Das große Finale

Repair Talk: Intonation, Endkontrolle & Soundcheck

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Direkt anschließend an die finalen Vorbereitungen im vorangegangenen Repair Talk wird beim Projekt im folgenden Arbeitsschritt die Intonation eingestellt. Bei dem Einstellen der Intonation geht es physikalisch darum, das notwendige Spannungsplus der jeweiligen Saite zu ermitteln und einzustellen.

Das Wort „Spannung“ assoziiert schon einen gewissen Zusammenhang mit der Saitenlage. Eine höhere Saitenlage wird beim Drücken der Saite zu einer größeren Spannungserhöhung führen als eine niedrigere Saitenlage (vorausgesetzt, alle anderen relevanten Parameter bleiben gleich). Folgerichtig gilt es also, die Reihenfolge der Arbeitsschritte entsprechend zu ordnen. Um die Intonation korrekt einstellen zu können, muss demnach zunächst die angestrebte Saitenlage eingestellt werden.

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ABGESTECKTE ZIELEINFAHRT

In einem bereits absolvierten Arbeitsschritt wurden die Sattelnuten optimiert und liefern so bereits die notwendige Voraussetzung, um im Anschluss die Saitenlage einzustellen. Es gibt unterschiedliche Methoden und Möglichkeiten, die Saitenlage zu definieren und nachzumessen. Der Repair Talk definiert die Saitenlage als den Abstand von der Oberkante des Bundes zur Unterkante der Saite. Für wiederholbare und klare Aussagen wird der 12. Bund als Messpunkt auserkoren (Abb. 1).

Abb. 1 – Klar definiert: Die Saitenlage (Bild: M. Doc Schneider)

Das aufgelegte Lineal zeigt einen Wert, der die Saitenlage als Zahl wiedergibt. Als „Arbeitssaitenlage“ wird beim Projekt eine Saitenlage von 1,5 mm (e) und 2 mm (E) anvisiert und an den beiden Bolzen des Einteilers entsprechend eingestellt. Das Erreichte ist aber nur ein wackeliges Zwischenziel, da das Einstellen und Ablesen nur Sinn ergibt, wenn auch die Halskrümmung den Tuning-Zielen folgt. Nach dem ersten Einstellen der Saitenlage und dem eventuell notwendigen Nachstimmen der Gitarre wird die Halskrümmung überprüft. Dies geschieht durch ein „Peilen“ entlang der Griffbrettkante oder mit dem bekannten und schon oft erläuterten „Saitentest“.

Zur Erinnerung: Bei diesem recht präzisen Vorgang wird zum Beispiel die E-Saite am ersten und am 17. Bund gedrückt, so dass die Saite nun als Lineal fungiert und die Halskrümmung sehr transparent wiedergibt. Falls erforderlich, wird am T-Rod die gemäß den Tuningvorgaben angestrebte Halskrümmung eingestellt und anschließend die Saitenlage erneut abgelesen. Es wird in der Regel mehrere Durchgänge brauchen, bis Saitenspannung (Stimmung), Halskrümmung und Saitenlage aufeinander abgestimmt und final eingestellt sind. Läuft das System rund, kann das Einstellen der Intonation erfolgen.

DRÜCKEN UND PRÜFEN

Zum Ermitteln des notwendigen Spannungsplus’ wird bei der gestimmten Gitarre der Flageolett-Ton am 12. Bund mit der Tonhöhe des gedrückten Tons (nur zur Klarstellung: ebenfalls 12. Bund) verglichen. Ziel ist es, dass der gedrückte Ton (höhere Spannung) tongleich mit dem Flageolett-Ton ist. Ein Stimmgerät wird helfen, die beiden Töne zusammenzubringen, indem die Schwingungslänge der Leersaite entsprechend der erhöhten Spannung eingestellt wird. Ist der gedrückte Ton im Vergleich zum Flageolett zu hoch, muss die Schwingungslänge erhöht werden, indem der Steg weiter nach hinten (weg vom Hals) gesetzt wird und umgekehrt.

Abb. 2 – Das Einstellen der Intonation (Bild: M. Doc Schneider)

Beim vorkompensierten Einteiler des Bausatzes erfolgt das Einstellen an den beiden äußeren Schrauben direkt hinter dem Bolzen (Abb. 2). Mit ihrer Hilfe kann die Schwingungslänge durch Vorbzw. Zurückbringen des Steges so variiert werden, dass der oben beschriebene Flageolett-Test zum tonalen Einklang führt. Beim Einteiler beginne ich mit dem Test an den äußeren Saiten und vermittele im Anschluss auch die inneren Saiten bis das Ergebnis stimmig ist und auch gedrückte Akkorde in hohen Lagen möglichst sauber intonieren.

Ist das Ziel erreicht, können die Saiten entspannt werden und zum einen die störenden Schrauben gestutzt werden aber auch die erforderlichen Restarbeiten am Sattel können in Angriff genommen werden.

Abb. 3 – Präzise und geschmeidig: Der fertige Sattel (Bild: M. Doc Schneider)

ENTSCHÄRFENDE FORMGEBUNG

Obwohl die wichtigen Arbeiten am Sattel abgeschlossen sind, stellt er sich als Bauteil noch recht unförmig und scharfkantig dar (Abb. 3/oben). Mit Feile und Schleifpapier wird das Bauteil auf eine gefällige Form ohne störende Kanten gebracht und anschließend mit feinem Schleifpapier aufpoliert.

So vorbereitet kann das Bauteil mit etwas Weißleim in der Nut fixiert werden. Dazu bestreiche ich den Sattel auf der Unterseite mit etwas Leim und setze ihn in die Nut. Anschließend bringe ich die beiden äußeren Saiten auf Spannung. Die Saiten fixieren den Sattel zwar leicht, lassen aber – falls notwendig – zu, den Sattel in seiner Position zu verschieben. Sitzt der Sattel, werden die restlichen Saiten hochgestimmt und der Sattel wird auf diese Weise bis zum Trocknen des Leims in Position gehalten. Überschüssiger austretender Leim wird mit einem Tuch aufgenommen.

Nach einer entsprechenden Trocknungszeit kann die Gitarre nachgestimmt werden und neugierig gespielte Riffs lassen das fertige Instrument bereits erahnen (Abb. 3/unten).

Ein abschließendes erneutes Überprüfen von Sattelnuten, Halskrümmung, Saitenlage und der Intonation bringt das Finetuning durch ein ggf. anfallendes Nachstellen auf den Punkt. Aus dem Sammelsurium an Bauteilen aus dem Karton ist ein spielbares Instrument geworden.

Abb. 4 – Eine Saite hilft beim Verteilen des Gleitmittels (Bild: M. Doc Schneider)

Um Reibung im Sattel zu minimieren und einem Verhakeln mit Verstimmungsproblemen vorzubeugen, verteile ich im abschließenden Tuningschritt mit dem blanken Ende einer umsponnenen Saite etwas Fett o.Ä. in der Sattelnut (Abb. 4). Überschüssiges Gleitmittel wird sauber abgewischt, es wird nachgestimmt und die alles entscheidende Stunde der Wahrheit rückt näher: Top oder Flop?

PERKUSSIVE ZIELGERADE

Da ich nicht plane, mit dem Bausatz kommerziell irgendetwas zu erreichen, kann ich an dieser Stelle neutral und ohne versteckte Werbung meine persönliche Bausatzkritik abliefern. Was beim ersten „Zocken“ aus dem Instrument herauskommt, ist verblüffend gut. Die Gitarre klingt akustisch sehr laut und man hat den Eindruck, dass die durch den Anschlag eingebrachte Energie sehr direkt und verlustfrei in Schwingungen umgesetzt wird. Dies allerdings sehr perkussiv. Ein füllendes Fundament im unteren Frequenzspektrum höre ich genauso wenig wie ein längeres Sustain. Die Gitarre liefert stattdessen einen „Schrääännng“ der Spaß macht. Dabei klingt sie aber nicht billig wie viele „Out-of-the-Box“-Angebote im unteren Preissegment. Wie schon während des Aufbaus vermutet, ist für mich diese Gitarre keine Detail- und Sound-genaue Kopie des historischen Vorbilds, sondern eher eine Variation.

Abb. 5 – Klare Verhältnisse am Sattel (Bild: M. Doc Schneider)

BEGUTACHTENDE EHRENRUNDE

Bevor es an den Amp geht, verleitet der innere Tunerstolz dazu, durchgeführte Optimierungen Revue passieren zu lassen. Die Abb. 5 zeigt die optimierte Situation am Sattel. Dieser sitzt jetzt klar definiert in einer positionsgebenden Nut und sorgt zum einen für eine konkrete Übertragung der Leersaiten und ist darüber hinaus nun auch ein verlustfreier Baustein im Schwingungssystem der Gitarre.

Abb. 6 – Macht gute Stimmung: Die fertige Kopfplatte (Bild: M. Doc Schneider)

Die Montage der Mechaniken wurde gut vorbereitet, was mit Sicherheit dazu beiträgt, dass deren Funktion nun im montierten Zustand (Abb. 6) überraschend gut ist. Da lassen viele Internetrezensionen ähnlicher Produkte anderes vermuten, aber hier am Projekt läuft es – zumindest die ca. 30 Stimmvorgänge bis hierhin. Okay, einen sich widersetzenden Ausreißer gibt es bei jedem Projekt.

Abb. 7 – Übersehener Ausreißer (Bild: M. Doc Schneider)

Hier ist es die Mechanik der D-Saite mit ihrer recht eigenwilligen Ausrichtung (Abb. 7). Dieses vorgebohrte Freestyle-Feature wurde offensichtlich bei der Anprobe der Bauteile übersehen, wird aber – wenn die erste Euphorie des Spielens etwas abflaut – schnell durch ein Dübeln, Ausrichten, Nachbohren in Reihe gebracht.

Jetzt wird erst einmal weitergespielt, getestet und bei aller Skepsis – bezogen auf den (relativ!) günstigen Bausatzpreis – spielt sich die Gitarre sehr angenehm. Dies ist nicht unwesentlich den zeit- und arbeitsintensiven Tuningarbeiten am Griffbrett zu verdanken, die das Projekt in Punkto Bespielbarkeit auf ein ganz anderes Level gebracht haben (Abb. 8).

Abb. 8 – Lohnender Einsatz: Spaßfördernde Neubundierung (Bild: M. Doc Schneider)

Auch wenn die komplette Neubundierung ein recht umfangreiches Tuningziel ist, möchte ich diesen im Resultat wichtigen Arbeitsschritt jedem Bausatz-Builder ans Herz legen, da der Gewinn für das Projekt enorm sein kann.

Abb. 9 – Wie geplant, so erreicht: Saitenverlauf am Pickup (Bild: M. Doc Schneider)

Gleiches gilt für das im Aufbau des Projekts erarbeitete Aufmaß (Symmetrie). Sehr zeitaufwändig wurden die Mittellinie und die Aufbauhöhe ermittelt. Auch das zahlt sich nun aus, da wie geplant die Saiten nicht zu weit weg vom Pickup laufen (Abb. 9) und auch der Steg hat das Tuningziel aus der entsprechenden Repair-Talk-Etappe erreicht.

Abb. 10 – Sitzt gut und hat Luft: Der montierte Einteiler (Bild: M. Doc Schneider)

Bei einer sehr kommoden Einstellung (Saitenlage e = ca. 1,3 mm/ E = ca. 1,8 mm bei recht geradem Hals) sitzt der Einteiler wie auf Abb. 10 gezeigt, ebenfalls der vorangegangenen Planung folgend, recht flach über der Decke, hätte aber für andere Einstellungsvorgaben genug Luft in beide Richtungen.

SOUNDCHECK MIT BALANCE

Genug visuell geprüft, jetzt folgt der Audioteil. Erwartet habe ich einen muffigen Billigsound, der sofort eine neue Baustelle (Pickup-Tausch) aufmacht. Auch hier überrascht mich das Projekt. Nicht muffig sondern recht brillant mit angenehmer Fülle liefert der Bausatz-P90 ab. Um nicht falsch verstanden zu werden: Dies ist kein Boutique-Pickup-Ersatz. Da ist mit Sicherheit noch Luft nach oben!

Abb. 11 – Abweichend und interessant: Die Pickup-Position (Bild: M. Doc Schneider)

Die konstruktionsbedingt etwas nach vorne gerutschte Pickup-Position (Abb. 11) färbt die Klangfarbe ohnehin weg vom historischen Vorbild. Das Resultat ist aber angenehm und verdient es, über einen längeren Zeitraum und unter verschiedenen Bedingungen (Amp, Raum, etc.) getestet zu werden, bevor Pickup und Elektronik pauschal als billig vorverurteilt und ausgetauscht werden. Erst einmal bleibt das Projekt so, wie es ist – ein späteres Nachtuning ist dann fix geplant und ausgeführt.

Wenn das ca. 2,35 kg leichte Instrument am Gurt hängt, bestätigt sich für mich auch die Entscheidung, den Hals/Korpus-Übergang am 21. Bund anzusetzen und nicht gemäß historischem Vorbild den Ansatz weiter Richtung Griffbrettende zu setzen. Durch den etwas „kürzeren“ Hals hängt das Instrument ohne störende Kopflastigkeit. Bei einem dünneren Nylongurt muss die linke Hand zwar noch etwas „ausgleichen“, damit die Gitarre nicht wegsackt, aber ein breiter Ledergurt lässt das Instrument gut ausbalanciert schweben.

Abb. 12 – Hat jetzt schon Spaß gebracht: Das fertige Projekt (Bild: M. Doc Schneider)

In der Summe schließt an dieser Stelle der Aufbau des Projektes erfolgreich ab. Die fertige Gitarre tummelt sich nun berührungsfordernd in meiner Werkstatt, spielt sich gut und macht auch optisch was her (Abb. 12).


(erschienen in Gitarre & Bass 09/2022)

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