Eine der häufigsten Aussagen, die mir im Unterricht begegnet, ist diese: „Ich spiele immer dasselbe und das nervt mich!“ Damit einher geht natürlich der Wunsch, die auswendig gelernte Bass-Linie, die meist immer gleich wiederholt wird, zu verlassen und freier spielen zu können.
Selbst wenn der eine oder andere Bassist ein paar „Licks auf Lager hat“, ist das Portfolio meist übersichtlich und es handelt sich um typische, sich ständig wiederholende Muster oder stereotype Tonabfolgen, die immer wieder benutzt werden. Das ist natürlich weit entfernt davon, die eigene Basslinie selbst zu gestalten oder mindestens so ausschmücken zu können, dass die Bass-Begleitung lebendig wird und es im günstigsten Fall für den Song einen Mehrwert hat.
Weiter gedacht gehört dann auch der Wunsch dazu, die Fähigkeit und Flexibilität zu entwickeln mit den Mitmusikern interagieren zu können und sich eben nicht gefangen zu fühlen, während diese frei miteinander spielen. Viele Bassisten wissen aber nicht, wie sie das anstellen sollen. Grundsätzlich geht es also darum, das Verändern einer vorhandenen Bass-Linie oder das Entwickeln und Bilden einer eigenen Bass-Begleitung zu lernen.
ALLER ANFANG IST SCHWER
Doch wie fängt man an? Und was ist überhaupt eine Phrasierung? Der typische Reflex wäre nun zu überlegen, welche anderen Töne man noch benutzen könnte, um mal „ein Lick reinzuspielen“. In diesem Artikel möchte ich aber nicht den klassischen Weg gehen und über das Thema Harmonielehre, Skalen und Akkorde referieren. Es gibt nämlich noch ein Level davor, die eigene Basslinie interessanter zu gestalten, welches häufig nicht bedacht oder unterschätzt wird. Man kann ja schon mit den vorhandenen Tönen und einfachen Mitteln die eigene Basslinie wunderbar aufpimpen.
Es geht also darum, eine Kreativität mit dem vorhandenen Tonmaterial zu entwickeln. Dazu gehört, dass man z. B. Töne an andere Plätze des Griffbretts verschiebt, damit sich „neue“ Fingersätze und dadurch andere Sounds ergeben. Diese Töne muss man eben nicht automatisch alle anschlagen, sondern man kann auch Slides, Hammer Ons und Pull Offs einbauen. Aber wie macht man das? Dazu habe ich dir ein paar Anregungen transkribiert, die du direkt auf die Songs deiner Band übertragen kannst.
PRAXIS
In Beispiel 1 möchte ich dir eine denkbar simple aber sehr effektive Möglichkeit zeigen, wie du zum Beispiel eine einfache Shuffle-Bass-Linie auf dem Grundton A aufwerten kannst. Anstatt wie im ersten Takt nur auf der Leersaite oder im zweiten Takt im 5. Bund auf der E-Saite zu spielen, könntest du beide Töne variieren. Spiele einfach mal wie in den Takten drei und vier die Leersaite immer auf dem dritten Achteltriolenschlag. Dieser Wechsel unterstützt das Shuffle-Feel durch den leicht helleren Klang der Leersaite.
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In Beispiel 2 baue ich ebenfalls denkbar einfach Oktaven in eine Basslinie ein. Ja, das Oktavieren ist auch schon eine Veränderung! Auch das kann einen sehr schönen Effekt haben. Vergleiche einfach mal die ersten beiden Takte, in denen die Linie auf den Grundtönen bleibt, mit den Takten 3 und 4. Hier fängt der Bass richtig an zu tanzen.
In Beispiel 3 habe ich dir eine ganz typische Dur-Blues-Basslinie transkribiert. Zuerst habe ich die Töne innerhalb einer Lage platziert. Im weiteren Verlauf sind die Töne an andere Positionen des Griffbretts verschoben. So entstehen Slides, Hammer Ons und Shiftings (Lagenwechsel), die einer Bass-Linie mehr Leben einhauchen. Zum Schluss habe ich noch zwei Dead-Notes eingefügt, die das Salz in der Suppe ausmachen können.
Spiele die Beispiele einfach mal durch und entscheide selbst, was dir am besten gefällt. In Beispiel 4 greife ich die gleiche Blues-Bass-Linie auf, benutze dieselben Töne, aber oktaviere sie nach unten. Gerade wenn dein Grundton des Akkordes auf der A-Saite (Beispiele: C7, D7, Eb7) liegt, wirst du beim Spielen der Linie nach unten auch deiner Bassfunktion viel gerechter. Vergleiche auch hier die Wirkung und den Klang der Linie vom ersten und zweiten Takt. Es sind dieselben Töne, nur an eine andere Stelle des Bass-Griffbretts verschoben.
In Beispiel 5 habe ich ab dem zweiten Takt Leersaiten als Vorschlagnoten eingebaut. Diese bringen immer viel Schwung in deine Bass-Linie. Und das Verrückte ist, dass die Leersaiten auch dann funktionieren und gut klingen, wenn sie gar nicht in die Tonart reinpassen. Zuletzt habe ich dir noch eine Kombination aus Vorschlagnoten und Oktaven aufgeschrieben. Auch das ist ein tolles Stilmittel.
Im Beispiel 6 habe ich dir noch einen stilistisch einfachen, aber für die Greifhand anspruchsvollen Trick rausgesucht. Joe Satriani sagte dazu mal in einem Video „I’m really milking the strings“. Den Begriff fand ich sehr passend. Das Abziehen der Töne auf die Leersaite ist zugegebenermaßen recht anstrengend und herausfordernd für die Greifhand, klingt aber toll! Im ersten Takt dieses Beispiels werden noch alle Töne angeschlagen. Im zweiten Takt werden das C im dritten Bund und das D im fünften Bund der A-Saite jeweils auf die leere A-Saite abgezogen.
Du siehst also: Es müssen nicht immer wilde, tonale Ausflüge oder völlige Veränderungen sein, um den Klang deiner Linie zu variieren. Um dir selbst als Spieler oder auch den Zuhörern und deinen Mitmusikern mehr Spaß zu bereiten, reichen oftmals schon kleine Anpassungen aus. Versuche diese kleinen Tricks doch mal auf deine eigenen Bass-Linien anzuwenden. Dafür hier noch eine kleine Zusammenfassung: 1. versuche die gleichen Töne auf anderen Saiten zu finden oder 2. die Töne deiner Bass-Linie nach oben oder unten zu oktavieren. 3. Baue Leersaiten als Vorschlagnoten und Dead-Notes ein. Beim Ausprobieren und Verändern deiner Bass-Linien wünsche ich dir viel Spaß.
(erschienen in Gitarre & Bass 01/2023)