„Der amerikanische Blues ist und bleibt nun einmal das Original.“

Jugend forscht: Connor Selby im Interview

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(Bild: Rob Blackham (Blackham Images))

Wer Connor Selby spielen und singen hört, würde nicht vermuten, dass der englische Bluesmusiker gerade mal 25 Jahre alt ist. Seine kraftvolle Stimme, sein akzentuiertes, mit vielen Nuancen angereichertes Gitarrenspiel und sein erstaunlich reifes Songwriting weisen eigentlich auf einen deutlich älteren Künstler hin. Kein Wunder also, dass die britische Musikpresse den überaus talentierten Selby bereits dreimal zum „Young Artist of the Year“ gewählt hat und ihm eine große Zukunft prophezeit. Dabei ist sein musikalischer Blick eher rückwärts gerichtet, basieren seine Kompositionen und sein Stil doch unverkennbar auf einem traditionellen, tief in den Sechzigern beheimateten amerikanischen Blues, anstatt auf neueren Spielweisen. Selby ist durch und durch Traditionalist, liebt die latent vorhandene Sentimentalität dieser Musikrichtung und bezeichnet sich selbst als „überzeugten Romantiker“.

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Jetzt ist sein schlicht ‚Connor Selby‘ betiteltes Debütalbum erschienen und beendet eine über zwei Jahre andauernde Ungewissheit, mit welcher beruflichen Perspektive es für den jungen Engländer zukünftig weitergeht. Denn der zurückliegende Lockdown, ein derzeit mit allerlei Absatzproblemen kämpfendes Musikbusiness und die üblichen finanziellen Engpässe machen es einem jungen Künstler wie Selby derzeit alles andere als leicht. Wir haben uns mit dem freundlichen Engländer verabredet, um mit ihm einen Rückblick auf seine ersten 17 Jahre als Musiker vorzunehmen.

INTERVIEW

Connor, in gewisser Weise ist dein neues Album eine Wiederveröffentlichung von 2021, allerdings um vier neue Tracks erweitert, richtig?

Ja, das stimmt. Das Album wurde ursprünglich im Dezember 2020 aufgenommen und im darauffolgenden Frühjahr veröffentlicht. Allerdings nur von mir selbst, nicht über eine Plattenfirma. Ich hatte auch keinen professionellen Vertrieb an meiner Seite, sondern habe die CDs ausschließlich über meine Website und bei meinen Shows verkauft. Ich konnte sowieso nur eine sehr kleine Auflage pressen lassen, für eine höhere Stückzahl hätte mein Geld nicht gereicht.

Woher stammte dein Budget für die Studioproduktion?

Von einem Crowdfunding. Die Situation war für mich 2020 ziemlich vertrackt: Seinerzeit hatte ich die feste Zusage für eine Englandtour mit The Who bekommen, aber Corona machte ihnen und damit auch mir einen dicken Strich durch die Rechnung. Also saß ich zuhause, wusste nicht, was ich tun sollte, besaß kaum Geld, hatte aber jede Menge Zeit und Songideen. Deshalb überlegte ich: Das Beste wäre es, erst einmal ein Album aufzunehmen. Aber woher das nötige Kleingeld nehmen?

Ich startete einen Crowdfunding-Aufruf, und tatsächlich fanden sich einige Leute, die ein Einsehen mit mir als Künstler hatten und einige Pfund spendeten. Zudem kam mir zugute, dass auch viele Studios aufgrund der Pandemie in einer extrem schwierigen Situation waren und mir deshalb eine sehr günstige Studiomiete offerierten. Ohne diese Umstände hätte ich mir eine solch aufwendige Produktion mit derart exzellenten Musikern niemals leisten können. Ich vermute, dass da wohl einige Leute Mitleid mit uns Musikern hatten und deshalb mehr Geld gaben, als erwartet.

Und dann schlugen plötzlich Mascot Records zu und boten dir einen Plattenvertrag an, inklusive der Aufnahmen von vier zusätzlichen, bislang unveröffentlichten Nummern. Sind diese vier Songs tatsächlich brandneu?

Drei von ihnen habe ich erst nachträglich aufgenommen, der vierte ist ein unveröffentlichtes Überbleibsel aus der ursprünglichen Studioproduktion. Die drei neuen Songs habe ich im Mai 2022 eingespielt, der vierte Track stammt noch vom Dezember 2020.

Zwischen beiden Produktionen lagen mehr als eineinhalb Jahre. Ist das Material dennoch miteinander kompatibel und vergleichbar?

Ich finde, dass ich auf den drei neuen Songs noch etwas gefühlvoller singe, außerdem ist auch die Produktion noch ein wenig besser geworden. Aber natürlich habe ich sorgsam darauf geachtet, dass die Songs zum Rest der Scheibe passen. Ich wollte unbedingt, dass alles wie aus einem Guss klingt, deshalb waren – mit nur einer Ausnahme – die gleichen Musiker wie beim ersten Mal am Start.

Du spielst bereits seit deinem achten Lebensjahr Gitarre, richtig?

Ja, wobei ich es in den ersten zwei Jahren noch nicht sonderlich ernstgenommen habe. Ich bekam in der Schule klassischen Gitarrenunterricht, machte dies aber nur aus Spaß, ohne wirkliche Ambitionen. Das änderte sich jedoch grundlegend, als ich zwei, drei Jahre später den Blues für mich entdeckte. Mit dieser Erfahrung als Motivationsschub wollte ich fortan wissen, wie man diese Songs, die ich nach und nach entdeckte, selbst spielen kann. Mit elf begann meine große Leidenschaft für Musik und für die Gitarre. Seither lerne ich von Jahr zu Jahr immer mehr über dieses großartige Genre.

Wobei du als in Essex geborener Engländer deine Hauptinspirationsquelle erstaunlicherweise im amerikanischen Blues siehst.

Das stimmt, allerdings befindet sich unter meinen ersten großen Idolen neben Otis Rush und B.B. King auch Eric Clapton. Und der stammt bekanntlich aus England. Clapton und ich haben einen ähnlichen kulturellen Background, deswegen habe ich seine Musik auf Anhieb verstanden. In gewisser Weise erkenne ich mich selbst im jungen Clapton. Ich liebe sein Spiel!

Doch wie gesagt: Ich entdeckte auch Otis Rush und lernte durch ihn die kulturelle Bedeutung von Soul und Blues kennen. Ich fand die Vorstellung eines Mannes, der allein mit seiner Gitarre gegen den Rest der Welt antritt, ausgesprochen reizvoll. Nachdem ich Otis Rush entdeckt hatte, wollte ich so viele verschiedene Bluesmusiker und -songs wie möglich hören. Ich lernte, dass die Grundlagen des Blues aus Amerika stammen und die englischen Musiker sie letztlich immer nur kopiert haben. Mit 16 entdeckte ich Ray Charles, was bei mir noch einmal eine grundlegende Veränderung mit sich brachte. Von da an wollte ich lernen zu singen, wollte unbedingt meine eigene Stimme finden. Ich wollte herausfinden, wer ich als Mensch überhaupt bin.

Mehr über Connors Liebe zur Les Paul und Authentizität im Blues auf Seite 2 …  

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