Workshop

Amp Lounge: Fender Brownface Bassman

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1963 Fender Bassman Top

In dieser Folge von Amp Lounge wollen wir einen fast vergessenen Fender-Amp unter die Lupe nehmen, der aus gutem Grund allmählich auch zu einer echten Legende aufsteigt.

Zum ersten Mal sah ich einen Brownface Bassman in einem alten Fender-Prospekt. Mich interessierte damals nur die coole Optik dieses Amps. Ein kleines kompaktes Top mit wenig Knöpfen und mit cremefarbenem Tolex beklebt. Mitte der Achtziger kam dann ein Brownface Bassman gebraucht in den kleinen Musikladen, in dem ich während meines Studiums jobbte. Ich war sofort verliebt und spielte nach Feierabend oft noch lange über das Top. Die Klänge waren genau nach meinem Geschmack, denn der Sound lag irgendwo zwischen Fender und Marshall, und das war für mich damals ganz neu.

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Schließlich wusste ich noch nicht, welche Protagonisten auf zahlreichen Alben – die ich bereits zuhause hatte – über diesen Amp aufgenommen hatten. Darunter Paul McCartney, George Harrison, Stephen Stills, Robben Ford und Brian Setzer.

Anfang der Neunziger traf ich etwa Chris Thomas, einen englischen Produzenten, der während der Aufnahmen der Beatles für das sogenannte „White Album“ seinen Chef George Martin vertreten durfte. Er erzählte mir von dieser Zeit und war dabei, als Clapton sein Solo für ‚While My Guitar Gently Weeps‘ aufnahm. Und das tat er nach seiner Erinnerung über McCartneys Brownface Fender Bassman samt 2×12-Box, denn es sollte nach Beatles klingen und nicht nach Cream. Dieser Sound prägte meinen Geschmack damals nachhaltig. So wollte ich klingen, irgendwie „fenderig“, aber mit diesen Marshall-Mitten gewürzt.

Und genau so klang das Bassman-Top, das ich damals in dem kleinen Musikladen testete. Mir fehlte leider das Geld, um ihn zu kaufen. Ein befreundeter Blues-Musiker erstand ihn nach einigen Wochen und lieh mir den Amp für meine Studio-Aufnahmen in der ersten Hälfte der Neunziger. Wow! Beim letzten Album entdeckte unser Studio-Bassist Mirko Schaffer dieses Top und spielte das gesamte Album über diesen Verstärker ein. Im Studio waren die 50 Watt völlig ausreichend. Paul McCartney hatte das schon in den frühen Sechzigern bewiesen.

Ein altes Polaroid von meinem Bühnen-Setup 1992 mit Bassman Top und Brownface Twin

In dieser Zeit erstand ich auch ein Lehr-Video von Brian Setzer, wo er seine Gretsch 6120 über seinen berühmten Bassman spielte. Und auch hier hörte man wieder diesen eigenartig mittigen Fender-Sound, der mich einfach bei jeder Note mitnahm. Auch Robben Ford spielte ein solches Bassman-Top in den Siebzigern. Angeblich soll Alexander Dumble von seinem Sound damals so entzückt gewesen sein, dass er Teile der Schaltung dieser „Bassmänner“ in seine frühen Overdrive-Special-Amps mit einfließen ließ. Vor allem der Bass-Kanal, der über eine zweite Vorstufen-Röhre verfügte, war Basis dieser Idee. Denn dieser Kanal hatte noch prägnantere Mitten und einen gehörigen Schub Gain. Der 4-Ohm-Ausgangsübertrager wurde außerdem Standard in allen frühen Dumble-Amps, denn der war größer und daher kräftiger als etwa im Bandmaster.

HISTORY

Der Fender Tweed Bassman war bekanntlich Vorbild für Jim Marshalls ersten Verstärker, den JTM45, mit dem er sein Unternehmen gründete. Auch hier schon sah man kaum Bassisten mit diesem Combo, sondern fast ausschließlich Gitarristen. Etwa 1960 verabschiedete sich Leo Fender von diesem zweifellos legendären Design und erneuerte den Bassman vom Combo zu einem so genannten Piggy-Back-Amp mit Top und 2×12-Box. Das Bedien-Panel wurde nach vorne verlegt und braun lackiert. Der Tweed-Überzug wurde durch blondes oder manchmal braunes Tolex ersetzt. Beides kam offenbar nicht so gut an, und daher wurden die Amps schon 1963 nur noch in schwarz (blackface) geliefert. Doch nicht nur die Farbe änderte sich damals, sondern auch die Schaltung zugunsten einer Vergrößerung des Headrooms dieser Amps. Sie sollten von nun an so lange wie möglich clean klingen. In dieser nur dreijährigen Phase wurden offenbar sehr viele Amps gebaut, denn man findet Brownface-Amps auf dem Gebrauchtmarkt noch recht häufig.

Die Schaltung mit nur wenigen neuen Bauteilen

SCHALTUNG

Die Vorstufen der Brownface-Amps ähnelten schon stark der Schaltung der späteren Blackface-Modelle. Die Klangregelung mit Treble und Bass beruhte auf einem 250pF-Kondensator für die Höhen und jeweils 0.1uF für Bass und 0.047 für die Mitten, die ohne Poti, aber über einen 6.8K-Widerstand fest eingestellt waren. Die Besonderheit lag in der Treiberstufe, die mit einem 820-OhmWiderstand an der Kathode und 56 Kilo-Ohm Gegenkopplung viel heißer eingestellt war als bei den Blackface-Modellen. Außerdem wurde diese mit einer 12AX7 betrieben. Das war noch sehr an den Tweed-Bassman angelehnt.

Der Vorgänger: 1959er Fender Tweed Bassman

Auch der Tail-Resistor war nicht 22k, sondern 6,8k wie beim Tweed-Vorgänger. Zudem hatte der Bassman einen praktischen Presence-Regler, mit dem man dem Amp über die Gegenkopplung mehr Obertöne entlocken konnte. Für die Blackface-Amps wurde diese Schaltung bedauerlicherweise geopfert und durch Bright-Switches direkt am Vorstufen-Eingang ersetzt. Das ergab jedoch einen völlig anderen Sound.

Der Bassman hatte keine Gleichrichterröhre, sondern Diodengleichrichtung, was den Amp schneller und dynamischer machte. Vor allem für Bassisten eine gute Idee. Nur eine ganz kurze Zeit verfügten auch einige Bassman-Modelle über eine Gleichrichterröhre, was aber schnell wieder fallen gelassen wurde. Neben Tungsol 5881 wurden die meisten Bassmans mit RCA „Blackplate“ 6L6GC-Röhren bestückt. Keine 6L6 klang je süßer und verführerischer als diese Modelle. Wohl dem, der noch ein gutes Pärchen davon findet.

Röhren und Trafos des Bassman

STAND DER DINGE

Wer regelmäßig meine Kolumnen liest, weiß, dass ich mich hauptberuflich mit der Restaurierung und dem Tuning von Röhren-Amps beschäftige. Hin und wieder kommt auch ein Brownface-Bassman-Top auf meine Werkbank. Meist ist da nicht so viel zu tun. Hier und da brauchen sie frische Bauteile und Röhren. Aber diese Amps sind auch nach 60 Jahren noch so robust und klanglich erstklassig, dass man allein durch Instandsetzung meist die besten Sounds erhält. Einen Brownface Bassman zu verbessern, ist fast unmöglich, wenn er perfekt funktioniert. Es gibt ein paar Maßnahmen, den „heißen“ Bass-Kanal etwas mehr an den Frequenzbereich für E-Gitarren zu präparieren, aber sonst ist dieser Amp seit jeher perfekt.

Gerade habe ich wieder einen hier, der mich klanglich umhaut. Heutzutage wünscht man sich vielleicht zusätzlich einen Master-Volume, der sich aber leicht und stets reversibel – beispielsweise in die Öffnung des externen Speaker-Ausgangs – einbauen lässt. Ein wenig Zähmung tut diesem lauten Amp ganz gut. Ansonsten orientiere ich mich streng an der Originalschaltung. Viele Amps lassen die legendären Blue-Molded-Kondensatoren vermissen, die ich dann wieder durch alte Originale ergänze. Nur die Netzteil-Elkos muss man leider durch neue Typen von TAD oder F&T ersetzen, um die Amps wieder betriebssicher zu machen.

Als Endröhren-Ersatz empfehle ich die neuen Redbase6L6-Modelle von TAD, die meiner Meinung nach die nicht mehr erhältlichen Blackplate-Röhren von TAD mehr als würdig ersetzen. Ich besitze zum Gegenhören noch ein recht frisches Paar RCA 6L6, und da stehen die Redbase-Modelle klanglich kaum nach. Sie haben ebenfalls diese „Süße“ (nach einer etwa einwöchigen Einspielphase) wie die berühmten Vorbilder.

Brownface-Bassman-Amps sind eine ideale Plattform für Overdrive-Pedale. Kaum ein mir bekannter Amp ist da vielseitiger als ein Bassman. Das liegt vor allem an der recht heiß agierenden Treiberstufe und der schönen Mittenausprägung dieser Verstärker. Momentan findet man noch gebrauchte Modelle zwischen € 2.000 und 3.000, was aber bestimmt nicht mehr lange so bleiben wird, denn auch die lauteren Amps kommen offenbar wieder in Mode. Für mich klingt ein gutes Exemplar durchaus auf Augenhöhe mit einem alten Marshall JTM45.

Bis zum nächsten Mal!


(erschienen in Gitarre & Bass 04/2023)

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