(Bild: Dieter Stork)
Acht Modelle umfasst die Historic Series von Vintage. Der Hersteller würdigt so – auf seine Art – die „Golden Era“ des Akustikgitarrenbaus.
Hätte ich meine Firma „Vintage“ genannt? Wohl eher nicht. Wenn man den Begriff googelt, kommen alle möglichen Treffer … und wenn jemand sagt, er interessiere sich für Vintage-Gitarren, weiß man auch nicht sofort, was er meint. Andererseits ist Vintage (der Hersteller) natürlich seit Jahren ein Begriff und die Instrumente sind in (fast) jedem Musik-Geschäft präsent.
DESIGN-ZITATE
Zum Test stehen drei Steelstrings bereit. Die Korpusformate Parlor, Orchestra und Dreadnought sind der Modellpalette von Martin entliehen, die ja sehr vielen Acoustic-Herstellern als Blaupause dient(e). Wir werden aber auch auf Design-Details stoßen, die uns von anderen Klassikern her bekannt vorkommen. Bei allen weiteren Betrachtungen müssen wir im Auge behalten, dass die drei Historic-Modelle mit einem UVP von jeweils 269 Euro äußerst günstig zu haben sein werden.
Die Bodies sind aus laminierten Hölzern gefertigt – Fichte für die Decke, Mahagoni für Zargen, Boden und auch den Hals. Die Korpuskanten und der Schalllochrand sind mit altweißem Binding eingefasst, was einen schönen Kontrast zu dem mattierten SunburstFinish und dem dunklen Mahagoni bildet. Die Hälse sind jeweils am 14. Bund angesetzt und bieten bei einer Mensur von 648 mm 20 kräftige, gut polierte Jumbo-Bünde auf Palisandergriffbrettern. Bei Letzteren, und auch bei der Kopfplatte kommt dann Gibson-Flair ins Spiel. Da sind zum einen die Split-Block Inlays im Griffbrett, zum anderen weisen auch die Grundform der Kopfplatte und die Tulip-Stimmwirbel klar in diese Richtung. Das Schöne an der Sache ist, dass sich insgesamt ein stimmiges Bild ergibt … die Designer haben ihre Aufgabe gekonnt gelöst.
(Bild: Dieter Stork)
Merkt man denn nirgendwo den Rotstift bei diesen überaus günstigen Gitarren? Ja, doch, schon – neben den ausschließlich laminierten Hölzern, sieht man es den Kunststoff-Parts an, dass gespart werden musste. Die Saiten-Pins und die Stimmwirbel wirken etwas „cheapo“. Auf der Habenseite stehen dafür ein wirklich sauberes Satin-Finish, tadellos bearbeitete Bünde und sauber gefeilte Sättel.
Und dann ist da noch das hauseigene Pickup-System. Ein Piezo-Tonabnehmer schickt sein Signal an die ansprechend gestaltete Regeleinheit auf der Zarge. Hier lassen sich Volume, Bass, Middle und Treble einstellen, ein Phase-Taster hilft womöglich bei Feedbacks und der sehr gut ablesbare Tuner erleichtert das Stimmen. Steckt man hinten auf der Zarge ein Klinkenkabel ein, werden alle Regler hintergrundbeleuchtet. Deren Einstellung ist dennoch nicht gut ablesbar, weil die runden Regelknöpfe nur hauchdünn Schwarz auf Schwarz markiert sind. (Ich helfe mir in solchen Fällen mit ein wenig Tipp-Ex).
(Bild: Dieter Stork)
KLANGCHARAKTER
Der Hersteller beschreibt das Halsprofil aller drei Testmodelle mit „C“ – ich finde, der recht kräftige Zuschnitt geht schon in Richtung „U“, mit viel Material auf den Flanken. Man hat auf jeden Fall etwas in der Hand, was auch die kleine Parlour sehr erwachsen erscheinen lässt.
Auf dem Schoß liegen die Probanden natürlich verschieden, und sie hängen auch unterschiedlich am Gurt – klar. Man fühlt sich schnell vertraut mit den Historics, die tadellos gefeilten Sättel sorgen für gute Bespielbarkeit und die Saitenlage ließe sich mithilfe des Halsstellstabes (Trussrod) sogar noch etwas komfortabler einstellen. Während die ersten Akkorde erklingen, bin ich von zwei Aspekten beeindruckt.
1.) Trotz fehlender Massivhölzer tönen die drei Beauties frisch, laut und ausgewogen – mit ordentlich Sustain und gutem Attack.
2.) Trotzdem (siehe 1.) wird das jeweilige Korpusformat klanglich sehr Modell-typisch und charakteristisch stimmig abgebildet … nicht in der Detail-Tiefe einer 20 mal so teuren US-Steelstring, aber doch in respektablem Maße. Da kann man wirklich nicht meckern.
Die Parlor taugt als mittig betonende Blues/ Hobo/Folk-Klampfe mit Travel-Eignung. Die Dreadnought liefert Volumen und Vollklang mit Wucht in den Bässen, Durchsetzung in den Mitten und Klarheit in den Höhen – auch hier natürlich im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Das Orchestra Model ist dann vielleicht sowas wie „best of both worlds“ und ordnet sich in der goldenen Mitte ein. Ganz subjektiv würde meine Wahl wohl auf sie fallen. Dank der stark taillierten Korpusform liegt sie sicher auf dem Schoß und klanglich ist sie einfach der Allrounder im Trio.
So, und was bleibt von den Tugenden übrig, wenn man die Historics über Anlage spielt? Nun ja, die Piezos übertragen die einzelnen Saiten ausgewogen, gleich laut – das ist schon mal viel wert. Die Klangregelung gibt guten Zugriff auf die wichtigen Frequenzen, ich reduziere die Höhen für einen etwas milderen Sound und komme so zu einer guten Arbeitsgrundlage. Man muss aber feststellen, dass der spezifische Charakter der Modelle ein Stück weit verloren geht und über Anlage nicht so deutlich zu Tage tritt wie beim unverstärkt gespielten Instrument. Da muss man aber in dieser Preisklasse auch die Kirche im Dorf lassen.
(Bild: Dieter Stork)
RESÜMEE
Durch geschicktes Kombinieren verschiedener Stil- und Designelemente aus dem Akustikgitarrenbau gelingt den Machern von Vintage diese äußerst ansprechende Historic Series, deren Modelle viel Charakter (optisch sowie klanglich) zum kleinen Preis bieten. Auf welches Modell die Wahl fällt, hängt von den Handling- und Klangvorlieben des Players ab. Die Historic-Modelle von Vintage sind auf jeden Fall eine Bereicherung in ihrer Preisklasse.
PLUS
● Design, Finish
● Haptik, Bespielbarkeit
● modelltypische Klang-Charaktere (unverstärkt)
● ausgewogene E-Sounds
MINUS
● leichter Verlust von jeweiligem Klangcharakter (verstärkt)
(erschienen in Gitarre & Bass 02/2023)