Der Bluesrock-Gitarrist und Sänger Danny Bryant orientiert sich nicht nur an den Urvätern wie B.B., Albert und Freddie King, sondern mischt seinem Stil auch Einflüsse von Eric Clapton, Mick Taylor oder Rory Gallagher bei. Seit exakt 20 Jahren veröffentlicht der 41-Jährige in regelmäßigen Abständen neue Alben und tourt mit ihnen schwerpunktmäßig durch Deutschland, Niederlande, Belgien, Schweiz und seine Heimat England.
Seit einigen Monaten steht sein aktuelles Werk ‚The Rage To Survive‘ in den Läden und erfreut sich überall positiver Resonanzen. Wir haben den freundlichen Briten bei einem Konzert in Dortmund besucht, dabei sein aktuelles Equipment begutachtet und ihn anschließend zu Album und Instrumentarium befragt.
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Danny, kannst du bitte kurz erklären, welches für dich generell die ersten Schritte eines neuen Albums sind?
Wenn ich angefangen habe, Songs für eine neue Scheibe zu schreiben, entscheiden die drei besten der ersten fünf Songs, in welche Richtung das Album gehen soll. Denn dann habe ich ein Thema, an dem ich mich orientieren kann.
Ein textliches oder ein musikalisches Thema?
Ein textliches. Eigentlich wollte ich gerade kein pandemisches Album schreiben, da ja damit zu rechnen war, dass es alle machen würden. Doch dann waren ‚The Rage To Survive‘ und ‚Invisible Me‘ meine zwei ersten Songs, und ausgerechnet die handeln von einer wie leer gefegten Straße, auf der man feststellt, dass man ziemlich allein ist. Deshalb wurde ‚The Rage To Survive‘ dann doch ein pandemisches Werk.
Zu welcher Tageszeit bist du am kreativsten? Hast du ein Homestudio, in dem du jederzeit arbeiten kannst?
Mein Studio ist im Grunde genommen mein Handy. Oder ich schreibe meine Ideen auf ein kleines Stück Papier.
Worte oder auch Noten?
Beides, Worte und Noten beziehungsweise Akkorde. Oder ich singe die Melodie in mein Handy, um sie nicht wieder zu vergessen. Allerdings: Wenn eine Melodie wirklich gut ist, behalte ich sie auch ohne die Handy-Aufnahme im Kopf. Daher muss ich mir nie Sorgen machen, dass eine gute Idee verloren geht. Um auf deine vorherige Frage zurückzukommen: Ich schreibe am liebsten zuhause und tagsüber.
Musikmachen ist mein Job, und wenn ich nicht auf Tournee bin, dann kümmere ich mich halt um alle anderen notwendigen Dinge, zu denen auch das Komponieren gehört. Es kommt allerdings durchaus vor, dass ich müde bin und eigentlich schlafen möchte, mein Gehirn mir aber irgendetwas erzählt, was mich zwingt, wieder aufzustehen und an dieser Idee zu arbeiten. Oft passiert so etwas monatelang gar nicht, doch wenn dieser Prozess erst einmal begonnen hat, wiederholt er sich für lange Zeit. Es hat also seine guten und weniger guten Seiten.
(Bild: Matthias Mineur)
Sind deine Alben immer eine direkte Reaktion auf die vorherige Scheibe? Oder suchst du jedes Mal einen völlig neuen Ansatz?
Wenn ich eine Zeit lang nicht komponiert habe, dann gibt es die Gefahr nicht, dass ich mich wiederhole. Hätte ich direkt nach den Aufnahmen zu ‚The Rage To Survive‘ weitere Songs geschrieben, wäre das Ergebnis garantiert wie ‚The Rage To Survive II‘ gewesen. Aber wenn ich eine Pause mache, klingen die neuen Ideen völlig anders als die vorherigen. Natürlich muss man trotzdem immer darauf achten, dass man sich nicht wiederholt. Andererseits muss man sich darüber im Klaren sein, dass man als Bluesmusiker einen eigenen Stil haben sollte. Insofern suche ich immer den goldenen Mittelweg: Ich versuche, Wiederholungen zu vermeiden, ändere aber nur dann etwas, wenn es wirklich notwendig ist.
Ist dies ein bewusster oder eher intuitiver Vorgang?
Beides, es ändert sich ständig. Mal fällt es mir schwerer, dann aber auch wieder leichter. Irgendwann bemerkt man, dass man als Komponist eigentlich alle Freiheiten genießt. Und wenn dann doch einmal eine neue Nummer allzu große Ähnlichkeiten mit einer vorherigen hat, dann wird sie halt nicht veröffentlicht. Alben sind ja keine Live-Konzerte, sondern konzentrierte Studioarbeit, bei der man Dinge genau analysieren kann. Das Problem eines neuen Albums ist nicht die fehlende Freiheit, sondern die Suche nach einem spannenden Ansatz. Und diese Suche beginne ich exakt dann, wenn die Plattenfirma sich bei mir meldet und erklärt: „In circa fünf bis sechs Monaten hätten wir gerne ein neues Album von dir!“ Mir hilft eine solche Aufforderung, denn ich brauche einen konkreten Grund, um Songs zu schreiben. Natürlich gibt es auch Nummern, die von ganz allein entstehen. Oft sind dies sogar die besten Songs. Aber generell brauche ich einen konkreten Anlass, um kreativ zu sein.
Kommen wir zu deinen Instrumenten: Sind die Gitarren, die du heute Abend im Gepäck hast, auch deine erste Wahl im Studio?
Nein, nicht zwangsläufig. Im Studio habe ich diesmal meine 61er Fender Custom Shop Strat gespielt, die von John Cruz gebaut wurde und in den zurückliegenden zehn Jahren bereits fünfmal auf Flügen verlorengegangen ist. Das vorläufig letzte Mal nach einer Show in Baden Baden im Januar 2022, sie war volle elf Tage lang verschollen. Die Gitarre hat 5000 Euro gekostet und ist schon seit 18 Jahren in meinem Besitz. Deswegen weiß ich noch nicht, ob ich sie jemals wieder mit auf Tournee nehme. Als Ersatz habe ich normalerweise eine 59er Custom Shop Strat. Sie ist der Fender Player Strat sehr ähnlich, die ich heute dabeihabe. Hinzu kommen eine Gibson Les Paul Gold Top und eine Gibson Firebird.
Bild: Matthias Mineur
Fender Player Stratocaster mit Fender New Player Single Coils
Bild: Matthias Mineur
Der Prototyp des Fret-King-Corona-Danny-Bryant-Signature-Modells
Bild: Matthias Mineur
Seine neueste Errungenschaft: eine Gibson SG Special mit P-90s.
Mit welcher Art von Gitarre hast du als junger Musiker angefangen?
Ich war immer schon ein Strat-Spieler, obwohl ich auch die Les Paul und die Firebird besitze. In der Plattensammlung meiner Eltern gab es viele Scheiben von Rory Gallagher, Eric Clapton und Jimi Hendrix, allesamt Strat-Spieler. Später freundete ich mich mit Walter Trout an, meinem heutigen Mentor, er ist wie ein zweiter Vater für mich und spielt ebenso Stratocaster. Strats sind halt absolut vielseitig und leicht zu spielen. Mit Gibson-Gitarren ist dies etwas anderes, mit ihnen muss man kämpfen. Außerdem ist das Tuning bei Gibsons nie ganz unproblematisch. Ich besitze außerdem noch eine Telecaster und eine Martin-Akustikgitarre.
Woher stammt die eben erwähnte Fender Player Strat?
Ich habe sie vor ein paar Monaten in einem Shop in Leeds gekauft. Ich flog zu einer Show und hatte am Flughafen drei Stunden Aufenthalt. Also ging ich in einen Musikshop, zeigte dem Besitzer meine 61er Fender Custom Shop Strat und sagte: „Schau mal, zu dieser Gitarre hätte ich gerne einen möglichst gleichwertigen Ersatz, der jedoch nur ein paar hundert Euro kosten soll. Ich brauche einen C-Shape-Hals, idealerweise mit Palisander-Griffbrett, alles andere ist mir egal.“ Der Verkäufer zeigte mir dann die Player Strat.
Die schwarze Strat ist dein Signature-Modell, nicht wahr?
Es ist der Prototyp meines Fret-King-Corona-Danny-Bryant-Signature-Modells und stammt von Trevor Wilkinson.
Ist sie kommerziell erfolgreich?
Wegen Covid ist die Gitarre derzeit nicht so einfach zu ordern, zumal in meinem Fall auch der Brexit dazu beiträgt, dass nicht alles jederzeit und überall verfügbar ist. Wegen Covid und Brexit konnte ich nicht wie gewohnt mit einem Nightliner auf Tournee gehen, da alles sehr streng kontrolliert und limitiert wird. Zum Glück ist mein Label ‚Jazzhaus‘ in Deutschland, so dass sie mir mein Merch direkt zu den Shows bringen. Ich lasse meine wichtigsten Gitarren hier, anstatt sie immer wieder mit nach England zu nehmen. Das ist auch der Grund, weshalb ich auf dieser Tour einen Peavey-Combo spiele. Eigentlich werde ich von Blackstar endorsed, aber aus genannten Gründen musste ich auf einen anderen Combo ausweichen und bekam diesen kleinen Peavey Classic 30, der wirklich großartig klingt.
Was sind aus deiner Sicht die größten Vorteile der Danny-Bryant-Signature?
Ich vergleiche mein Fret-King-Corona-DBR-Signature-Modell gerne mit einem Schweizer Taschenmesser, eine Art Allroundwaffe, die man für die unterschiedlichsten Dinge verwenden kann. Sie hat einen Double-Single-Coil in der Halsposition, so dass man einen Humbucker-Sound bekommen kann. In der mittleren Position gibt es einen normalen Single Coil, und an der Brücke hat sie einen P-90. Der Sound und die Flexibilität sind mit der Clapton-Strat und ihrem Mid-Boost vergleichbar, allerdings ohne eine aktive Schaltung. Wegen ihrer Flexibilität verkauft sich die Gitarre in England sehr gut.
Welche Holzsorten bevorzugst du?
Die Gitarre besteht aus Erle. Wenn du mich nach meinen optischen Vorlieben fragst, würde ich Ahorn-Griffbretter bevorzugen, aber in spielerischer Hinsicht wähle ich immer einen Ahorn-Hals mit einem Palisander-Griffbrett. In meinen Ohren klingt diese Kombination einfach wärmer. Ansonsten bin ich vergleichsweise anspruchslos. Ich mag einen C-Shape-Neck, aber im Grunde genommen nehme ich eine Gitarre in die Hand, und wenn sie zu mir spricht, ist alles in Ordnung. Ich habe dir ja vorhin von meiner 59er Fender Custom Shop erzählt. Ich würde sie für nichts in der Welt weggeben, sie hat immerhin 5000 Euro gekostet. Aber ich habe mit meiner Player Strat genauso viel Spaß, muss mir um sie aber keine Sorgen machen. Heutzutage bekommt man sehr gute Instrumente auch für einen geringeren Preis.
Wie etwa deine nagelneue Gibson SG, die du heute Morgen gekauft hast, wie mir dein Bühnenkollege Marc Raner vor ein paar Minuten verraten hat.
Das stimmt. Wir hielten heute Morgen in Frankfurt bei einem Instrumentenladen, weil ich ein paar Saiten kaufen wollte. Dort sah ich diese Gitarre und da ich schon seit langem den Gedanke hatte, eine SG zu kaufen, schlug ich zu. Sie hat nur 1000 Euro gekostet, inklusive Koffer, was wirklich nicht zu teuer ist. Sie hat lediglich einen kleinen Kratzer und gilt daher als B-Ware. Deshalb habe ich sie gleich mitgenommen.
Welche Saitenstärken bevorzugst du generell?
Über viele Jahre habe ich 11er-Sätze verwendet, aber da wir vor der Pandemie jedes Jahr etwa 100 Konzerte gegeben haben und ich merkte, dass meine Finger nach etwa zehn Shows müde wurden, bestückte ich zuerst eine meiner Gitarren mit 10er-Sätzen und spielte mit ihr zur Erholung zwei Songs pro Abend. Dabei stellte ich fest, dass es kaum klangliche Unterschiede zwischen 10er und 11er-Sätzen gibt. Daher bin ich komplett zu 10erSätzen gewechselt und habe seither keine Probleme mehr mit den Fingern. Die Antwort lautet also: D‘Addario EXL110, mit 0.10er auf 0.46er Saiten.
Auf der Bühne spielst du alle Songs in Standardtuning?
Ja, ausnahmslos.
Auf deinen Alben findet man aber auch Drop-Tunings, oder?
Im Studio mache ich das von Zeit zu Zeit, weil es entweder für den Gesang oder für den Sound besser ist. Ich muss hinzufügen, dass ich im Studio mitunter auch dickere Saiten aufziehe, obwohl ich soeben behauptet habe, dass dies klanglich keinen Unterschied macht. Wenn man über einen Fender-Combo spielt, 11er Saiten aufzieht und den Sound etwas Bass-lastiger fährt, beginnt der Amp wunderbar zu schnurren. Im Studio kann man die Einstellungen ja permanent ändern, auf Tournee geht so etwas nicht.
Mit welchem Pickup spielst du die Rhythmusgitarren, mit welchem die Soli?
Ich mag es, wenn sich im Solo der Bridge-Pickup super durchsetzt. Die Rhythmusgitarren nehme ich meistens in der Mittelposition auf. Denn in dieser Position bekommt man einen schneidenden Ton, der jedoch nicht übermäßig aggressiv, sondern wunderbar perkussiv klingt.
Wie viele Spuren nimmst du im Studio pro Song auf?
Früher habe ich immer mehrere Spuren übereinander geschichtet, aber auf den letzten Alben haben wir die Songs fast live eingespielt und lediglich den Leadgesang anschließend hinzugefügt.
Also alle Mann im gleichen Raum?
Ja. Mitunter sind auch die Soli bereits Teil des Live-Recordings, anschließend dopple ich einfach nur die Rhythmusgitarre. Manchmal behalten wir sogar den Pilotgesang, wenn er keine Fehler und einen guten Vibe hat. Wegen möglicher Übersprechungen singe ich zwar in einer abgetrennten Kabine, kann aber die gesamte Band sehen und fühle mich daher mittendrin. Der Album-Opener ‚The Rage To Survive‘ ist ein kompletter first take, lediglich das Solo habe ich anschließend als Overdub gespielt.
Wie findest du in dieser Live-im-Studio-Situation das perfekte Tempo für eine Nummer? Immerhin ein nicht unbedeutender Aspekt bei einer Albumproduktion.
Ehrlich gesagt verlasse ich mich auf meinen Schlagzeuger Dave Raeburn. Ich erkläre ihm den Song, stampfe mit dem Fuß dazu, und er sagt dann: „Gutes Tempo, passt so!“ Oder er sagt: „Das Stück könnte ein paar BPM mehr vertragen!“ Oder aber: „Es klingt etwas gehetzt, wir sollten es ein paar BPM langsamer versuchen.“ Dave hat ein intuitives Gespür, wann ein Song am besten groovt.
Ihr nehmt jeden Song also in unterschiedlichen Tempi auf und entscheidet dann, welches Tempo für die Nummer optimal ist?
Exakt. Wir spielen es und überlegen dann, ob es ein oder zwei BPM langsamer oder schneller gespielt werden könnte. Dave fragt mich, mit welchem Tempo ich mich am wohlsten fühle, denn es muss natürlich vor allem zum Gesang passen. Den Song ‚The Rage To Survive‘ spielen wir auf der Tour übrigens zwei Bpm langsamer als auf dem Album. Wir haben es zuerst im Originaltempo versucht, aber es fühlte sich zu hektisch an, also haben wir das Tempo ein wenig gedrosselt. Das Publikum bekommt davon meistens gar nichts mit, wenn wir das Tempo Stück für Stück verlangsamen, bis wir uns im richtigen Groove fühlen.
Beeinflusst dich die jeweilige Gitarre auch beim Songwriting?
Ja, natürlich. Unterschiedliche Gitarrentypen fördern unterschiedliche Ideen zutage. Wenn du mir eine Gibson in die Hand gibst, spiele ich garantiert einen anderen Stil als mit einer Stratocaster. Im Studio ist so etwas auch eine Soundfrage. Wenn ich ein Solo mit einer meiner Strats gespielt habe, nehme ich für die Rhythmus-Gitarre lieber eine Gibson. Und umgekehrt. Sie ergänzen sich im Mix perfekt.
Es sind halt unterschiedliche Klangfarben! Gutes Stichwort!
Ich stelle mir die Sounds tatsächlich wie Farben vor. Es ist wie beim Malen, wenn man denkt: Das Bild könnte noch etwas Grün vertragen. Für mich ist dann die Les Paul die grüne Farbe, also brauche ich noch eine rote Gitarre, um sie zu mischen.
Zieht sich diese übertragene Farbenlehre durch deine gesamte Karriere? Oder hat sich im Laufe der Jahre etwas an deiner visuellen Vorstellung geändert?
Vor ein paar Monaten hat meine frühere Plattenfirma ein Best-Of-Album veröffentlicht. Auf dieser Scheibe gibt es ein paar Nummern, in denen ich mich selbst nicht wiedererkenne. Nicht etwa, weil sie schlecht klingen oder mir nicht gefallen, aber ich denke, dass ich vieles von dem, was ich früher komponiert habe, nicht wirklich verstanden habe oder es nicht wirklich wichtig für mich war. Heute dagegen sind mir alle meine Themen wichtig. Außerdem habe ich mich früher stilistisch sehr auf Freddie, Albert oder B.B. King bezogen. Heute dagegen lasse ich mich nicht nur von den alten Bluesmeistern inspirieren. Die neuen Einflüsse wirken sich natürlich auch auf meinen Stil aus.
Ich denke, dass viele junge Musiker viel zu schnell nach einem eigenen Stil streben, anstatt von den alten Meistern lernen zu wollen. Wenn man beispielsweise ein B.B.-King- mit einem Eric-Clapton-Lick mischt, wird daraus möglicherweise ein eigener Stil. Man darf sich keine Sorgen machen, dass man seinen eigenen Stil nicht findet – dann kommt er von ganz allein.
Danke Danny, für das nette Gespräch, und alles Gute für die Zukunft!