Gibt es einen anderen Bass, der so sehr an einen einzigen Spieler oder eine einzige Spielerin gekoppelt ist? Zu jedem anderen Klassiker fallen mir gleich mehrere Player ein, aber der Höfner Violin Bass 500/1 ist und bleibt der Bass von Paul McCartney.
Kein Wunder, dass das Instrument neben seiner offiziellen Bezeichnung allen als „Beatles Bass“ geläufig ist. Ob es sich in Verkaufszahlen niederschlägt, kann ich nur spekulieren, aber der Erfolg, der auch für nicht so Beatles-affine Menschen wie mich großartigen Doku ‚Get Back‘ dürfte das Interesse wieder ordentlich entfacht haben.
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KLEIN UND LEICHT
In seiner Grundkonstruktion immer ähnlich, baut Höfner einige verschiedene Varianten des 500/1. „H500/1-63-AR-0“ heißt unser Testbass vollständig, was schon mal auf Features hindeutet, wie sie 1963 typisch waren. Der namensgebende, violinenförmige Korpus ist wie ein akustisches Instrument vollständig hohl gebaut. Boden und Zargen sind aus schön gemasertem Riegelahorn, während die Decke aus Fichte ist – ganz, wie es sich für eine Geige gehört.
Eingefasst sind Decke und Boden mit einem feinen dreischichtig schwarz/weiß/schwarzen Binding mit einer dickeren vierten weißen Lage außen, die absolut blitzsaubere Lackierung erstrahlt in einem feinen, rötlich-braunen Sunburst. Das Finish mit Poly statt Nitro hilft, den Preis niedrig zu halten, macht den Bass robust und sieht trotzdem gut und authentisch aus. Der Hals besteht aus zwei Teilen Ahorn und ist in Höhe des 16. Bundes eingeleimt, mit einem ganz klassischen Halsfuß, auf dem sich auch der vordere Gurtknopf befindet. Das letzte Ende schwebt elegant über der Decke.
Das Griffbrett ist aus Palisander und hat 22 Bünde zu bieten – plus einen Nullbund. Orientierung bieten schöne Perlmutt-Dots – und zwar ausschließlich, denn Markierungen in der Griffbrettflanke sucht man vergebens. Hinter dem Nullbund sitzt eine dreilagige Saitenführung aus Plastik, die die geschliffenen Drähte auf der richtigen Spur halten. Die Mechaniken an der kleinen Kopfplatte sitzen jeweils zu zwei auf Metallbändern, wie man das von Konzertgitarren kennt, und sind auch genauso offen. Leichte Perlmutt-Kunststoffflügel sorgen für geringes Gewicht und ansprechende Optik.
Am anderen Ende wartet ein hübsch verziertes Trapez-Tailpiece darauf, die Ballends eingehängt zu bekommen. Dazwischen laufen die Saiten über einen Steg aus Ebenholz. Der untere Teil steht lose in seiner Wölbung der Decke angepasst auf selbiger, mit zwei Rändelmuttern und Gewindestangen wird die Höhe des oberen Teils eingestellt. Hier sind vier Schlitze eingesägt, in denen für jede Saite ein kurzes Stück Bunddraht steckt, um bessere Oktavreinheit zu gewährleisten.
Die beiden Pickups sind unter den Nickelkappen Humbucker. Eine Seite hat dabei Polschrauben, die andere schmale, rechteckige Polstücke, die wie Heftklammern aussehen, was dem Pickup den „Staple“-Namen einbringt. Beide stecken in schmalen Umrandungen und sind in der Höhe nicht ganz einfach zu justieren. Nach Demontage des großen Perloid-Schlagbretts (eine Schraube, zwei Nägel) und Lösen von vier winzigen Schrauben je Abnehmer kann man diesen von Hand vorsichtig an die Saiten heranziehen oder gen Decke drücken, um ihn dann mit den Schräubchen wieder zu fixieren. Klingt fummelig? Das ist noch gar nichts im Vergleich zur Realität! Zum Glück ist die Einstellung ab Werk ohne Tadel. Zu den Eigenheiten des Basses gehört auch die Schaltung. Auf dem passend zum Schlagbrett aus Perloid geschnittenen Paneel prangt bis heute, es sei beim Deutschen Gebrauchs-Musterschutz angemeldet.
GROSSER TON
Diverses fällt mir beim Umhängen des 500/1 Artist auf. Los geht es damit, dass die Gurtknöpfe aus Plastik sind. Das würde ich jedem normalen Bass ankreiden, hier gehört es irgendwie dazu … Das nächste ist natürlich das geringe Gewicht von nicht einmal 2,5 kg. Zu einer automatisch lockeren Spielbarkeit führt das aber nicht, denn trotz kurzer Mensur und leichten Mechaniken auf einer kleinen Kopfplatte ist der Höfner kopflastig. Allzu große Mühe macht es aber nicht, entweder den Hals dezent zu stützen oder den Korpus mit dem Unterarm etwas zu fixieren. Ein rutschfester Gurt tut sein Übriges dazu. Dann geht es auch flott durch die Lagen, auch die hohen sind dank der Korpusform einigermaßen leicht erreichbar. Am Nullbund hat der Hals mit 42 mm erwachsene Maße, die sich aber nicht sonderlich breit anfühlen, mit einem satten C liegt er gut in der Hand. Anderswo ungewöhnlich, aber hier normal ist die fast gleichbleibende Breite des Halses, die eine entsprechend enge Saitenführung bedingt, auf die man sich erstmal ein wenig einspielen muss.
Im Vergleich zu anderen 500/1-Reissues ist der Hals hier minimal dünner ausgelegt. Die Saitenlage ist ab Werk eher robust-hoch eingestellt, die gute und sauber abgerichtete Bundierung lässt durchaus flachere Einstellungen zu. Etwas nachrücken kann dabei dann auch gleich die Oktave brauchen, die ist zu den tieferen Saiten doch etwas off. Ist ja aber schnell erledigt, der lose auf der Decke stehende Steg kann einfach verschoben werden. Bei einem Saitenwechsel sollte man aus genau diesem Grund entweder Saite für Saite vorgehen, oder sich die Position auf der Decke mit Kreppband o.ä. markieren.
Schon trocken angespielt, kommt der Bass genau so rüber: trocken, mit einem satten Plopp-Ton, dank der ab Werk aufgezogenen geschliffenen Höfner-Saiten. Am Verstärker stellt sich bei vielen beim ersten Versuch oft Verwirrung ein, deshalb nochmal kurz erklärt, was genau Höfner da als Gebrauchsmuster angemeldet hat:
Mit den Schiebeschaltern auf „Bass On“ und „Treble On“ kommt … nix! Die Grundstellung für das volle, unbeeinflusste Signal ist stattdessen, diese beiden in die unbeschriftete Stellung zu den Saiten hin zu bringen, den dritten Schalter auf Solo, und die Volume-Regler voll aufgedreht. Es bleibt ploppig, mit dem typisch hohlen Mittencharakter, der mit der entsprechenden Spielweise und Verstärkung sofort nach Vintage klingt. Mit den Lautstärkereglern können jetzt die Mischungsverhältnisse eingepegelt werden, wobei die hübschen Teacup-Potiknöpfe, die auf die gezahnten Achsen geschraubt werden, etwas eiern. Ändert aber nichts an der sonst guten Regelcharakteristik: Mit mehr Steg-Pickup wird es ultra-mittig, mit einem sich irre durchsetzenden Punch, zum Hals hin wird es immer bassiger.
Wenn es mal noch mehr Reggae, Dub oder einfach unschlagbar tiefer Bass sein soll, kommen die Schalter ins Spiel. Bass On schaltet nämlich zum einen den Stegabnehmer komplett aus, zum anderen werden die Höhen ziemlich radikal gekappt. Treble On ergibt – wenn denn der Hals-Pickup vorher wieder umgeschaltet wurde – den Stegabnehmer solo, mit einem minimalen Bass-Cut, der aber bei weitem nicht so ins Gewicht fällt wie der Höhen-Cut vorher. Apropos Solo, den Schalter gibt es ja auch noch. Oft als Boost beschrieben, wird auf Rhythm geschaltet das Signal per Widerstand auf ca. 70% runtergepegelt. Ein klein wenig gehen auch Höhen dabei verloren, insgesamt gefällt mir diese Position gut, die den alles-auf-Ton etwas kompakter macht.
Mehr Varianten abseits der beschriebenen Gefilde, die eh nur Sounds lesbar machen sollen, können mit ungeschliffenen Saiten erforscht werden, die in Maßen mehr Draht aus dem 500/1 zaubern, und eine ganze Schippe mehr Sustain! Wer Saiten anderer Hersteller probieren sollte, muss nur darauf achten, trotz der kurzen Mensur Medium-Scale-Saiten zu nehmen, die dieser Bass wegen des langen Weges hinter dem Steg braucht.
Bild: Dieter Stork
Bild: Dieter Stork
RESÜMEE
Wenig überraschend beherrscht der 500/1 Artist genau den Ton, den Paul McCartney aus seinem Bass zauberte, aus dem Effeff und im Schlaf. Gerade mit einem Fender Bassman oder z. B. dem Origin-’64-Black-Panel-Pedal klingt das verblüffend wie in ‚Get Back‘ zu sehen und zu hören. Wenn man sich auf dem Bass mit seiner speziellen Geometrie und Ergonomie erstmal eingespielt hat, setzt einem nur die Fantasie Grenzen.
Mit Rounds und gutem Drivesound bekommt die Rockband eine ganz andere Farbe als mit den üblichen Brettern, und so oder so kann die kleine Geige tiefe Bässe zaubern. Gemessen an der gebotenen Handarbeit, die wirklich tadellos ausgeführt ist, und mit dem mitgelieferten guten Koffer, komme ich beim 500/1 Artist auf ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und kann ihn nur wärmstens zum persönlichen Antesten empfehlen – für das man sich Zeit nehmen sollte, um sich allen Eigenheiten dieses Modells widmen zu können.