Die Perlen des Gebrauchtmarkts

Kleinanzeigen Heroes: Trace Elliot AH250 GP11 MK IV

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Günstige Arbeitstiere, unterschätzte Underdogs, übersehene Youngtimer und vergessene Exoten: In den „Kleinanzeigen Heroes“ stellen wir euch die Geheimtipps des Gebrauchtmarkts vor, die einen maximalen „Bang for the buck“ liefern.

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Trace Elliot AH250 GP11 MK IV

Wer Mitte der 80er als Rock-Gitarrist bei uns auf dem Dorf etwas auf sich hielt, spielte einen Marshall – oder wollte das zumindest. Am liebsten den neuen JCM800. Das Statussymbol für die Bass-Fraktion dagegen war ein Trace-Elliot-Turm, den sich aber fast niemand leisten konnte. Entsprechend ehrfürchtig wurden in freier Wildbahn gesichtete Exemplare bestaunt.

Trace Elliot war der absolute Platzhirsch. Ein Musikladen in Essex fing 1979 an, PAs zu bauen und zu verleihen, die oft von Bassisten genutzt wurden, die der damaligen Bass-Anlagen überdrüssig waren. Was lag näher, als ganz auf Bass-Amps umzusatteln? Unter dem Namen Trace Elliot wurde vieles populär gemacht, was man nicht unbedingt erfunden, aber für damalige Verhältnisse zur Reife gebracht hatte. So wie Ampeg gut 30 Jahre vorher, war Trace Elliot eine Firma, die explizit für Bassisten gegründet wurde, und zunächst auch nur Bass-Verstärkung anbot.

Neben dem Klinken- und XLR-Eingang findet man bei Trace Elliot den Pre-Shape-Switch, der (mit-)verantwortlich für den Trace-Sound ist. Eine deftige Mittensenke bei Bass- und Höhen-Boost liefert den Instant-Slap-Sound, den alle wollten. Daran war Mark King als Trace-User der ersten Stunde nicht ganz unschuldig, dessen Ton für viele Vorbildcharakter hatte. Dominierendes Element der Frontplatte – und der Klangerzeugung – ist der 11-bandige grafische Equalizer. Damit lässt sich viel anstellen und auch viel anrichten.

Viele verstanden damals Marks Ton (und seine Aussagen in Interviews) so, dass die Mitten komplett raus mussten. Also Pre-Shape plus Badewanne am EQ, bis außer Hosenbeinflattern und Geklicker nichts mehr übrig blieb. Man kann den EQ mit seinen erstaunlich starken Mitten aber auch sinnvoll nutzen, und ihn sogar per Minischalter abschalten, um den puren Bass-Ton an die Endstufe weiterzugeben.

Dem Master-Regler, gerastert wie das Gain-Poti, folgt der Pre/Post-EQ-schaltbare DI-Ausgang, der witzigerweise Pre-Shape, sofern angewählt, immer mit wiedergibt. Das Buchsenquartett rechts sind Send und Return für Effekte und die unter „Slave“ gefassten Line Out und Line In. Line Out füttert bei Bedarf über den Line In eines zweiten Trace-Stacks dessen Endstufe direkt mit dem kompletten Vorstufensignal. Da er masterabhängig ist, regelt sich mit dem ersten Master die Lautstärke beider Stacks. Das war damals der heiße Scheiß!

Rückseitig gibt es neben dem Netzschalter noch einen weiteren für die Lüftergeschwindigkeit und einen für ein weiteres klassisches Trace-Feature: die UV-Röhre! Eine Schwarzlichtröhre bringt die blassgrüne Front zum Leuchten, garantiert auch auf der dunkelsten Bühne noch ablesbar und trotzdem völlig blendfrei – genial!

AN DER BOX

Mit einem satten Fump! meldet sich der Amp zum Dienst, und dann heißt es auch schon Obacht am Master-Regler! Die MOSFET-Transistoren haben den Ruf, für Transistor-Verhältnisse recht warm zu klingen, was eine gute Kombination mit der klaren Vorstufe ergibt. Vor allem sind sie LAUT. Zwar ist das Top nur mit 250 Watt an 4 Ohm angegeben, aber die erreichbare Lautstärke ist immens. Natürlich immer abhängig von den angehängten Boxen; pudelwohl fühlt sich das Top mit der von Trace popularisierten klassischen Kombination aus 4×10″ und 1×15″.

An modernen Boxen kann der Pre-Shape etwas zu viel des Guten sein – die frühen Trace-Cabinets hatten lange keine Hochtöner, da macht die Übertreibung der Höhen durchaus Sinn. Aber der Equalizer ist ja auch noch da, mit dem die Mitten wieder dezent addiert und der Hochtonbereich entschärft werden kann. Wer mehr Klangvariation möchte oder in „dreckige“ Gefilde vorstoßen will, darf gerne Pedale oder Preamps vor den AH250 hängen. Anschlussmöglichkeiten dafür gibt es ja genügend (in die Vorstufe, Pre-Master in den Return, oder Post-Master über Line In direkt in die Endstufe), der Amp macht das klaglos mit.

BRITISH STEEL

Alte AH250 sind günstig zu bekommen, teilweise schon ab € 200. Wesentlicher Faktor dafür dürfte das Gewicht sein, 20 kg bringt so ein Top auf die Waage. Neben dem soliden Aufbau und dem Holzgehäuse hat der fette Netztrafo daran großen Anteil, der das Top zum Eisenschwein macht, andererseits aber eben auch dafür sorgt, dass ihm nicht so schnell die Luft resp. der Strom ausbleibt. Mit ein bisschen Service funktioniert der alte Brite meist klaglos. Potis, Schalter und EQ-Schieber brauchen ab und an etwas Elektronikspray (z. B. von Kontakt Chemie oder DeoxIT), manchmal ist die UV-Röhre defekt, ohne die der Amp natürlich trotzdem funktioniert.

Eine echte Schwachstelle ist dagegen der Steckverbinder zwischen Vor- und Endstufe, der ungereinigt für Aussetzer sorgen kann. Ebenso ist es bei so alten Verstärkern nie eine schlechte Idee, mal einen Techniker auf die Elkos schauen zu lassen und diese gegebenenfalls auszutauschen.

Spätere Trace-Amps bieten umfangreichere Vorstufen, auch mit Röhre und Kompressor, aber ich mag irgendwie die rohe Gewalt der ersten Modellreihen, die immer noch recht häufig zu bekommen und tolle Amps sind, wenn man nicht gerade etwas Leichtes für unterwegs sucht.


(erschienen in Gitarre & Bass 04/2021)

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