Ein Rückblick auf die bedeutendsten Alben des Ausnahmegitarristen

Meilensteine 1966-2016: Jeff Beck Highlights

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(Bild: Shutterstock / Feature-Flash Photo Agency / Jaguar PS)

Der britische Gitarrist Jeff Beck starb im Alter von 78 Jahren unerwartet am 10. Januar 2023 an bakterieller Meningitis (Hirnhautentzündung). Hier ein Rückblick auf die Album-Meilensteine dieses Ausnahmeinstrumentalisten, Impulsgebers für die Gitarrenwelt und Grenzgängers zwischen den Stilen.

Seine Karriere begann in den Swinging Sixties in London bei The Tridents. Erste größere Aufmerksamkeit erhielt Jeff Beck bei The Yardbirds. Jeff ersetzte dort Eric Clapton, der die Band verließ, weil er weiter Blues spielen wollte, der zunehmend progressive Stil der Yardbirds gefiel Slowhand nicht. Dass Beck der richtige Mann war, zeigte dann 1966 ,The Yardbirds‘ (wegen der merkwürdigen Cover-Zeichnung auch bekannt als ,Roger The Engineer‘, in den USA erschien das Album als ,Over Under Sideways Down‘).

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The Yardbirds (1966)

1966: Ein Album mit drei Titeln: The Yardbirds, Roger The Engineer, Over Under Sideways Down (Bild: Columbia/Repertoire)

In Stücken wie ,Jeff’s Boogie‘, ,Over Under Sideways Down‘ und dem hart gespielten Blues ,The Nazz Are Blue‘, beeindruckte Beck nicht nur mit virtuosen Hammer-On-/Pull-Off-Licks und teils recht abgefahrenen Melodie-Ideen, sondern auch schon mit eigenwillig intonierten Bends, Flageolettes und einem für die Zeit satten Sound, den er im Studio mit einer blonden 54er Fender Esquire, einem Vox AC30 und einem Tone-Bender-MK1-Verzerrer produzierte.

Schließlich stieg Jeff bei den Yardbirds aus und gründete mit Rod Stewart (voc), Ron Wood (b), Nicky Hopkins (piano) und Tony Newman (dr) die Jeff Beck Group.

 

Truth (1968)

1968: Truth (Bild: Sony)

1968 kam das erste Album ,Truth‘, und die Interpretation des Yardbirds-Hits ,Shape Of Things‘, der fette Bluesrocker ,Rock My Plimsoul‘ oder ,Beck’s Bolero‘ mit dem unglaublich sahnigen Lead-Gitarren-Sound plus abgefahrener Bottleneck-Einlagen beeindrucken bis heute und nahmen einiges von dem vorweg, was Led Zeppelin ein Jahr später der Musikwelt präsentieren sollten.

Der satte Gitarren-Sound des Albums wurde mit einer 59er Gibson Les Paul Standard, einem Marshall-Plexi-Stack und einem Sola Sound Tone Bender produziert. Es folgten noch weitere Alben, doch die Group löste sich Anfang der 70er auf.

 

Blow by Blow (1975)

1975: Blow By Blow (Bild: Sony)

Und schließlich war es 1975 soweit dass Jeff Beck ohne Bandkontext mit ,Blow By Blow‘ das erste richtige rein instrumentale Soloalbum präsentierte: eine spannende Mischung aus Funk, Rock und Jazz und der unglaublich stimmungsvollen Interpretation von Stevie Wonders ,Cause We’ve Ended As Lovers‘.

 

Wired (1976)

1976: Wired (Bild: Sony)

Ein Jahr später sah man auf dem Cover von ,Wired‘ Beck mit einer Stratocaster. Und hier erlebt man ihn erstmals so, wie in den letzten vier Jahrzehnten, eben mit diesem tragenden Sound, der es aber auch erlaubte feinste Nuancen herauszuarbeiten, wie etwa in Charles Mingus’ ,Goodbye Pork Pie Hat‘ – diese Version ist ein Meilenstein für sich.

Letztlich wurde in der Kernbesetzung Wilbur Bascomb (b), Jan Hammer (synth), Max Middleton (clavinet) und Narada Michael Walden (dr) der Fusion-Kurs, mit einer stärkeren Betonung des Jazz-Aspekts, fortgesetzt. Im Rückblick ist es schon erstaunlich, welche Modernität z. B. ,Head For Backstage Pass‘ ausstrahlt. Jeff Beck spielte hier schon einige dieser dynamisch intonierten Noten, die er per Vibratohebel von unten oder oben ansteuerte. Für seinen Sound setzte er u. a. einen Electro Harmonix Big Muff, einen Octaver sowie einen Ring-Modulator ein. Die beiden 70er-Alben bilden, wenn man so will, den klassischen Kanon von Jeff Beck, auf dem vieles von dem, was noch folgen sollte, aufbaute.

 

Jeff Beck’s Guitar Shop (1989)

1989: Jeff Beck’s Guitar Shop (Bild: Sony)

Im ausgehenden Jahrzehnt der E-Gitarre mit den neuen Helden Joe Satriani, Steve Vai oder Yngwie Malmsteen erschien 1989 ,Jeff Beck’s Guitar Shop‘. Und in der Triobesetzung mit Tony Hymas (kb, synth) und Terry Bozzio (dr) klang Beck so offensiv wie nie: dicke Riffs, schnelle Linien, Tapping-Passagen, Flageolettes, all dies garniert mit seiner typischen Intonation, mit der er eine Note, ein Arpeggio, einen Akkord in jegliche Richtung drängen konnte, sodass sein Spiel unberechenbar blieb. Dies wurde kombiniert mit per Volume-Regler der Gitarre eingeblendeten Violintönen oder mit Fingervibrato und Bendings. Wie etwa in der berührenden wie kurzen Ballade ,Where Were You‘.

Apropos, im Laufe der Jahre benutzte Jeff auch einen Bottleneck. Unglaublich, was alles im treibenden ,Big Block‘ passiert. Ein fetter Blues, der sich seinen Weg bahnt wie ein aufgemotzter Hot Rod. Tony Hymas bereitet auf dem Album stets den passenden Klangteppich inklusive „Bassläufen“. Mit seinen scharfen Sounds scheint er Beck geradezu herauszufordern, dessen Gitarre hier teilweise wie ein Synthesizer klingt. Heutzutage zählt ,Jeff Beck’s Guitar Shop‘ sicher zu einem seiner Meilensteine schlechthin.

 

You had it coming (2001)

2001: You Had It Coming (Bild: Sony)

Beck war immer auf der Höhe der Zeit und suchte nach neuen Wegen, die Grenzen seines Instruments zu erweitern. So auch 2001 auf ,You Had It Coming‘. Hier trifft sein Trademark-Spiel auf Electronica, was im massiven ,Earthquake‘ an Prodigy erinnert. Und wie er mit diesem Ansatz etwa Muddy Waters ,Rollin’ And Tumblin’‘ interpretierte, ist wirklich atemberaubend, genauso wie die technoiden Gitarren-Sounds dieses packenden Albums.

Bei aller Modernität, steckten hinter Becks Spiel ganz alte Einflüsse, die er erstmals 1994 auf ,Crazy Legs‘ gemeinsam mit The Big Town Playboys vertonte. Ausschließlich Stücke von 50s Rock&Roller Gene Vincent & His Blue Caps standen auf dem Programm. Letztlich ein Tribute-Album, in dem Beck seinem Vorbild, Blue-Caps-Gitarrist Cliff Gallup, nahe kommt.

 

Rock ‘n’ Roll Party – Honoring Les Paul (2011)

2011: Rock ‘n’ Roll Party – Honoring Les Paul (Bild: Atco/Deuce/Rhino)

Auch 2011 ging Mr. Jeff Beck nochmal zurück zu seinen Wurzeln mit dem Live-Mitschnitt ,Rock ‘n’ Roll Party – Honoring Les Paul‘. Es macht Laune, dem eigenwilligen Jeff Beck dabei zuzuhören, wie er sich eher zurückhaltend und stilvoll durch ein buntes Klassiker-Programm aus Rockabilly, Country/Western-Swing und Twang-Instrumentals spielt.

Bei der Party waren Imelda May, Darrel Higham, Brian Setzer, Gary U.S. Bonds und Trombone Shorty mit dabei.

 

Loud Hailer (2016)

2016: Loud Hailer (Bild: Atco/Rhino/Deuce)

Schließlich: Auf ,Loud Hailer‘ von 2016 präsentierte Beck gemeinsam mit Sängerin Rosie Bones und Gitarristin Carmen Vandenberg aka Bones UK kraftvollen und geradezu wütenden Alternative Rock, der auch Einflüsse aus Blues, Soul und Funk zeigte. Der damals schon 72-jährige Jeff Beck hatte wieder einmal musikalisch viel zu sagen.


(erschienen in Gitarre & Bass 03/2023)

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