Jazz unplugged

Japan Vintage: Ibanez FA800

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(Bild: Lothar Trampert)

Dass Jazz-Archtops ganz früher mal, vor der Verbreitung von Tonabnehmer-Systemen und Verstärkern, akustische Rhythmusgitarren in Big Bands waren, haben viele Menschen vergessen bzw. nie erfahren. Und auch die Tatsache, dass ein elektrisch verstärktes Instrument nur das via Pickup übertragen kann, was auch wirklich physikalisch schwingt, wird oft ignoriert. Ja, nur eine akustisch gut schwingende E-Gitarre kann eine auch elektrisch verstärkt wirklich gut klingende E-Gitarre sein. Ich höre Gegenstimmen? OK, anders ausgedrückt: Wenn deine gut klingende E-Gitarre auch ohne Amp „Tone“ hätte, wäre sie eine noch bessere E-Gitarre.

 

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Nun haben manche Jazz-Gitarristen sich daran gewöhnt, die Tonregler zurückzudrehen, beim Polytone-Combo dann noch die dumpfeste Stufe einzuschalten, um so die Feinheiten einer eng gemaserten massiven Fichtendecke zu genießen. Jazz-Puristen unter 80 Jahren stopfen sich oft zusätzlich Watte in die Ohren, um noch mehr Wärme in den Ton zu bekommen. Ernst beiseite: So bekommt man nie den Sound von Jim Hall hin, dessen Archtops immer die akustische Obertonwürze über dem fetten runden Amp-Sound hatten. Dieser klangliche Anteil geht bei guten Pickups und vernünftiger Einstellung ja auch nicht verloren; Jim Hall hatte aber bei einigen Aufnahmen ganz sicher noch ein Mikro vor seiner Electric-Archtop, um auch deren akustische Anteile einzufangen.

(Bild: Lothar Trampert)

RARE BIRD

Um diese akustischen Eigenschaften einer guten Archtop ganz in Ruhe und auch alternativlos studieren zu können, eignet sich die hier zu sehende, wunderschöne Ibanez FA800BS von 1978 absolut hervorragend.

Wie lange war ich auf der Suche nach dieser extrem seltenen Gitarre!? Als ich dann 2016 endlich auf dieses schöne Instrument stieß, waren schon viele Gitarren-Nerds auf den Geschmack gekommen, und so kostete die Ibanez inklusive Shipping from USA und deutsche Einfuhrkosten € 2400. Heute wird die Gitarre in den USA netto ab $ 3.500 gehandelt. Sie ist wirklich selten: Angeblich wurden in den drei Jahren von 1977 bis ‘80 nur ca. 300 Instrumente dieses Typs hergestellt.

(Bild: Lothar Trampert)

Ende der 1970er-Jahre hatte Ibanez einige interessante Jazz-Gitarrenmodelle im Angebot. Sie gehörten zur FA-Serie (FA steht für Full Acoustic), und die umfasste im 1978er Katalog die folgenden Modelle:

  • FA100: ES-175-Typ
  • FA300: L-5-Typ mit zwei Pickups
  • FA700: L-5-Typ mit massiver Decke
  • FA500: Johnny-Smith-Typ mit zwei Floating-Pickups
  • FA510: Johnny-Smith-Typ mit einem Floating-Pickup
  • FA800: L-5-Typ ohne Pickups mit massiver Decke

Diese Modelle hatten als Archtop-Konkurrenz eigentlich nur noch die Ibanez GB20, das traditionellere George-Benson-Signature-Modell. Die älteren Ibanez-Kopien bekannter Gibson-Klassiker waren aus rechtlichen Gründen nicht mehr im Programm, die Kopfplattenform vom Open-Book- auf ein neues, eigenes Design geändert.

(Bild: Lothar Trampert)

JAPAN QUALITÄT

Die Modelle der FA-Serie sind sehr gefragt, weil ihre Qualität wirklich beachtlich ist. Da können viele 80er-Jahre-Gibsons definitiv nicht mithalten, was Verarbeitung, Holzqualität und vor allem Lackierung und Resonanzverhalten angeht. Und bei den großartigen 50er-, 60er- und inzwischen auch 70er-Jahre Gibsons können wir Normalverbraucher leider oft nicht mehr mithalten, was die inzwischen horrenden Preise angeht. Klar, auch die guten japanischen Vintage-Modelle aus den Fabriken von Matsumoku, Terada, Dyna Gakki, Tokai, Fujigen Gakki, Maya, Chushin Gakki u.v.a. haben gewaltig angezogen, und sie tauchen immer seltener auf. Das hier zu sehende Modell der Ibanez FA800BS – BS steht für Brown Sunburst, die Gitarre war auch im ungebeizten Naturholzlook als NT zu haben – wurde 1978 in Japan bei Fujigen gebaut.

(Bild: Lothar Trampert)

Die Gitarre hat eine massive Fichtendecke, in die zwei eingefasste F-Löcher eingelassen sind. Der 17“-Korpus hat ein venezianisches Cutaway und ist mit siebenschichtigem Binding eingefasst. Die Zargen bestehen aus laminiertem Riegelahorn, der gewölbte Boden aus Vogelaugenahorn, der eingeleimte Ahornhals hat ein eingefasstes Ebenholzgriffbrett mit 20 Bünden und Perlmutt-Einlagen.

(Bild: Lothar Trampert)

Weitere Features: höhenverstellbare Holz-Bridge, eingefasstes, dunkles Tortoise-Schlagbrett, Knochensattel, Ibanez-Velve-Tune-Mechaniken. Interessant ist, dass die Mensur dieser Gitarre im Katalog mit 24 1/4“ angegeben ist, sie tatsächlich aber 25 1/2“ beträgt – also eine 648mm-Mensur. Sie wiegt ca. 3,3 kg.

(Bild: Lothar Trampert)

Durch das obere F-Loch sieht man im Inneren der FA800 ein eingeklebtes Hersteller-Etikett mit Modellnamen, Seriennummer (die auch auf der Kopfplattenrückseite eingeprägt ist) und der Unterschrift ihres Erbauers, des bekannten japanischen Gitarrenbauers Hiroshi Tamura.

(Bild: Lothar Trampert)

Die FA800 hatte in älteren Ibanez-Prospekten mit der No.2471 ein Vorgängermodell, ebenfalls mit massiver Decke, aber mit anderem Headstock und klassischem L-5-Tailpiece; die 2471 war gewissermaßen ein Transition-Modell, von den alten 1:1-Kopien zu den neuen Ibanez-Designs.

Die 1978 lieferbaren Ibanez-Archtops waren durchweg hochwertige und handwerklich erstklassig gefertigte Instrumente, die so manchen Traditionshersteller nervös machten.
Die 1978 lieferbaren Ibanez-Archtops waren durchweg hochwertige und handwerklich erstklassig gefertigte Instrumente, die so manchen Traditionshersteller nervös machten.
Die 1978 lieferbaren Ibanez-Archtops waren durchweg hochwertige und handwerklich erstklassig gefertigte Instrumente, die so manchen Traditionshersteller nervös machten.

Bespannt mit einem .013er-Satz meiner österreichischen Lieblings-Flatwounds von Thomastik, geht auch bei diesem Instrument die Jazz-Sonne auf: Die FA800 klingt sehr ausgewogen und harmonisch, und auch auf der E- und H-Saite hat jeder Ton Substanz und kommt rund und warm rüber. So soll es sein! Leider sind auch bei diesem schönen Modell schon Menschen auf die Idee gekommen, sich einen Pickup und eine Bohrmaschine zu besorgen um die FA800 zu elektrifizieren. Wenn das wirklich praktizierende Musikerinnen oder Musiker tun, weil sie diesen Sound in ihrer Kunst haben wollen, kann ich nichts dagegen sagen. Für Angehörige der mir aus eigenen Erfahrungen bekannten Sofa-Sologitarristen-Szene (aka SoSoGitSz) halte ich das allerdings für ein strunzdummes Sakrileg, weil man diesem Instrument damit sein erstes Leben nimmt. Und das kommt dann nämlich nie wieder zurück. Finger weg!

Ich biete zu diesem Themenkreis auch individuelle Beratungsgespräche und Trauma-Bewältigungstherapien an. 😉


(erschienen in Gitarre & Bass 03/2023)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Ich gehöre auch der SoSoGitSz an,es gibt einfach nichts Gemütlicheres als Zuhause im Kreise seiner Familie und Freunde schöne Musik zu machen. Und wenn man dann noch solch eine tolle Gitarre wie die FA100 ES-175 dazu spielen kann. Sage nicht nur Ich das es nichts schöneres auf der Welt gibt. Seit alle herzlich gegrüßt Wolle

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