Unbekannte Helden

Greg Townson: Gitarre auf Reisen

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(Bild: Hi-Tide Recordings)

Konsequenz ist eine der wichtigsten Eigenschaften, die man als Musiker in heutigen Zeiten haben muss. Dem amerikanischen Gitarristen und Sänger Greg Townson war das schon früh klar: „Ich bin mit 15 das erste Mal aufgetreten. Es war die Zeit von Punk und New Wave, und wir haben eine kleine Band zusammengestellt. Ich habe sofort angefangen, zu arbeiten, als ich noch sehr jung war. Die Musik stand immer an erster Stelle. Das war vielleicht nicht sehr schlau von mir, aber weißt du was? Bis heute hat es funktioniert!“

Was als Teenager begann, führte zu einer spannenden Karriere: Gigs mit Bo Diddley und Pee Wee Ellis, Touren in Europa und den USA und eine lange Liste an Veröffentlichungen mit den Hi-Risers, Los Straitjackets und als Solokünstler. Genug Gründe, um den Mann in einem Workshop vorzustellen.

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LEBEN

Statt in einer Musikmetropole wie Los Angeles, Nashville oder London wurde Greg 1964 in Rochester im Staat New York geboren. Er wuchs dort auf und lebt bis heute dort: „Das ist ein ziemlich guter Ort für einen Musiker, in ein paar Stunden kannst du sehr viele Städte erreichen.“ Sein musikalisches Interesse wurde schon früh geweckt: „Eine Gitarre hörte ich zuerst auf einer Chet-Atkins-Platte, die mein Vater besaß. Neben uns wohnte eine Familie mit fünf Kindern, die hatten alle möglichen coolen Platten: Beatles, Stones und viel Blues. Das war mein Einstieg in die Musikwelt.“ Mit 13 absolvierte Greg einen Gitarrenkurs in der Schule: „Das war so ein Lagerfeuer-Kurs. Es fiel mir sehr leicht und es war das erste Mal, das ich der Beste in einem Fach war (lacht). Später habe ich noch Unterricht bei ein paar Gitarristen in Rochester genommen, aber ich war kein guter Schüler. Ich musste es selbst lernen, nach Gehör. Die Theorie kam später dazu, der akademische Weg war nichts für mich.“

Mit 15 gründete Greg seine erste Band und begann, als Musiker zu arbeiten: „Ich hatte einen Nebenjob in einem Plattenladen, aber das Musikmachen stand immer an erster Stelle“ Nach Jahren als Sideman gründete er 1998 die Hi-Risers, ein Roots-Rocktrio, und lebt seitdem hauptsächlich von seiner eigenen Musik: „Ich mache ab und zu Recording-Sessions und arbeite auch mal als Sideman, aber der Großteil meines Einkommens kommt von meinen Platten, den Hi-Risers und Los Straitjackets.“

Bei der letztgenannten Band ist Greg seit 2010 Mitglied: „Wir waren vorher schon Freunde. Die Hi-Risers hatten auf Eddie Angels (Gitarrist der Straitjackets) Label Platten veröffentlicht, unser Drummer spielte bei ihnen. Als ihr Original-Gitarrist Danny Amis krank wurde und nicht mehr auf Tour gehen konnte, fragten sie mich, und ich sagte einfach: ‘Ja, ich mache was ihr wollt und braucht.’ Los Straitjackets sind jetzt mein Hauptjob. Wenn etwas ansteht, lege ich die anderen Sachen zur Seite. Wenn wir nichts tun, arbeite ich an Solosachen, spiele Shows. Ich mag es, sehr hart zu arbeiten. Ich bin zurzeit Single, also arbeite ich bis zu 12 Stunden am Tag. Manchmal muss ich mich zwingen, mal etwas anderes zu machen, ein Buch zu lesen oder so, bevor es zu einseitig wird.“

TRAVELIN‘ GUITAR

Man kann den Stil von Greg Townson ungefiltert auf seinen instrumentalen ‘Travelin‘ Guitar’-Platten hören. Greg kombiniert klassische Rock‘n‘Roll-Licks mit Surf- und Twang-Elementen, New-Wave-Energie und cleverem Songwriting. Ihren Anfang nahm die Serie nach dem Einstieg bei Los Straitjackets: „Mir fiel auf, dass die anderen ihre eigenen Alben auf dem Merch-Tisch liegen hatten, und ich dachte, sowas sollte ich wohl auch machen (lacht). Das Reisethema kam zustande, weil viel auf Tour bin, aber es ist ziemlich locker gehalten. Zuerst habe ich nach Coversongs geschaut, die passen, aber ich sehe mich hauptsächlich als Songwriter und so habe ich angefangen, Sachen für die Platten zu schreiben.“

Im Fokus steht dabei immer die Melodie: „Als Songwriter suche ich Melodien, die ich quasi auf der Gitarre singen kann. Und schöne Akkordfolgen, über die ich solieren kann.“ Vom Stil orientieren sich die Alben an den Fifties und Sixties, aber Greg covert auch Kraftwerk, The Smiths und den Pre-Disco-Klassiker Venus. „Ich liebe die Melodie von ‘Computerliebe’. Sie ist unglaublich gut und ich dachte, es wäre toll, dieses steife Computer-Ding in einer Zwei-Gitarren-Ventures-Version zu spielen. ‚There Is A Light That Never Goes Out‘ habe ich mal für eine Tour von Los Straitjackets in Mexiko arrangiert, aber wir haben es nie verwendet. Meine erste Freundin war ein großer Smiths-Fan, von daher musste ich die Band mögen.“

‚Off & Running‘, die dritte Platte in der Serie, enthält nur Songs, die von Frauen komponiert wurden: „Ich fing an mit ,The Locomotion‘, dann ,Out In The Streets‘ und schließlich ,Action Line‘, und mir fiel auf, dass all die Songs von Frauen komponiert wurden. Ich dachte, das könnte ein Konzept sein und machte eine Liste in fünf Minuten… Ich bin eher zufällig darüber gestolpert, aber ich fand es cool, dass alle diese Songs aus den späten 50s und 60s von Frauen komponiert wurden. Das erwartet man nicht, aber so kann man sie etwas ins Rampenlicht bringen. Ich glaube, es gab schon damals viele Gitarristinnen, aber sie haben es nicht als Karriere gesehen. Heute gibt es mehr Frauen, die Gitarre spielen und ich hoffe, es werden noch mehr!“

Bis jetzt ist ‚Travelin‘ Guitar‘ ein reines Studio-Projekt. Greg versucht, das richtige Tempo und die Tonart zu finden, arrangiert die Songmelodie und spielt sie zu einem Click ein. Anschließend kommt Bassist Todd Bradley dazu und am Ende die Drums sowie Gäste. „Ich habe ein kleines Studio in meinem Haus und alle meine Freunde können zuhause gute Sounds hinkriegen. Ich versuche, ihnen eine Art Skizze zu liefern und dann kann jeder seine Persönlichkeit und Ideen einbringen. Ich diktiere nichts, aber habe eine grundlegende Idee.“

PHILOSOPHIE

Trotz der klassischen Verwurzelung ist es dem Mann aus Rochester sehr wichtig, sein eigenes Ding zu machen: „Ich liebe Vielfalt und sehe das als Stärke an, aber es ist schwerer zu vermarkten. Manche Leute können nur mit Teilen der Platten etwas anfangen. Ich versuche, mich auf die 50s und 60s zu beschränken, mit ein paar Elementen aus den späten Siebzigern und frühen Achtzigern, weil ich zu der Zeit aufgewachsen bin. Ich liebe z.B. Dick Dale, aber am Ende hat er genau ein Ding gemacht, die ganze Zeit, und das ist nichts für mich. Ich sehe mich auch nicht als Retro an, obwohl ich mich nach 1984 nicht mehr besonders für zeitgemäße Musik interessiert habe. Ich habe mich für die 30er, 40er und 50er begeistert, aber ich bin trotzdem von heute. Für mich kommt die Musik an erster Stelle. Ich versuche nicht, die Vergangenheit wiederzubeleben. Ich mache das, was ich mache. Es geht nicht um einen Lifestyle. Ich bin eher eine Summe aus diesen ganzen Elementen.“

EQUIPMENT

Was die Werkzeuge angeht, mag Greg es simpel: „Das ist Teil meines Konzepts, ich war nie ein großer Pedal-Fan. Ich mag etwas Slapback von einem MXR Analog Delay aus den 70ern und nutze manchmal ein Pedal, das einen Magnatone-Amp simuliert, weil ich mir keinen leisten kann.“

1971 Fender Telecaster & Fender Deluxe Reverb (Bild: Greg Townson)

Gregs Hauptgitarren sind eine 1971er Telecaster und eine 1966er Jazzmaster. „Die habe ich schon ewig und damals für 150 Dollar gekauft. Die Jazzmaster ist gut für die melodischen Sachen, die Tele für Rhythmus und die etwas dreckigeren Leadparts.“ Mehr Abwechslung gibt es bei den Amps. Gregs Hauptamp ist ein alter Fender Deluxe Reverb. Dazu kommen ein Fender Princeton mit Reverb Unit, ein Vox AC15, eine Ampeg Reverb Rocket , ein Gibson GA-20 aus den Fünfzigern und ein Alamao-Amp: „Der kann nur eine Sache, diesen Link-Wray-Sound und für die Rock‘n‘Roll-Songs drehe ich ihn einfach weit auf.“ Aufgenommen werden die Amps mit einem dynamischen und einem Bändchenmikrofon. Parallel läuft das Signal noch über eine Motown-DI-Box, damit bei Bedarf Re-Amping möglich ist. Das Engineering erledigt Greg selbst: „Manchmal hätte ich gerne mehr Equipment, aber auf der anderen Seite mag ich es, das Beste aus dem herauszuholen, was ich habe.

1966 Fender Jazzmaster & Fender Princeton plus Reverb Unit (Bild: Greg Townson)

PLAY IT!

Zum Nachspielen gibt es ein paar Licks von Gregs Platten. Beispiel 1 zeigt das Intro und erste Thema vom Song ,Travelin‘ Guitar‘. Verwendet werden Dreiklänge auf den oberen drei Saiten und eine Melodie im tiefen Register. Let‘s Twang!

Beispiel 2 ist eine lustige Bearbeitung des Shocking-Blue-Songs ‚Venus‘, der in den 80ern von Banarama gecovert wurde. Mit einer geschickten Mischung aus Double Stops, Bendings und Leersaiten haucht Greg der Melodie instrumentales Leben ein.

Ein simples Rock‘n‘Roll-Lick siehst du in Beispiel 3. Im Song ,Speed Bump‘ wird es über eine Blues-Form gespielt. In Beispiel 4 lässt der Rockabilly grüßen. Auf die Frage aus ein paar Double Stops antwortet im Original ein Saxophon, das ich hier mit einer oktavierten Fuzzgitarre simuliere. Die Double Stops klingen am besten mit Downstrokes. Starker Whammy-Bar-Einsatz verleiht dem Double Stop auf die 2+ die titelgemäße Note, ein Bigsby oder Jazzmaster-Vibrato wäre die richtige Wahl. Viel Spaß mit den Licks!

(Die Noten können durch Anklicken vergrößert werden!)

(erschienen in Gitarre & Bass 08/2022)

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