In der heutigen Folge des Blues Bootcamps wird es um Akkordbegleitungen gehen – endlich. Endlich Akkorde!
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Diese Variante geht zwar etwas vom traditionellen Sound weg in die Richtung leicht jazziger Klänge, aber wenn man den Style von so populären Gitarristen wie Larry Carlton, Robben Ford, Greg Koch, Guthrie Trapp oder Josh Smith adaptieren möchte, ist diese Episode genau der richtige Einstieg.
Zwei Komponenten spielen in dieser Folge eine Rolle: die verwendeten Akkord-Voicings und verschiedene Basisrhythmen, die man dann nach Belieben miteinander kombinieren kann.
Vorab: In meiner Welt gibt es nur drei unterschiedliche Akkordtypen. Dur-, Moll- und Dominant-Typ-Akkorde. Zur ersten Gruppe gehören Akkorde wie Dur, Dur6, Major-7, Major-9, Sus-Dreiklänge etc. Gruppe zwei enthält alle möglichen Mollakkorde wie Moll, Moll-6, Moll-7, Moll-9 und so weiter. In die dritte Kategorie fallen bei mir alle anderen Akkorde. Also einerseits natürlich alle Dominantseptakkorde wie Dom7, Dom9, Dom11, alterierte Dominant-7-Akkorde, aber auch halbverminderte Akkorde, verminderte und übermäßige Dreiklänge usw. Dur- und Molltypakkorde haben in meiner Wahrnehmung eher einen statischen, in sich ruhenden Sound, während alle anderen Akkorde über eine gewisse Dynamik, eine Art Bewegungsdrang verfügen, der sie dann in der Regel hin zu einem Dur- oder Mollakkord bewegt. Dabei ist es übrigens unerheblich, um welches Modell einer Akkordgruppe es sich handelt. Die unterschiedlichen Akkorde einer jeweiligen Gruppe besitzen immer die gleiche Funktion, lediglich die Klangfarbe ist unterschiedlich.
Im Blues sind bislang in dieser Serie ausschließlich Dominant-Septakkorde aufgetaucht. Dies wird sich auch diesmal nicht ändern. Lediglich die Klangfarbe ändert sich von Voicing zu Voicing und wird zusehends jazziger. Aber egal ob Dom7, Dom9, 11er oder Dom13 – sie sind und bleiben Vertreter dieser Akkordfamilie.
Um die ganze Angelegenheit überschaubar zu halten, gibt es jetzt nur jeweils zwei Voicings pro Akkordtyp. Eins mit dem Grundton auf der tiefen E-Saite, eines mit dem Grundton auf der A-Saite. Damit kommt man schon recht weit. Die Dom7-Akkorde haben eine Art Basissound, Dom9-Akkorde kennt man auch aus dem Funk, Dom11 verbreiten einen eher Fusion-artigen Sound à la Carlton und Konsorten. Die Dom13-Akkorde klingen von allen am jazzigsten. Unter Beispiel 1 siehst du die Voicings.
Zum A7 mit dem Grundton auf der E-Saite sei vielleicht angemerkt, dass ich bei diesem Akkord in der Regel den Grundton mit dem Daumen spiele, die anderen Saiten mit einem kleinen Barrée-Griff, um dann auf der G-Saite ein Hammer-On mit dem Mittelfinger von C auf C# zu spielen. Beim A9 mit dem Grundton auf der E-Saite spiele ich aus klanglichen Gründen in der Regel den Grundton NICHT, oder höchstens auf der hohen E-Saite. „Aber Moment mal … ist das dann nicht ein … äh … dieser Horrorakkord ….. C#m7b5 oder C#-Halbvermindert, oder so? Bei dem ich jedes Mal zusammenzucke, wenn ich den irgendwo sehe?“ Röchtög!!! Das nennt man Upper Structure Chords. Mein Lieblingsthema. Erkläre ich hier vielleicht auch nochmal irgendwann…
In Beispiel 2 findest du nun populäre Rhythmus-Patterns. Der Rest ist einfach und funktioniert ein bisschen wie ein Baukasten. Level eins wäre, sich je ein Voicing und ein Pattern auszusuchen, diese miteinander zu kombinieren und durch die Bluesform zu spielen, indem man die Akkorde an die richtige Stelle rückt. Level zwei: derselbe Rhythmus, ein anderes Voicing, damit einem die unterschiedlichen Klangfarben der Akkorde vertraut werden.
Etwas fortgeschrittener wäre, den Rhythmus beizubehalten, aber zu versuchen, in einer Griffbrettregion zu bleiben oder mal die Akkordtypen zu mixen. Alle Voicings mit dem ersten Groove durchgespielt? Prima, dann jetzt einen anderen Groove nehmen und von vorne! Ein Wort zum Rhythmus: Die tatsächliche Notenlänge wird ja durch Verweilen der linken Hand auf den Saiten kontrolliert. Nimmt man den Druck weg, verschwindet auch der Klang. Ich finde wichtig, die Viertelnoten nicht zu kurz zu spielen, sonst droht recht schnell ein Marschmusik-Sound. Was die rechte Hand betrifft: man kann natürlich mit dem Pick anschlagen – muss aber nicht, und wenn, dann bitte nicht zu hart. Harte Anschläge bedeuten bei vielen interessanterweise auch direkt eher kürzere Notenlängen. Wollen wir nicht! Ich würde empfehlen, entweder mit dem Daumen, mit HybridPicking oder direkt nur mit den Fingern zu spielen – das klingt eigentlich am besten.
Im kompletten Chorus, der auf der Charleston-Rhythmik basiert, gibt es ein paar erwähnenswerte Aspekte: Die Akkordfolge hat sich geringfügig verändert. In Takt zwei und im Turnaround wird ein D7 eingebaut, um etwas mehr harmonische Bewegung zu erlagen. Dies wird „Quick Change“ genannt. Außerdem nähere ich mich bei den Akkordwechseln dem neuen Akkord manchmal mit einem sogenannten „Approach Chord“, der entweder einen Halbton über oder unter dem Zielakkord liegt. Einfacher Trick, klingt aber gut.
Darüber hinaus habe ich einige der Voicings eingebaut. Wenn man die jeweils höchsten Noten der Akkorde genau betrachtet, fällt auf, dass sich in manchen Passagen ganz hübsche kleine Melodien ergeben oder durch gleichbleibende Töne die unterschiedlichen Akkorde etwas miteinander verbunden werden. Dies wird „Common Tone“- Konzept genannt und ist eine meiner absoluten Lieblingsideen für geschmackvolle Rhythmusgitarren.
Was man bei dem Soundfile zu diesem Workshop vielleicht nicht so deutlich hört ist, dass ich – wann immer möglich – auf den Zählzeiten 2 und 4 mit der rechten Hand einen leisen, perkussiven Schlag auf die Saiten ausführe (Slap). Ist so eine Angewohnheit von mir, genau wie das häufige Spielen von kaum hörbaren, aber für den Groove wichtigen Ghostnotes. Das sind die Töne, die in Klammern stehen. Die muss man nicht spielen, sie fühlen sich aber gut an. Habe ich noch etwas vergessen? Ach ja … Blues Bootcamp! Alles in den sechs Tonarten! Stay blue!
(Die Noten können durch Anklicken vergrößert werden!)
Ein paar Beispiele aus den ersten drei Blues-Bootcamp-Episoden langsam gespielt und ein bisschen erklärt: