Wölbung oder keine Wölbung?

Das perfekte Griffbrett

Anzeige

Gleich vorab: Das perfekte Griffbrett per se gibt es nicht! Denn seine optimale Bearbeitung und Einstellung ist abhängig von verschiedenen Faktoren, die den individuellen Vorlieben des Spielers entsprechen bzw. angepasst werden können.das-perfekte-griffbrett

Ein Ausgangspunkt dabei ist unser Wunsch, dass die Saiten auf jeder beliebigen Position des Griffbrettes frei ausschwingen können, ohne dabei die folgenden Bünde zu berühren und hier ein „Bundklirren“ zu verursachen. Es gilt, einen Kompromiss zwischen den Fakten zu finden, dass eine frei schwingende Saite einen gewissen Abstand zu den Bünden benötigt, der Gitarrist aber in aller Regel mit möglichst geringem Aufwand der Greifhand die Saiten auf die Bünde drücken will.

Anzeige

Und damit sind wir schon bei der Saitenlage. Sie definiert den Abstand zwischen der Unterkante einer Saite und der Bundkrone (höchster Punkt eines Bundes). Für die reine Bequemlichkeit wäre eine Saitenlage von 0,0 mm am 12. Bund wohl perfekt. Doch da macht uns die Physik einen Strich durch die Rechnung, denn dann würde kein Ton erzeugt. Da eine Saite ihre klanglichen Eigenschaften nur voll zur Geltung bringen wird, wenn sie ungehindert ausschwingen kann, wird die (bestmögliche) Saitenlage immer zwischen 0,0 mm und dem Abstand zu den Bünden liegen, den sie braucht, um frei zu schwingen. Und dieser Abstand ist wesentlich vom Anschlag des jeweiligen Gitarristen und der verwendeten Saitenstärke abhängig.

Je niedriger wir uns unsere Saitenlage wünschen, desto genauer müssen wir uns mit den Eigenschaften der Saitenschwingung befassen. Eine zwischen zwei Punkten aufgehängt schwingende Saite bewegt sich in alle ihr zur Verfügung stehenden Richtungen, und zwar nicht chaotisch, sonst könnte sie keinen konkreten Ton erzeugen, sondern nur Geräusche. Für unsere Belange ist hauptsächlich das zweidimensionale Schwingungsverhalten in vertikaler und horizontaler Richtung von Bedeutung, was übrigens sehr schön in dem Video-Clip ‚Motion of Plucked String‘ von Dan Russell auf YouTube zu sehen ist.

Da wird dann auch deutlich, dass unser Griffbrett in seiner Längsrichtung einen gleichmäßigen, leicht durchhängenden Bogen beschreiben sollte. Ich nenne ihn „Up Bow“. Dieser sollte idealerweise – je nach gewünschter Saitenlage – unterschiedlich ausfallen: Je höher die angepeilte Saitenlage, desto mehr Up Bow, und umgekehrt. Doch damit nicht genug.

Denn würde das Griffbrett – bei niedriger Saitenlage – einen von vorn bis hinten gleichmäßigen Up Bow beschreiben, würde es in den oberen Lagen in vielen Fällen dennoch anfangen zu klappern. Hier werden die Abstände der Bünde immer kürzer, und somit rückt auch der Schnarr-Faktor immer näher zusammen, um es mal salopp auszudrücken. Hinzu kommt, dass unser Anschlag in der Regel ungewollt etwas härter wird, je näher wir beim Spielen unsere beiden Hände zusammenbringen.

Mehr Infos zum Gitarren-Griffbrett bekommst du beim Guitar Summit exklusiv von den Experten. Zahlreiche Hersteller, Marken und Artists werden dir mit Rat und Tat zu Seite stehen. Jetzt hier mehr über das große Gitarren-Event erfahren!

Der Gitarrenbauer kann dies berücksichtigen, indem er einen „Fall Off“ (auch als „Fall Away“ bezeichnet) in die Griffbrett-Oberfläche einarbeitet. Dabei wird unser zuvor beschriebener Up Bow ab einem bestimmten Punkt – ich selbst beginne damit am 12. Bund – bis zum Griffbrett-Ende am letzten Bund gerade, oder zumindest gerader, ausgearbeitet. Die obige Grafik veranschaulicht das recht deutlich. All dies spielt sich im ZehntelMillimeter Bereich ab. Doch genau dieses kleine Quäntchen macht den Unterschied zwischen Daumen hoch oder Daumen runter.

Und: Wir haben es bei E-Gitarren in der Regel mit einem im Querschnitt gewölbten Griffbrett zu tun und werden mit einem weiteren Begriff konfrontiert, dem „Compound Radius“, oder kurz „Compound“.

Vor allem dann, wenn unser Stil verstärktes Saitenziehen verlangt. Der reine Rhythmus- oder Jazz-Gitarrist alter Schule darf den folgenden Absatz getrost überspringen. Für die überwiegende Zahl der anderen Gitarristen ist der Compound für die bestmögliche Bespielbarkeit eine sehr wichtige Größe. Dieser Begriff bedeutet übersetzt „zusammengesetzter/verbundener Radius“ und beschreibt den Umstand, dass die Querwölbung des Griffbretts vom ersten bis zum letzten Bund gleichmäßig fortlaufend flacher wird (s. auch hierzu obige Grafik). Der Compound sollte umso deutlicher ausfallen, je niedriger die angestrebte Saitenlage ist und je stärker die Ausgangs-Griffbrett-Wölbung der Gitarre ausfällt.

>>> Mehr Basics rund um deine Gitarre findest du in unserem Gitarren ABC!

Zur Anschauung: Für das Griffbrett einer Klassischen Gitarre, das ohne Wölbung ist, stellt sich die Frage nach dem Compound gar nicht. Für die optimale Griffbrett-Bearbeitung z. B. einer typischen Fender Stratocaster hingegen ist er unabdingbar. Vorausgesetzt, wir möchten mit einer komfortabel bespielbaren Gitarre, mit frei ausklingenden Ganzton-Bendings und darüber hinaus, unterwegs sein.

Bei einem normalen Vintage-Griffbrett-Radius von 7,5″, aber auch bei wenig größeren Radien, stirbt der Ton der gezogenen Saite ab einem bestimmten Punkt ab. Der sogenannte „Fret Out“ entsteht dann, wenn die gezogene Saite auf einem Bund des stark gewölbten Griffbretts aufsetzt und nicht mehr frei ausschwingen kann. Wieder ist hier die Physik im Spiel, aber mit Hilfe des Compound, bei dem das Griffbrett zu den oberen Lagen hin kontinuierlich flacher wird, können wir sie tatsächlich einmal austricksen. Natürlich verändert eine nach oben flacher werdende Griffbrettwölbung auch das Spielgefühl beim wechselnden Lagenspiel. Der gewiefte Techniker wird also gerade nur so viel Compound ausarbeiten wie nötig.

Sind nun alle diese Vorgaben berücksichtigt und bei der Bearbeitung umgesetzt worden, kann endlich Schmitz’ Katze aus dem Sack gelassen werden.

Die Überschrift dieses Artikels lautete: Das perfekte Griffbrett. Das, was ich darunter verstehe, habe ich hoffentlich verständlich rübergebracht. Doch was werden wohl die Flamenco-, Gypsy-Jazz- und Bouzuki-Spieler dazu sagen? Dort gilt: „Schnurgerades Griffbrett bitte, es darf geklappert werden!“ Eben, jedem seine eigene Perfektion, denn alles ist relativ. Hallelujah!

Bleibt zusammenzufassen: Bei der Gitarre ist es wie bei allen Dingen. Um von A nach B zu gelangen, reicht zur Not ein Trecker. Soll’s jedoch Spaß machen, muss getuned werden. Und ja, man kann!

guitarsummit-banner

Noch mehr Details zum Griffbrett kannst du dir direkt von Experten beim Guitar Summit erfragen. Mehr Infos gibt’s hier!

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Vielen Dank für diese Erläuterung. Ich verbessere Strat- und Tele-Hälse durch Bundabrichtung inkl. aller Feinarbeiten. Besonders bei 7,25” aber auch 9,5”, die ich als Spieler unbedingt bevorzuge, ist ein Compound-Schliff bei niedriger Saitenlage die Wahl der Mittel. Dazu gehört allerdings viel Erfahrung. Wenn es dann aber gelungen ist, sind eingefleischte 7,25 / 9,5 – Spieler, die auch eine niedrige Saitenlage bevorzugen, einfach begeistert.

    Zur niedrigen Saitenlage noch ein paar Hinweise:

    Hohe Saitenlagen kaschieren ungleiche Bundhöhen und auch die 7,25 / 9,5 -Dead-Spot-Problematik, die oben beschrieben ist. Nicht nur das Spielgefühl wird von der Höhe beeinträchtigt, sondern insbesondere die Oktavreinheit. Diese gibt es bei bebundeten Saiteninstrumenten ja nicht 100%ig, weil es physikalisch nicht möglich ist. Eine hohe Saitenlage ist jedoch deutlicher weiter entfernt von optimal, als bei einer niedrigen Saitenlage, weil jedes Zehntelmillimeterchen Fingerdruck auf die Saiten die Oktavreinheit im Spielbetrieb verschlechtert. Es klingt an vielen Stellen unharmonisch. Das lässt sich mit einem chromatischen Stimmgerät auch deutlich nachweisen, wenn man Saiten rauf und runter am Griffbrett anspielt und den jeweils gegriffenen Ton am Stimmerät abliest. Auch bei niedrigster Saitenlage gibt es da vielfältige Abweichungen von eigentlich gegriffener Tonhöhe, aber bei hoher Saitenlage ist das deutlich schlechter und stört einen auf Harmonie bedachten Spieler.
    Also: Saitenkerben an der Nut tiefstmöglich feilen, Halsspannung nur geringfügig konkarv, also fast gerade einstellen, und am Steg ebenfalls die Saitenauflagen niedrigstmöglich einstellen. Dann die Saitenreiter auf Oktaveinheitlichkeit am 12. Bund (leere Saite zu gegriffener Saite zu Flageolett = alle müssen harmonisch gleich klingen, nicht jedoch nach Stimmgerät, eben harmonisch nach Ohr!) optimal einstellen.

    Mit compound abgerichteten Bünden (also durchaus nachträglich und nicht vom Gitarrenbauer an der Griffbrettwölbung schon compound gestaltet = das kostet !!! ) und den vorbeschriebenen Saitenhöhen-Maßnahmen machen viele Strats + Teles erst richtig Spaß.

    Mit musikalischen Grüßen
    MrHKBlues aka gitte-varii (–> Youtube)

    Auf diesen Kommentar antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.