(Bild: Dieter Stork)
Schon ab 1996 verzichtete Geddy Lee bei Rush-Touren auf Verstärker auf der Bühne und war heutigen DI-/Modeler-/ FRFR-Trends damit um Jahrzehnte voraus. Recht bald fing er an, Geräte der Firma Tech 21 zu integrieren, die ihm mittlerweile mehrere Preamps und ein Pedal auf den Leib geschneidert haben. Zum 40. Geburtstag des legendären Rush-Albums ‚Moving Pictures‘ im letzten Jahr gibt es das Geddy-Lee-YYZ-Signature-Pedal in einer limitierten MP40-Ausführung, dessen Lackierung liebevoll das Artwork des Albums aufgreift.
MIT „SCHMEGILKA“
Passend zum Rückblick ziert außerdem das Konterfei des jungen Geddy, ohne Brille und Soul-Patch, dieses Jubiläums-Pedal. Das Design ist aber nicht der einzige Unterschied zum YYZ, auch in der Schaltung wurden Extras eingebaut …
Am Grundaufbau ändert sich nichts: Das komplett analog aufgebaute Pedal vereint einen sauberen „High-End Studio Clean“- Tone, hier „Deep“ genannt, mit schmutzigen Röhren-Amp-Sounds. Während der Clean-Tone fix ist und nur das Mischungsverhältnis zum dreckigen Kanal eingestellt werden kann, bietet die Zerr-Seite mehr Möglichkeiten. „Drive“ stellt logischerweise den Zerrgrad ein, dazu gibt es noch einen dreibändigen EQ. Die Bässe setzen bei 80 Hz an, also eher im Punch-Bereich statt im tiefen Keller. Angehoben und abgesenkt wird um jeweils 12 dB, ausgehend von der neutralen, nicht einrastenden Mittelstellung auf 12 Uhr. Gleiches gilt für die Höhen, die mit 3,2 kHz verhältnismäßig tief ansetzen. Die Mitten dagegen haben einen satten Regelbereich von Plus/ Minus 20 dB, die im Boost bei 2 kHz nah am Höhenregler ansetzen, beim Cut dagegen bei 1 kHz arbeiten.
Der Master-Regler oben links stellt wie gehabt die Ausgangslautstärke ein. Auch den Tight-Knopf kennt man schon vom YYZ, hier wird der Bassbereich der Drive-Seite ausgedünnt.
Neu dagegen ist der Boost-Fußschalter. Fest eingestellt bekommen die Präsenzen einen 12 dB-Tritt für mehr Zerre in den Höhen. Drückt man den Shape-Shifter-Knopf, kommen nochmal 6 dB „Schmegilka“ oben drauf. Geddy-Lee- bzw. Rush-Fans werden sich erinnern, dass Geddy diesen Begriff schon im Zusammenhang mit seinem 1972er Jazz Bass nutzte, um dessen gewisses Etwas zu beschreiben, in Fachkreisen gerne auch als „Mojo“ bezeichnet.
MEHR GEDDY
Angeschlossen ist das Pedal schnell: Eingang rechts, Ausgang links. Neben dem Ausgang liegt der Anschluss für ein normales 9V-Netzteil, alternativ kann es auch mit Batterie betrieben werden. Die LED ist intelligent geschaltet und soll mit drei Farben zeigen, was Sache ist. Blau leuchtet sie, wenn das MP40 an ist, violett signalisiert, dass MP40 und der Boost aktiv sind. Im normalen Bypass ist die LED aus, während sie in Rot anzeigt, dass das Pedal im Bypass, der Boost aber aktiviert ist. Eine nützliche Vorwarnung, da der Boost alleine nicht nutzbar ist, aber schon mal unabhängig aktiviert werden kann. Während der Farbwechsel „Aus/Rot“ oder „Aus/Blau“ tadellos funktioniert, ist das violette Leuchten vielmehr ein kleiner roter Punkt im Blau. Ablesbar ist es immerhin trotzdem.
In der knappen, aber ausreichenden Anleitung sind, wie von Tech 21 gewohnt, Einstellvorschläge aufgeführt. Also legen wir doch mal mit Geddy Lees persönlicher Einstellung los. Parbleu! Es klingt nach … Geddy! Womit das Wichtigste schon mal festgestellt wäre.
Leider kann ich dadurch nicht automatisch auch so spielen wie er, was mir Gelegenheit gibt, das Pedal systematischer zu erforschen. Fangen wir mal mit der reinen Deep-Einstellung an. Wo bei vielen Pedalen der cleane Basston (oft mit Low-Pass beschnitten) zugemischt wird, hat Geddy hier seine Soundvorstellung fest einbauen lassen. „Deep“ trifft den fetten, tragenden Ton durchaus, über den zurückgenommenen Mitten gibt es aber auch noch feine Höhen, was in der Summe auch einen edlen Slap-Ton ergibt.
Die Drive-Seite kann ebenfalls solo bestehen und muss nicht automatisch zerren. Der Drive-Regler hat, abhängig vom Output des gewählten Basses, eine große Bandbreite von clean über leichtes Kratzen bis zu ordentlich Distortion. Dabei ist nicht nur Drive für die Gain-Regelung zuständig. Das Geheimnis ist der Mid-Knopf, der erheblichen Einfluss auf die Gain-Struktur hat und eine Palette von dezent zurückhaltenden bis ober-aggressiv fauchenden Sounds bereitstellt – immer in Kombination mit dem Drive, versteht sich. Low und High kümmern sich dagegen „nur“ um die weitere Abstimmung des Sounds.
Hinter „Tight“ verbirgt sich nichts anderes als ein recht radikaler Low-Cut, der den Drive-Sound noch trockener und definierter macht. Damit es dabei nicht dünn wird, kann ja einerseits der cleane Deep-Bereich zugemischt werden, andererseits darf auch Low voll aufgedreht werden, der für ordentlichen Punch sorgt. Am anderen Ende des Spektrums arbeitet der Boost, den das YYZ-Pedal nicht zu bieten hat. Und der ist wirklich genial! Ich war vorher etwas skeptisch, weil der Boost nicht geregelt werden kann. Wenn das vom Lautstärkezuwachs dem entspricht, was man sich vorstellt, ist ja alles gut, aber wenn nicht …?
Der Witz beim MP40 ist, dass die Lautstärke kaum zulegt, sondern nur die Verzerrung in den Höhen deutlich zunimmt. Da geht richtig die Post ab, es faucht und schreit, ohne drüber zu sein und unangenehm zu werden – und ohne, dass der Ton aus den Fugen gerät. Das Pedal hängt immer präzise am Bass und lässt dessen Eigenklang auch bei krasser Zerre weiterhin durchkommen. Für den amtlichen Geddy-Ton hilft es, sich eines Jazz Basses oder eines Ricks zu bemächtigen. Und das Schmegilka? Wenn die Bezeichnung „Shape Shifter“ auch suggeriert, hier würde der Charakter radikal verändert, wird er dem zum Glück nicht gerecht. Stattdessen erweitert er den Boost um mehr Hochmitten, also tiefer ansetzend als der normale Booster. Das wird dann auch lauter und im Band-Kontext durchdringender, bleibt aber praxisgerecht einsetzbar.
Lasse ich den Extraschub weg, kann ich mir mit dem MP40 wunderbar zwei Sounds basteln, die gleichwertig funktionieren – etwas, was ich z.B. mit dem Tech 21 DP-3X nie hinbekomme. Mit Drive im Grenzbereich wird der Ton schön angeraut und fügt sich bestens in den Rockband-Kontext ein, der Booster gibt ihm dazu den entscheidenden Schubs in die hör- und wahrnehmbare Zerre. Grandios! Auch wenn das Pedal keinen XLR-Ausgang hat und keine Speaker-Simulation erwähnt wird, funktioniert das MP40 auch ohne großartige Anpassung der Höhen direkt ins Pult oder Interface. Schließlich ist es immer noch ein SansAmp …
(Bild: Dieter Stork)
RESÜMEE
Ein fantastisches Pedal hat Tech 21 da mal wieder gezaubert! Ein würdiges Gerät zur Feier eines nach wie vor einflussreichen und erfolgreichen Albums, das mit seinen Sound-Möglichkeiten Geddy-Fans garantiert ein breites Grinsen ins Gesicht zaubern wird. Und nicht nur denen, denn ausgehend von den akkuraten Einstellvorschlägen sind natürlich auch Eigenkreationen auf höchstem Niveau möglich: interaktiv mit dem angeschlossenen Bass wie auch mit den Reglern untereinander – dynamisch, durchsetzungsstark. Das Grinsen könnte einem etwas vergehen, wenn man auf das Preisschild guckt. Zwar bietet das MP40 gegenüber dem YYZ neben dem Reiz des Limitierten auch real nutzbare Zusatzfeatures, aber ob die einen Aufpreis von aktuell € 100 rechtfertigen? Das muss jede/r mit sich ausmachen. Ich gebe zu, ich bin schon arg versucht, das Pedal unauffällig in meiner Sammlung verschwinden zu lassen …
PLUS
● Sound
● Booster
● „Schmegilka“
● stabile Bauweise
● Nebengeräuschverhalten
● Einstellvorschläge in der Anleitung
(erschienen in Gitarre & Bass 09/2022)