Ausnahmegitarrist mit viel Ton in den Fingern

Meilenstein 2001: Doyle Bramhall II & Smokestack – Welcome

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März 2001: Doyle Bramhall II mit 1964er Fender Stratocaster Sunburst (Bild: Arnd Müller)

Um die Jahrtausendwende kam die Karriere des texanischen Sängers und Gitarristen Doyle Bramhall II so richtig in Fahrt. Geboren wurde Doyle am 24. Dezember 1968 in Austin, Texas. Doyle Bramhall Senior (17.02.1949 – 12.11.2011) war ein renommierter Drummer und Songwriter der texanischen Blues-Szene.

Doyle Junior begann schließlich mit dem Gitarrespielen und tourte als 17-Jähriger mit The Fabulous Thunderbirds – an der Seite von Jimmie Vaughan …

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Über diese Zeit erzählte Bramhall II gegenüber Gitarre & Bass:

„Ich erinnere mich, wie ich einmal zu Jimmie gegangen bin und gefragt habe: Wie hast du das gespielt? Und er antwortete: Hey, ich habe meine Sachen gelernt, du musst deine lernen. Das war das letzte Mal, dass ich jemanden gefragt habe, wie man etwas spielt.“

In den 90ern gründete Doyle mit Gitarrist/Sänger Charlie Sexton, Bassist Tommy Shannon und Drummer Chris Layton (letztgenannte spielten bekanntermaßen mit Stevie Ray Vaughan) die kurzlebigen Arc Angels. Mitte des Jahrzehnts veröffentlichte er zwei Soloalben, die die Aufmerksamkeit von Roger Waters und Eric Clapton erregten. Mit beiden war Bramhall II dann als Sideman auf Tour, zudem spielte er auch im Studio. So ist Doyle Bramhall II auf ,Riding With The King‘ zu hören, dem gemeinsamen Album von B.B. King und Clapton.

(Bild: Sony, Kate Garner)

Weiterhin hatte Bramhall auch zwei der Stücke mitgeschrieben. Während der Zeit als Sideman von Eric Clapton präsentierte Doyle 2001 mit ,Welcome‘ ein neues Album und eine neue Band – dies dann auch im Vorprogramm der Tour. Zu Smokestack gehörten Chris Bruce (b), J.J. Johnson (dr) und die ehemalige Prince-Musikerin und Doyles Frau Susannah Melvoin (voc), die auch einen Großteil der Songs mitgeschrieben hatte. Zusätzliche Gitarren kamen von Lenny Kravitz’ Craig Ross, Co-Produzent Benmont Tench steuerte Piano und Orgel bei.

Smokestack! Susannah Melvoin, Doyle Bramhall II, J.J. Johnson und Chris Bruce (Bild: Sony, Kate Garner)

Und diese Band groovte wie die Hölle, wie etwa im schnellen ,Green Light Girl‘. Befeuert von einem knackigen Riff rockte man sehr cool nach vorne, was den Geist der Hendrix-Klassiker ,Fire‘ oder ,Crosstown Traffic‘ atmete. Auch der treibende Bluesrocker ,Problem Child‘ ist in den 60ern verwurzelt. Ein von Gitarre und Bass unisono gespieltes Blues-Riff walzt geradezu alles platt, später zieht das Tempo an und Doyle hebt ab in ein virtuoses Solo. Immer steht Bramhalls angeraute bis klare Stimme im Zentrum, so wie im souligen ,So You Want It To Rain‘. ,Life‘ ist ebenfalls so eine einnehmende ruhige Nummer mit tollen Gesangsmelodien.

Und was für ein gutes Songwriter-Gespann er und Susannah Melvoin waren, zeigt auch ,Helpless Man‘ mit seinem Southern-Rock-Einschlag. Apropos: ,Soul Shaker‘ verbreitete Vibes im Stile der Black Crowes. Schließlich watete der großartige Titelsong noch mal tief durch den Blues. Wobei, die Blues-Tradition in der Bramhall steht, kommt weniger im Songwriting durch als im Gitarrenspiel. So erinnern Bends und Phrasierung schon mal an Albert King oder auch Stevie Ray Vaughan. Und sicher: Jimi Hendrix hat auch seine Spuren hinterlassen.

Über seine musikalische Sozialisation erzählte Bramhall:

„Als ich begann Gitarre zu lernen, habe ich sehr viel Cream, Blind Faith und Derek & The Dominos gehört. Ich bin insgesamt beeinflusst von der British Invasion, die mehr war als nur die Beatles. Da gab es die Rolling Stones, Clapton, The Yardbirds. Und diese Bands waren beeinflusst vom Blues, mit dem ich aufgewachsen bin. Viele dieser Bands, wie die Stones und Led Zeppelin, haben Blues-Songs gespielt, von denen ich die Originale kannte. Das war daher sehr cool ihnen zuzuhören.“

Der Linkshänder spielte damals hauptsächlich eine 1964er Sunburst Fender Stratocaster. Doyle zieht die Saiten anders herum auf, sodass die tiefen Bass-Saiten am weitesten weg und die hohen Melodiesaiten am nächsten zum Spieler liegen. Bekannt für diese, im Vergleich zur üblichen genau „umgekehrten“ Saitenanordnung, sind die Blues-Ikonen Albert King und Otis Rush oder auch Bluesrocker Eric Gales. Zudem fiel bei Doyle das Tuning einen Halbton tiefer aus. Im Studio setzte Bramhall für seinen teils auch basslastigen Sound neben einem 67er Plexi 100 Watt Marshall Super Bass einen Fender Showman ein. Hinzu kamen Fuzz Face, Univibe, Octaver und ein Hughes & Kettner Tube Rotosphere.

Live-Gitarren 2001: Sunburst Strat, eine rote „Little Doyle“ (Kopie einer 63er-Strat des texanischen Gitarrentechnikers Zack Berry) und schwarze Lefty Fender Telecaster
Live-Gear 2001: Marshall-Top mit 4x12er-Box. Zum Pedalboard gehörten u.a. Boss Chromatic Tuner, Ibanez Tube Screamer, Fulltone Deja Vibe, Rotosphere und Replex (beide Hughes & Kettner), Dunlop Fuzz Face, Line 6 DL4 Delay Modeler und ein Fulltone WahWah

Während der Clapton-Tour griff Smokestack-Bassist Chris Bruce auf zwei Fender-Bässe und einen Ampeg-SVT-2-Pro-Amp mit einer Ampeg-8×10er-Box zurück. Das Album klang und klingt ungemein lebendig und räumlich. Das fällt etwa in ,Problem Child‘ auf, wenn die Band gegen Ende in einen ruhigen Part wechselt. „Wir haben diese Platte fast komplett live eingespielt,“ kommentierte Doyle.

„Es gab nicht so viele isolierte Verstärkerabnahmen. Wir haben alles in einem großen Raum aufgestellt und aufgenommen. Auf den Drum-Spuren kannst du meine Gitarre hören, und auf den Gesangsspuren hörst du das Schlagzeug und meine Gitarre. Wir wollten dieses Live-Feel einfangen. Das ist wie bei ,Red House‘ von Jimi Hendrix. Der Song ist ebenfalls so aufgenommen worden. Ich habe einmal die originalen Spuren gehört, und das Gitarrensignal ist über die Overhead-Mikros auf den Drum-Spuren gelandet. Das ist ein cooler Sound, und du hörst so etwas nicht mehr so oft.“

Trotz der klassischen Live-Aufnahme: ,Welcome‘ war vor 21 Jahren ein zeitgemäßes Album zwischen blauen Roots und klassischem Rock der 60er-Jahre. Und man erlebt hier eben auch aus heutiger Perspektive nicht nur einen Sologitarristen plus Begleitmusiker (wie bei so manchen anderen Bluesrock-Acts), sondern eben eine wirklich tolle Band und spannende, packende Musik, die immer noch begeistert. Und sicher kann man hier einen Ausnahmegitarristen mit viel Ton in den Fingern entdecken.


(erschienen in Gitarre & Bass 11/2022)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Doyle Bramhall II ist ein extrem guter Musiker und zudem noch viel zu
    wenig bekannt. Seine Blues Einflüsse , sein virtuoses Spiel und seine
    Songs haben einen sehr wichtigen Stellenwert im Zeichen vieler anderer
    die dennoch meist nur dem Mainstream folgen.
    Hier bekommt man erdigen Blues und man fühlt sich an die besten Tage
    von Cream, Clapton und Hendrix erinnert.

    Weiter soviel Seele und Blues Doyle.

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