festivals antrifft.

Auch live setzt Vegard auf seine Aristides-Modelle. (Bild: Vegard Sverre Tveitan)

Dort mit Röhrenverstärkern zu spielen wäre ja auch hochriskant.

Auf Tour mit meiner Soloband, als wir in Clubs spielten, ergab der Einsatz von Röhren-Amps manchmal durchaus Sinn, weil solche Gigs eine unmittelbare Erfahrung sind, der kleine Saal den Sound maßgeblich mitbeeinflusst und die Zuschauer das, was aus den Boxen auf der Bühne kommt, anders als bei Festivals, direkt hören. Da bemerkt man den Unterschied zwischen mikrofonierten Lautsprechern und direkt ins Mischpult geführten Signalen sowieso praktisch gar nicht und verschont den Tontechniker vor Nebengeräuschen beziehungsweise Rückkopplungen.

Das Live-Rig mit Neural DSP Quad Cortex (Bild: Vegard Sverre Tveitan)

 

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