Der Begriff „Intonation“ steht für ein Bündel potenzieller Maßnahmen, um die Tonhöhen von Leer- wie auch gegriffenen Saiten einer bestimmten Norm anzupassen. Diese Norm nennt sich in der Musiktheorie „gleichschwebend temperierte Stimmung“. Sie ist ab Werk durch die spezifische Bund-Anordnung in die Gitarre bereits „eingebaut“. Damit sind alle auf diesem Instrument greifbaren Intervalle gleichermaßen fest definiert, denn es ist gewährleistet, dass die Frequenzverhältnisse dieser Intervalle sich nicht ändern, wenn die Akkorde (und damit Tonarten) gewechselt werden.
Die Vorraussetzung dafür, dass die Bundanordnung ihre Aufgabe auch korrekt erfüllen kann, ist neben der richtigen Lage und Höhe der Bünde auch der Zustand des Gitarrenhalses. Ist der Hals verzogen (konvex, konkav) oder in sich verdreht, dann ist es gut möglich, dass manche auf dem Griffbrett erzeugten Akkorde ähnlich schräg klingen, wie es der Zustand des Halses bereits vermuten lässt.
Ebenfalls wichtig ist ein lineares Höhenverhältnis der Bünde zueinander. Ein Abrichten aller Bünde wird für eine viel bespielte Gitarre daher früher oder später notwendig sein. Doch wie steht es um die nicht gegriffenen Töne, also um die Leersaiten? Auch die Tonhöhen der Leersaiten müssen in Vielfachen von gleich großen Halbtonschritten relativ zueinander gestimmt werden, ansonsten verlören die exakten Bundpositionen ihre Aufgabe.
Saiten: Ein entscheidender, aber häufig vergessener Faktor für den Erfolg aller Tuning-Arbeiten an einer Gitarre ist der Zustand der verwendeten Saiten. Sind diese bereits längere Zeit in Gebrauch, tun sie oftmals nicht mehr das, was man von ihnen erwartet. Abgelagerter Schmutz und Schweiß, aber auch einfache Materialermüdung wirken sich auf das Schwingungsverhalten aus. Saiten sollten also regelmäßig gewechselt werden, um die Gitarre verlässlich in der gewollten Stimmung halten zu können.
Nickelsaiten besitzen unterschiedliche Längs- und Quersteifigkeiten, die beim Stimmvorgang ebenfalls mit berücksichtigt werden müssen. In der Regel werden neu aufgezogene Saiten erst einmal vorgedehnt, damit sie sich beim endgültigen Hochspannen nicht gleich wieder nach unten verstimmen.
Überdies beginnen Stahlsaiten aufgrund ihrer Quersteifigkeit nicht exakt an den Auflagepunkten mit der Grundschwingung, sondern vielmehr erst ein kleines, aber tonhöhenrelevantes Stückchen von diesen Punkten entfernt. Kompensiert wird diese Materialeigenschaft ebenfalls durch das Verschieben der Saitenreiter am Gitarrensteg einer E-Gitarre, und zwar so lange, bis die am 12. Bund gedrückte Saite den Oktavton (Flageolett am 12. Bund) dieser Leersaite produziert.
Mit dieser Prozedur sollten – theoretisch – auch alle bekannten Tonhöhenfehler beim Niederdrücken von Saiten kompensiert sein. Gemeinhin wird der eben geschilderte Oktavabgleich meistens missverständlich als Einstellen der „Oktavreinheit“ bezeichnet.
Missverständlich deshalb, weil eine Gitarre erst dann oktavrein sein kann, wenn alle auf ihr erzeugbaren Oktaven stets die doppelte Frequenz ihres Grundtons produzieren. Letzteren Zustand könnte man dann als „Bundreinheit“ einer perfekt intonierenden Gitarre bezeichnen. Diese Bundreinheit kann jedoch mit dem Oktavabgleich allein nicht erzielt werden, dafür müsste auch der Sattel an die physikalischen Eigenschaften schwingender Saiten angepasst werden.
Ein weiterer Schritt hin zum Idealzustand der Bundreinheit führt also zu den Eigenschaften eines Gitarrensattels. In aller Regel wird er lediglich als weiterer Bund aufgefasst („Nullter Bund“), was aber nicht gerechtfertigt ist. Erstens befinden sich seine Saitenauflageflächen oft weit über der Höhe der restlichen Bünde, was dazu führt, dass in seiner Nähe gegriffene Töne zu hoch erklingen: Offene Akkorde klingen dann oftmals irgendwie „schräg“ – im Zusammenklang mit den korrekten Tonhöhen der Leersaiten. Der Grund dafür ist, dass die Saiten beim Herunterdrücken stärker gespannt werden als in Sattelferne, da der Abknickwinkel dort größer ist. Dadurch werden die Töne beim Abgreifen übermäßig nach oben verstimmt.
Zweitens sind die Positionen der Sattelauflageflächen in den meisten Fällen unglücklich gewählt, nämlich exakt nach dem theoretischen Modell der gleichschwebend temperierten Stimmung. Dieses Modell kann aber naturgemäß nichts mit den physikalischen Zusammenhängen von Saitenstärken, Saitenlängen und Saitenspannungen anfangen.
Saiten werden ja, wie gerade erwähnt, zwangsläufig beim Niederdrücken zusätzlich über die Standardspannung der Leersaiten hinaus angespannt, was Tonhöhenfehler für sämtliche Bundpositionen – mit Ausnahme des „Nullbunds“ – verursacht. Wenn die unpassende Sattelposition/Sattelhöhe unmodifiziert bleibt, beschränkt sich die Beseitigung dieser Tonhöhenfehler mittels Oktavabgleich lediglich auf den 12. Bund.
In Richtung Steg (vom 12. Bund aus gesehen) werden die Töne dann in der Regel zunehmend tiefer erklingen, als es die Theorie fordert, in Richtung Sattel zunehmend höher. An den ersten ein bis drei Bünden schließlich landet der Gitarrist dann am Kulminationspunkt eines jeden Sattelproblems: Mehrklänge klingen dort auffällig schräg. Wer also seine Gitarre möglichst perfekt intoniert haben möchte, der muss den Mehrklang „Sattel, Bünde, Hals, Saiten, Steg“ irgendwann einem fachmännischen Fein-Tuning unterziehen.
Ein solches Fein-Tuning erfordert auf jeden Fall sowohl die Benutzung von intakten Saiten als auch die Berücksichtigung der Saitenstärken. Auch die Abrichtung der Bünde muss gegebenenfalls in Betracht gezogen werden. Nach erfolgter Anpassung des Gitarrenhalses an die Zugkräfte der verwendeten Saitenstärken wird eine solche Gitarre traditionell am Steg weiter intoniert.
Die Tonhöhen der Leersaiten werden möglichst genau auf die erforderlichen Werte gebracht und dann mit deren Oktavtönen am 12. Bund verglichen. Ist der gegriffene Ton höher als die Oktave des Grundtons, muss der effektiv schwingende Saitenabschnitt durch Verschieben der Saitenauflagepunkte verlängert werden.
Ist der gegriffene Ton tiefer als die Oktave des Grundtons, muss diese Länge reduziert werden. Auch muss nach jeder Änderung der effektiv schwingenden Saitenlänge die Tonhöhe der betreffenden Leersaite wieder auf den gewollten Grundton hin korrigiert werden. Abwechselnd werden also „Oktavton“ und „Grundton“ der Leersaite solange verändert, bis beide Tonhöhen auch wirklich exakt eine Oktave auseinander liegen und dem gewollten Tonwert entsprechen.
Bei diesem Vorgang wird das Verhältnis von Saitenspannung zu Saitenlänge derart eingestellt, dass die Gitarre am 12. Bund oktavrein ist. Die effektiv schwingenden Längen der Leersaiten werden nach diesen Einstellungen auf jeden Fall etwas größer sein, als die Gitarrenmensur es rein theoretisch vorsieht.
Damit ist auch die ungewollte Tonerhöhung durch das Niederdrücken der Saiten am 12. Bund kompensiert worden. Ein Niederdrücken bedeutet ja immer eine unmittelbare Spannungserhöhung der betreffenden Saite, und eine Spannungserhöhung hat zwangsläufig auch eine Tonerhöhung zur Folge.
Die Kompensation dieses störenden physikalischen Sachverhalts ist zwar mit dem geschilderten Oktavabgleich für den 12. Bund erledigt (dort wurden ja gegriffene mit nicht gegriffenen Tönen abgeglichen), wirkt aber nicht notwendigerweise genauso für die restlichen Bünde. Denn diese ungewollten Spannungserhöhungen fallen für verschiedene Bünde unterschiedlich stark aus, da dort deren Abstände zur Saite aufgrund des Saitenverlaufs nicht stets gleich bleiben können.
Betrachtet man den üblichen Saitenverlauf einer Gitarre, so stellt man fest, dass der Saitenabstand zu den Bünden sich in Richtung Gitarrensteg sukzessive vergrößert. Es stimmt zwar, dass die unerwünschten Auswirkungen dieser linearen Abstandszunahme auch immer einen linearen Anstieg der Kompensation (durch die Mensurzugabe, die prozentual in die Länge der effektiv schwingenden Saite mit eingeht) hin zum Steg erfahren, jedoch haben in manchen Fällen diese beiden Linearitäten jeweils unterschiedliche „Steigungen“. In solchen Fällen trifft zu, was oben bereits angedeutet wurde: In Richtung Steg (vom 12. Bund aus gesehen) werden die Töne in der Regel zunehmend tiefer erklingen, als es die Theorie fordert, in Richtung Sattel zunehmend höher.
Machen wir dazu ein Gedankenexperiment: Man stelle sich vor, die so eingestellte Gitarre hätte einen deplazierten Sattel. Der Sattel sei dergestalt deplaziert, dass er sich viel zu nahe am ersten Bund befindet. Man stelle sich nun vor, wo die Bünde platziert sein müssten, um der gleichschwebend temperierten Stimmung trotzdem Folge zu leisten: Die Bünde müssten um einen gewissen Betrag in Richtung Steg wandern.
Freilich tun sie dies nicht, sondern bleiben um diesen Betrag zu nahe am Sattel. Für die gegriffenen Töne auf diesen Bünden bedeutet dies, dass die effektiv schwingende Saitenlänge länger ist, als die Theorie es erfordert und damit die gegriffenen Töne tiefer als gewollt. Diese Dynamik nimmt in Richtung des 12. Bunds immer mehr ab, denn dort wurden ja – mittels Oktavabgleich – die Mensurzugabe und die erforderliche Saitenspannung so zueinander eingestellt, dass an diesem Bund keine störenden Tonhöhenfehler zwischen gegriffenen Tönen und Leersaiten entstehen. Nach dem 12. Bund in Richtung Steg werden für eine Gitarre mit derart deplaziertem Sattel die gegriffenen Töne dann zunehmend höher erklingen, als die Theorie es fordert.
Der Grund für diese verwirrende Dynamik ist einfach: Der Oktavabgleich bezog sich auf einen falsch platzierten „Bund“ („Nullbund“), nämlich den deplazierten Sattel und soll nun für die restlichen (korrekt gesetzten) Bünde konsistente Töne ermöglichen. Das kann nicht funktionieren. Der Sattel ist eben kein Bund im üblichen Sinne, auf ihm können keine Saiten niedergedrückt werden.
Daher ist auch die traditionelle Positionierung des Sattels mit Hilfe der theoretischen Formeln unglücklich, denn diese Formeln berücksichtigen weder, dass gegriffene Töne eine störende Saitenspannung erzeugen, noch, dass Leersaiten-Töne ja nicht kompensiert werden müssen. In diesem theoretischen Sinn sind alle Sattelpositionen, die den traditionellen Formeln entsprechend gewählt wurden, deplaziert.
Abhilfe kann hier der professionelle Gitarrenbauer schaffen, indem er die Sattelauflagepunkte einiger oder gar aller sechs Saiten – je nach Saitenstärken – etwas in Richtung des ersten Bundes verschiebt. Firmen wie Taylor und PRS machen dies bereits seit Jahren, im Zubehörbereich gibt es den Earvana-Sattel, der den Saiten einstellbare Auflagepunkte bietet.
Eine derart modifizierte Gitarre muss erneut den Oktavabgleich durchlaufen, damit die Modifikationen auch wirksam werden. Sollen schlussendlich auch die geschilderten Probleme, die ein zu hoher Sattel mit sich bringt, beseitigt werden, ist darauf zu achten, dass die neuen Sattelauflageflächen tiefer gewählt werden als beim alten Sattel. Freilich, ohne dabei ein störendes Aufschlagen der schwingenden Saiten auf den Bünden zu riskieren.
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Der Artikel schildert alle Probleme ausführlich und gut. Prima! Die Problemlösungen werden auch ziemlich vollständig genannt. Ausführlicher hätte beschrieben werden können, dass die störende unterschiedliche Saitenanspannung beim Hinunterdrücken der Saiten durch folgende Maßnahmen reduziert werden sollten:
1. Bünde abrichten (selbst bei mittelpreisigen Neugitarren wirkt das leichte Abrichten oft Wunder),
2. Saiten eher dickere als dünnere Sätze verwenden (wg. nachfolgend beschriebener niedriger Saitenlage),
3. Halsspannung für möglichst geraden Halsverlauf verändern,
4. Sattelkerben möglichst niedrig feilen (kommt auf zehntel Millimeter an),
5. Saitenlage am Steg ebenfalls möglichst niedrig einstellen,
6. Oktavreinheit 12. Bund einstellen.
Ergebnis: mit gegebener Hardware ein Optimum erzielt.
A b e r wie beschrieben, gibt es trotzdem etwas unterschiedliche Saitenanspannungen durch das Niederdrücken der Saiten (was bei obigen Einstellungen niedrigstmöglich, aber natürlich nicht gänzlich beseitig ist) aufgrund der starren Bundverteilung nicht voll harmonische Ton-Abweichungen geben. Nur wenn man primär in bestimmten Bundbereichen spielt (z.B. hauptsächlich 0 bis 7. Bund) kann man dann darauf abgestimmt mit einem chromatischen Stimmgerät die dortige unstimmige Oktavreinheit annähern durch erneutes Anpassen der Saitenlängen (Steg), und damit den Bereich der Kompromisse verschieben. Spielt man über das gesamte Griffbrett, sollte der ursprünglich eingestellte Kompromiss, dass alles am 12. Bund stimmend gemacht ist, aber sich entfernend von Bund 12 zunehmend abweicht, beibehalten werden.
Wie im Artikel anklingend, aber von mir noch einmal stärker herausgestellt, ist jede Einstellung immer ein Kompromiss, auch mit o.a. gelisteten Maßnahmen. Aber der Kompromiss ist bzw. die Probleme sind negativer bei hängendem Hals und – drastisch negativer bei zu hoher Saitenlage, weshalb viele Gitarren “von der Stange” einfach nicht klingen können, denn diese Filigranarbeit kostet Zeit und Geld und erfordert Know-how + Spezial-Werkzeug, was in Summe auch nicht jeder Gitarren-Laden für jede Gitarre aufbringen kann oder will. Für gute Gitarrenbauer ist das hingegen eine Pflichtübung und für Hobby-TECHS (wie mich) kann es eine Passion sein, die auch aus einfachen Gitarren bestens spielbare Gitarren macht und am Ende wahre Spielfreude ermöglicht.
Mit musikalischen Grüßen
Der Artikel und der erste Kommentar sind sehr gut.
Ich feile auch immer ein paar Zehntel vom Griffbrett weg und mache einen etwas dickeren Sattel, damit der Auflagepunkt näher an den ersten Bund rückt. Nur eine Ergänzung: Besonders schlimm ist ja immer die dickste von den nicht umwickelten Saiten (Nylon G oder Stahl H). Ich mache gute Erfahrungen wenn ich diese Saite noch näher an den ersten Bund rücke als die anderen. Dafür klebe ich ein kleines Stückchen Knochen mit Sekundenkleber vor den Sattel und verlängere die Sattelkerbe in dieses Stückchen hinein.
Hallo! Gute Idee! Ich denke auch über breiteren Sattel mit entsprechenden Overlaps je Saite nach. Im Grunde genommen wäre das schon fast eine Nachbildung des im Artikel genannten Earvana-Sattels, der etwas über 30 € kostet. Die Frage, ob eine Nachbildung lohnt, hängt vom handwerklichen Geschick, Zeitaufwand und Geldbeutel ab. Ich tendiere dahin, bei midprized Gitarren (500 – 2000€) lieber zu kaufen. Aber die Idee, bei der H/B-Saite anzukleben, finde ich für günstigere Gitarren gut. Bei Custom-Shop, Masterbuilt und ähnlich teuren Gitarren greife ich die Substanz hingegen nicht an, sondern optimimere, wenn überhaupt nötig, die Einstellungen. 🙂
Ergänzung meines Kommentars.
…zu der Idee…: ich würde allerdings n i c h t mehr Platz für einen breiteren Sattel durch Kürzung des Griffbrettendes schaffen (wie von Thomas Szejnmann erwähnt), sondern von mir “Overlap” genannte vollständig aufliegende Auflage auf das Griffbrettende in unterschiedlicher Länge je Saite feilen. Das erfordert u.a., in den breiteren Sattel in Höhe des Griffbrettes eine genau passende Aussparung einzufeilen. Deshalb auch meine Erwägung, lieber zu kaufen, weil viel Arbeit…. Das Ankleben halte ich hingegen für eine wirklich gute Idee, weil es bei günstigen Gitarren genau diesen Zweck erfüllen wird. Mit musikalischen Grüßen
Earvana lohnt sich auf jeden Fall, ich habe einen in meine Hauptgitarre eingesetzt und war verblüfft. Man kann sich mit etwas Geschick auch selbe solche Sattel selber machen (auch mal mach Haifischsattel googeln).
Auf meine Sammlergitarren von Gibson kommt so etwas allerdings nicht in Frage.
bei allen genannten Lösungen sollte nicht vergessen werde, daß die Positionierung der Bünde nach dem Satz des Pythagoras berechnet und positioniert sind. D.h. sämtliche Halbtonschritte ist mathematisch richtig – von der erzielten Tonhöhe jedoch zum Teil weit entfernt von “wohltemperiert”. Denn beim Klavier sind lediglich die Oktaven mathematisch korrekt (Verdoppelung/Halbierung der Hz-Zahlen). Die anderen Intervalle, wie Quinten, Quarten etc. sind jedoch abweichend vom Satz des Pythagoras nach dem Wohlklang des Gehörs gestimmt. Aber auch hier stößt das Klavier (und viel mehr noch die Gitarre) an seine Grenzen. Denn die einzelnen Töne verschiedener Intervalle haben trotz demselben Namen (z.B. A) nicht dieselbe Tonhöhe! Das ist auch der Grund, warum Komponisten von z.B. Klavier oder Kirchenorgelwerken ihre Kompositionen in so unfassbar schwierig zu spielende Tonarten mit 3,4 oder mehr #en oder b’s geschrieben haben, einfach abhängig, wie Intervalle im Stück besser/angenehmer klingen!
Beispiel:
Skala in “A”-Stimmung:
a = 220, B = 247,5, Cis = 275 D = 293,33, E = 330, Fis = 366,67, Gis = 412,5, A = 440
So, nun kombinieren wir zur Tonart “A” eine in “B”.
Berechnet man das Fis in der Tonart “B”, erhält man das Ergebnis 371,25. Das “Fis” in der Scala “A” hat aber die Frequenz 366,67! Das sind immerhin fast 5hz Unterschied für ein und denselben Ton. Das zieht sich dann bei allen anderen Intervallen (und somit allen Tönen) durch. Die Gitarren kann aber aufgrund der fixen Position ihrer Bünde nur eine einzige Tonhöhe erzeugen. Die Schlußfolgerung ist, daß die Gitarre niemals in vollkommen korrekter Stimmung gespielt werden kann – im Gegensatz zu Streichinstrumenten.
Fatal: Je mehr man sich mit diesem Thema beschäftigt, um so verwirrter wie unzufriedener wird man werden. Denn es gibt keine allgemein gültige, perfekte Lösung!
Mein Tip ist, wie weiter oben von HK Blues bereits ähnlich beschrieben:
1.) Saitenführung im Sattel so tief wie möglich
2.) Hals möglichst gerade (hier berücksichtigen, daß je dicker die Saiten und je stärker der Anschlag des Musikers eine zunehmende Halswölbung für schepperfreies Spielen gebraucht wird)
3.) ggf. Bünde sauber abrichten, so daß die Saiten wieder am Bundmittelpunkt aufliegen und nicht irgendwo in der Breite der ausgespielten Dellen
4.) normale Saitenlage (12. Bund hohe E bei 1,5mm, tiefe E bei 2,0mm)
5.) auf keinen Fall zu dicke Saiten! (deren Biegesteifheit ist problematisch)
6.) keine zu tiefe Grundstimmung
7.) vor dem Einstellen der Oktavreinheit die Saiten (mäßig) ziehen und am Auflagepunkt von Sattel und Stegreiter mit dem Finger in den zu verlaufenden Winkel drücken
7.) Oktavreinheit sauber einstellen
8.) Auf gar keinen Fall zu stark anschlagen. Denn je stärker die Anschlag, um so weiter schwingt die Saite aus. Dabei wird die Saite gedehnt und dadurch ändert sich die Tonhöhe
Ein so optimiertes Instrument ist perfekt genug! Es braucht keinen Spezialsattel oder sonstige Kniffe – außer man will sich verrückt machen. Denn Fakt ist: Sobald der Musiker 30 Sekunden gespielt hat, ändert sich sowieso wieder alles. Sei es durch Temperatur durch handanlegen am Hals und Saiten, durch zu starkes und zu ungenaues drücken der Saiten zwischen den Bünden, sei es durch sich verstimmende Saiten. Im Eifer des Gefechts und zunehmend lauter spielenden Bandmitgliedern wird selbst das korrekteste Instrument zur Nebensache – und da haben wir noch gar nicht das Saitenziehen (selten auf die richtige Tonhöhe gezogen) in Betracht gezogen.
Außerdem: Je höher die Lautstärke um so weniger schlimm das Intonationsproblem. Das Ohr nimmt das nicht mehr so wahr.
Der 8.) Tipp ist:
Verwendet ein gutes Stimmgerät. Ein Stroboskop Tuner von Peterson, welches auch als preiswertes APP für’s Handy gibt, sollte es schon sein. das zeigt sogar die Fehler an, wenn man die Mechaniken an der Gitarre nur anfasst, noch ohne daran überhaupt gedreht zu haben. Durch dessen besonderen Messmethode lassen sich auch sehr tiefe Saiten, wie das E oder die Saiten von einem Bass, perfekt einstellen. Da haben normals Stimmgeräte z.T. erhebliche Probleme.
Weiterhin beinhaltet der Peterson Tuner spezielle Stimmprogramme, z.B. für E-Gitarre, Bass, Akustikgitarre, 12-string. Bei diesen Programmen werden die Saiten untereinander quasi temeriert feingestimmt. Sie weichen von den berechneten Frequenzen normaler Stimmungen ab und erlauben so harmonischere Akkorde – das alles ganz ohne irgendwelche Umbaumaßnahmen am Instrument.
Wer sich zu diesem Thema noch weiter verrückt machen will, dem sei Goggle empfohlen: “Wikipedia Wohltemperierte Stimmung”.
Zur Vertiefung dann bitte dem dort im unteren Bereich der Wikipediaseite genannten Weblink “Intervall-Umrechnung Frequenzverhältnis” folgen.
Viel Spaß
André
P.S. Die besten Hardwarelösungen für das Instrument seht Ihr hier:
http://www.tolgahancogulu.com/en/microtonal-guitar/
und da:
https://guitarplayer.files.wordpress.com/2009/02/56frets.jpg
und Hintergrundwissen dort: https://www.modoantiquo.com/temperatur/temperatur_desc_de.html
André, Du hast das umfangreich und zutreffend ergänzt. Prima. Kleine Anmerkung zu Stimmgerät: ja, wenn, dann ein sehr gutes verwenden. Ich habe allerdings für mich herausgefunden, dass die abschließende Oktaveinstellarbeiten am zuverlässigsten rein trocken gespielt mit dem Ohr ( zigfacher Vergleich leere Saite -> 12. Bund Flageolette -> 12. Bund leicht gedrückt und dabei Anpassung der Brückeneinstellungen, auch noch in der Höhe) gemacht werden sollten. Und: wie unten später kommentiert – sitzend mit Gitarre in Spielhaltung. Auch grundsätzlich beim Stimmen vertraue ich mehr auf mein Ohr, wozu ich nur einen Orientierungston – früher A vom Telefon – heute von Tasteninstrumenten oder Stimmgerät – benötige. Mit musikalischen Grüßen
Erst neulich wurde in einer FB-Gruppe eine Diskussion zu demselben Thema geführt. Einer der dort Beteiligten nannte diesen Youtube-Beitrag, in welchem diese Problematik nicht nur sehr schön erklärt, sondern auch klanglich ganz vorzüglich zu Gehör gebracht wird (vielen Dank nochmals auch an dieser Stelle):
https://www.youtube.com/watch?app=desktop&v=Daw93bRHe4Y&fbclid=IwAR33TGtPTeFJaE49ncxqYtIqwNpbIYvwzvYPJQaWudNuqze2fM0c5kjyhdk
Hallo, ich möchte betonen, dass ich die Erfahrung gemacht habe, dass man die Gitarre nicht im “Liegen”, schon gar nicht auf einen Keil, der nur den Hals abstützt, sondern immer in der Spielposition einstellen sollte. Selbst mit Gitarrengurt umgehängt kann der Hals leicht nach vorne oder hinten geneigt ganz andere Werte im Stimmgerät anzeigen (Eigengewicht des Halses). So wie im Video gezeigt geht es nicht wirklich gut. Weiterhin wäre es nicht schlecht, wenn der Filmemacher sich einen vorbereiteten Text zurecht legen würde.
Wie schön ist das denn: So ein toller Artikel und so viele konstruktiv-ergänzende Kommentare. 🙂 🙂 🙂 So stelle ich mir das vor: Kollegialität für Qualität für alle, die aktiv Musik lieben und leben! Musikalisch-herzlichen Gute-Laune-Gruß und allen ein erfolgreiches und musikalisch erfüllendes Jahr 2021,
Jojo 🙂
Viele der hiergenannten Probleme der Intonation habe ich umgangen, indem ich bei der Auswahl meiner Instrumente darauf geachtet habe, dass die Leersaiten nicht auf dem Sattel, sondern auf einem vom Werk bereits installierten Bundstäbchen (“nullter Bund”) aufliegen, welches in der abgerichteten Höhe exakt mit den anderen Bundstäbchen harmoniert. So umgeht man die Problematik des Einkerbens des Sattels, dieser dient dann nur zur Stabilisierung der Saiten in Halsquerrichtung. Leider läßt sich diese Methode nur schwer bei Instrumenten anwenden, die bereits vom Werk aus den Sattel als Leerseitenauflage nutzen, wie z.B. Fender Strat oder Tele, das wäre dann mit mechanisch erheblichem Aufwand verbunden, würde sich aber bei korrekter Ausführung lohnen. Die Stimmstabilität ist, auch bei Verwendung des Vibratohebels, mit meiner Methode erheblich besser, da sich keine Saite mehr im Sattel festklemmen kann. Die Kerbenbreite und -tiefe kann dabei geringfügig größer gewählt werden, sodass Einklemmen der Saiten vermieden wird, Bezugspunkt fürs Feinstimmen ist daher immer der Auflagepunkt am Nullbund. Meine Hauptgitarre Burns Hank Marvin Signature besitzt diesen Nullbund vom Werk aus und wurde schon von vielen Kollegen ob ihres super stimmigen stabilen Sounds in allen Lagen (wie er beim Spielen vieler Shadows-Instrumentals unabdingbar ist) bewundert.
Danke für diesen Hinweis auf den “Auflagepunkt am Nullbund..”; habe ich nie drauf geachtet. Habe beim Lesen Deines Kommentars mal einen Blick auf meine Gitarren geworfen und festgestellt, dass meine erste Gitarre (sog. “Plektrumgitarre” Bj. 1960 (hat mir mein Vater damals geschenkt; ein damaliger Monatslohn eines Schlossers), über einen solchen Nullbund verfügt, vor dem Sattel. Ich hatte mich über Jahrzehnte gewundert, dass diese Gitarre nahezu “bundrein” klingt. Bin heute durch “Zufall” beim “Herumstochern” auf diese Kommentare gestoßen. Wieder was gelernt mit 71 Jahren../ sehr schön; Dank auch an die vorigen “Komentatoren”……
Ich möchte noch einen Fallstrick bei der Intonation der E-Gitarre erwähnen, der in meinem eigenen oben erschienenen Artikel, den ich just gerade nochmals durchlas, nicht vorkommt und auch sonst in der Diskussion m. E. vernachlässigt wird. André Waldenmaier hat diesen Fallstrick in seinem Kommentar oben mit seinem Punkt 7 (Oktavreinheit sauber einstellen) möglicherweise schon angedeutet:
Es gibt für jede Saite und ihren entsprechenden Saitenreiter *mehr* als nur eine einzige Positionierung, für die diese Leersaite am 12. Bund mit der gegriffenen Saite am 12. Bund übereinstimmt. So kann man beispielsweise einen Saitenreiter, der eigentlich für die entsprechende Saite korrekt saß, solange weiter weg vom 12. Bund “intonieren”, bis am 12. Bund der Leersaitenton mit dem gegriffenen Ton übereinstimmen.
Nun kann es aber auch sein, dass man auf eine Gitarre stößt, wo der deplatzierte Saitenreiter nicht sofort erkannt wird – da ja die Gitarre am 12. Bund “oktavrein” ist.
Praktischerweise heißt das dann, dass es Intonationsprobleme gibt, bei denen es nicht nur um die Übereinstimmung der Töne am 12. Bund geht, sondern auch darum, ob der Saitenreiter an der für die Mensurlänge & Saitenstärke der zu intonierenden Gitarre richtigen Stelle sitzt.
Hat man es mit einer solchen Deplatzierung eines Saitenreiters zu tun (zu weit weg vom 12. Bund, aber trotzdem “oktavrein” platziert – nicht bundrein!), ohne es zu merken, dann ergeben sich die gleichen Symptome wie bei einem deplatzierten Sattel, welcher vom 12. Bund zu weit weg ist!
Hier empfiehlt es sich, sowohl den Abstand vom Sattel zur stegseitigen Saitenauflage auszumessen als auch den Abstand des ersten Bundes zum Sattel, um einen Hinweis darauf zu bekommen, ob Sattel oder Saitenreiter deplatziert sind. Dabei ist es freilich unerlässlich, die Mensurlänge der zu intonierenden Gitarre zu kennen.
Gerade Anfänger oder auch sonstige Personen, die sich mit Gitarrenintonation und deren Problemfeldern nicht ausreichend beschäftigt haben, könnte dieser Hinweis möglicherweise helfen. Insbesondere, wenn an den Saitenreitern herumgeschraubt wird, um vielleicht die Schärfe aus bestimmten großen Terzen zu nehmen – und dann vergessen wird, was man an der Gitarre verstellt hat.
Freilich kann man vieles bewusst abweichend von der gleichschwebend temperierten Stimmung einstellen (wie es Eddie Van Halen öfters tat), was keinesfalls zu bemängeln ist, man sollte aber wissen, was man warum tut – um es im Bedarfsfall wieder rückgängig machen zu können.
Phantastischer Artikel und hochkompetente Kommentare!
Vielen vielen Dank!
Bei so viel Kompetenz hier meine Frage:
Habe, schon einige Jahre her, beim damals noch lebenden Gitarrenbauer Lauenhardt in Wetzlar an meiner Charvel-E-Git eine Buzz-Veiten-Modifikation vornehmen lassen. Seitdem klingen die Akkorde in den ersten 3 Bünden subjektiv deutlich sauberer. Der kanadische Edelgitarren-Hersteller McPherson hat das an allen seinen Gitarren umgesetzt. Ist das inhaltlich das, was hier bereits beschrieben wurde, oder geht dies noch darüber hinaus?