(Bild: Shutterstock Evannovostro)
Das Wort „Legato“ stammt wie die meisten musikalischen Fachbegriffe aus dem Italienischen und ist eine Vortragsangabe, die besagt, dass hintereinander gespielte Töne ohne Unterbrechungen zwischen diesen erklingen sollen. Für die moderne Gitarre allerdings werden mit Legato drei Spieltechniken der Greifhand assoziiert:
Hammer On (H): Hier wird der Ton durch das Aufhämmern eines Fingers der Greifhand erzeugt.
Pull Off (P): Die Tonerzeugung übernimmt der Finger, der durch seitliches Abziehen eines schon gegriffenen Tons den nächsttieferen gegriffenen Ton zum Schwingen bringt.
Slide (Sl): Ein schon klingender Ton wird durch eine horizontale rutschende Bewegung in seiner Tonhöhe verändert.
Schließlich können auch mit verschiedenen Bending-Techniken Legato-Tonfolgen erzeugt werden. Und auch das Right-Hand-Tapping kann man zu den Legato-Techniken zählen. In dieser Folge werden wir uns zunächst ausschließlich mit dem Hammer On beschäftigen:
Und weil wohl die allermeisten Gitarristinnen und Gitarristen als ersten Einstieg in die Welt des Solierens die A-Moll-Pentatonik in der V. Lage lernen, werden wir diese als Ausgangsbasis verwenden, um einige der unzähligen Möglichkeiten des Hammer Ons kennenzulernen. Eine spieltechnische Bemerkung vorweg: Beim Hammer On sollte der Abstand der Finger der Greifhand minimiert werden. Ein Abstand von der Fingerkuppe zum Griffbrett zwischen 10 und 20 mm reicht völlig aus, um saubere Hammer Ons zu erzeugen.
Beispiel 1 zeigt die vorher angesprochene A-Moll-Pentatonik, auf der jetzt, beginnend mit der tiefen E-Saite, der jeweils zweite Ton aufgehämmert wird. Die rechte Hand schlägt die Saite mit einem Downstroke an, auf den dann im zeitlichen Abstand einer Achtel das Hammer On folgt. Die melodische Aufwärtsbewegung in den ersten beiden Takten kennt wohl jeder. Aber die Abwärtsbewegung im dritten und vierten Takt dürfte für einige Neuland sein. So simpel kann man innerhalb einer Pentatonik-Box melodische Abwechslung erzeugen. Im Audio-File spiele ich die notierte Melodie zunächst wie notiert, dann beginnend auf den Zählzeiten 2, 3 und 4 – ein Lick, vier Varianten!
In Beispiel 2 integrieren wir String Skipping, also das Überspringen einer Saite, das durch die Hammer Ons enorm erleichtert wird.
In Beispiel 3 erzeugen wir durch eine eigentlich einfache Sequenzierung (E/A/D-, A/D/G-, D/G/H- und G/H/E-Saiten) spannenden melodischen Content. Die exakt gleiche Tonfolge kann man auch in Achteltriolen und Sechzehnteln spielen – klingt dann ganz anders. Oft hört man bei Einsteigern wie Fortgeschrittenen, dass sie beim Solieren aus dem „Gefängnis“ der Pentatonik-Box nicht herauskommen. Abhilfe schaffen die Lagenwechsel in Beispiel 4: Dafür spielen wir die A-Moll-Pentatonik horizontal auf jeder Saite, beginnend mit der tiefen E-Saite. Im zweiten Teil der Übung geht es dann von der hohen E-Saite startend wieder zurück zum Ausgangspunkt. Eigentlich nur eine Abfolge von kleinen Terzen (Fingersatz 1,4) und großen Sekunden (1,3), aber genau diese Abfolge auf jeder Saite zu lernen, ist ein Booster in Sachen Griffbrett-Orientierung.
In Beispiel 5 beschränken wir uns auf große Sekunden (Fingersatz 1,3), beginnen aber in der III. Lage und landen am Schluss in der 4. Lage. Diese Übung sorgt für Griffbrett-Orientierung und ist durch den immer gleichen Fingersatz leicht zu spielen. Auch hier spiele ich im Audio-File die Sequenz zunächst wie notiert, dann beginnend auf den Zählzeiten 2, 3 und 4.
In Beispiel 6 benutzen wir wieder einen symmetrischen Fingersatz, dieses Mal nur kleine Terzen (Fingersatz 1,4). Der perfekte Workout für Lagenwechsel.
In Beispiel 7 lernen wir eine enorm wichtige Variante kennen, das sogenannte Hammer On „Out Of Nowhere“. Hier wird zunächst eine Note angeschlagen, dann die zweite Note auf der nächst tieferen Saite durch Hammer On erzeugt. Der große Vorteil ist, dass so String Skipping von höheren zu tieferen Saiten ohne Akrobatik der Anschlagshand mühelos gespielt werden kann. Diese Technik ermöglicht hohe Tempi und ist bei so unterschiedlichen Musikern wie Stevie Ray Vaughan und Pat Metheny sehr häufig zu hören. In Beispiel 8 nutzen wir eine ähnliche Sequenz wie in Beispiel 3, durch den ständigen Wechsel der melodischen Richtung klingt diese Übung richtig spannend.
Für Beispiel 9 mischen wir konventionelles Hammer On mit Hammer On „Out Of Nowhere“. Diese Sequenz würde mit Alternate Picking die Anschlagshand schon ordentlich fordern. Mit Hammer Ons ist sie dagegen deutlich einfacher spielbar und klingt elegant und leicht. Im Audio-File spiele ich die Linie zunächst wie notiert und dann beginnend auf 1+, 2, 2+, 3, 3+, 4 und 4+. In der A-Moll-Pentatonik liegen ja auf jeder Saite zwei Töne, und hier spielen wir immer einen Downstroke gefolgt von einem Hammer On. Bei Tonleitern mit drei Tönen auf jeder Saite (three notes per string) bietet es sich an, den jeweils ersten Ton anzuschlagen und die beiden folgenden mit Hammer Ons zu erzeugen.
Beispiel 10 zeigt, wie das bei einer C-Dur-Tonleiter, beginnend in der VIII. Lage, aussehen und klingen würde. Mit dieser Technik lassen sich sehr schnelle Tempi realisieren.
In Beispiel 11 dehnen wir die Tonleiter aus Beispiel 10 horizontal aus. Sehr gut für die Griffbrett-Orientierung. Noch ein Wort zum Jam-Track (zu finden auf gitarrebass.de), über den die Beispiele 1 bis 9 gespielt wurden. Er besteht aus dieser achttaktigen Akkord-Folge:
I Fmaj7#11 I Fmaj7#11 I Dm11 I Dm11 I I Am11 I Am11 I G6 I G6 I
Alle diese Akkorde stammen aus der C-Dur-Tonleiter, und die A-Moll-Pentatonik klingt über alle Akkorde perfekt. Bei der kompletten C-Dur-Tonleiter hingegen muss man aufpassen, denn nicht alle Töne klingen immer überzeugend. Aber Experimente sind erlaubt. In der nächsten Folge geht es dann um Pull Offs und die Kombination von Hammer On und Pull Off – das wird spannend!
(Die Noten können durch Anklicken vergrößert werden!)
(erschienen in Gitarre & Bass 12/2022)