(Bild: Dieter Stork)
Nach über 40 Jahren und zwölf Studioalben – im September erscheint das nächste – ist King’s X immer ein Geheimtipp geblieben. Dennoch ist die Fanbase durchaus ansehnlich, und gerade in Kreisen, in denen 12-Saiter-Bässe geschätzt werden, gehört Doug Pinnick schon immer zu den „household names“. Seinen jüngsten Zwölfer hat ihm Schecter auf den Leib geschneidert.
Auch wenn Doug, der, wie man an der Einlage sieht, auch unter dUg firmiert, Bassist ist: Seine Vorstellung davon, wie man auf der Bühne cool aussieht, wurde maßgeblich von Jimmy Page geprägt. So tief hängend wie irgend möglich liegt die Les Paul Form da nahe.
MASSE UND KLASSE
Der kompakte Body ist aus Mahagoni und perfekt in Mattschwarz lackiert. Shapings geben ihm Kontur, ein Mindestmaß an Bequemlichkeit und guten Zugang zu den hohen Lagen. Fünffach verschraubt und tief eingesetzt findet der Hals festen Halt in der akkuraten Halstasche. Der besteht laut Specs aus dreiteiligem Ahorn, was ich einfach mal hinnehmen muss, denn unter der wiederum perfekten mattschwarzen Lackierung ist das nicht auszumachen.
(Bild: Dieter Stork)
Die zusätzlich stabilisierenden Graphitstäbe soll man natürlich eh nicht sehen, die verschwinden unter dem Ebenholzgriffbrett. 22 Extra-Jumbobünde sind da sauber eingesetzt, ein Graphitsattel sorgt für reibungslosen Lauf zu den Mechaniken. Davon gibt es logischerweise hier ein paar mehr als normal. Vier große Grover stimmen die Grundsaiten, jeweils zwei kleine stimmen die Oktavsaiten. Wo diese Oktavsaiten hingehören, ist nicht in Stein gemeißelt. Der erste Achtsaiter-Bass, Ende der 60er von Hagström gebaut, hatte sie über den Grundsaiten, die populären Rickenbacker Bässe hatten die Grundtöne zuerst. Die Erfinder des 12-String-Basses, Hamer, hatten immer die Oktavsaiten über den Grundtönen, und so macht es Schecter dann eben auch.
(Bild: Dieter Stork)
Um dem doch erhöhten Zug der Saiten entgegenzuwirken, hat der Hals gleich zwei Stahlstäbe zur Korrektur der Halskrümmung. Am anderen Ende sitzt eine Brücken/Saitenhalter-Kombination, die ich schon bei Dean oder Musicvox gesehen habe, und die hier unter Diamond Custom Bass läuft. Die Saiten werden durchgefädelt, dann haben die Grund- und die Oktavsaiten jeweils eigene Reiter, insgesamt also acht an der Zahl.
Abgenommen werden die zahlreichen Saiten von einem einsamen P-Bass-Abnehmer, der in einer etwas groß geratenen Fräsung sitzt. Der aktive Seymour Duncan Pro Active APB-1 werkelt hier, dessen Vorbild in den 80er/90ern drei Minischalter eingebaut hatte, mit dem die Wiedergabe beeinflusst werden konnte. Dieser war Dougs erklärter Lieblings-Pickup und er kaufte nach Einstellung der Produktion praktisch alle, die er noch finden konnte. Jetzt baut Duncan eine neue Variante, die die damals populärste Einstellung der Miniswitches fest eingebaut hat, und damit auch Doug glücklich macht.
Gekoppelt ist er mit einem Volume-Regler und einem EQ mit Bässen und Höhen. Der wird beworben als Duncan STC-2S-B0, mir sieht er eher nach einer Fernost-Variante aus. Egal, wichtig ist, was am Ende rauskommt. Damit überhaupt etwas rauskommt, ist eine volle Batterie nötig, ein Passivbetrieb ist nicht möglich. Immerhin lässt sich das Batteriefach ohne Werkzeug öffnen.
(Bild: Dieter Stork)
EXTRA ZZZZING
Die Erdanziehung ist etwas tolles, sorgt sie doch dafür, dass zum Beispiel unsere Füße auf diesem Planeten festen Halt finden. Sie sorgt allerdings auch dafür, dass die mit Mechaniken reichlich bestückte Kopfplatte des DP-12 unbedingt gen Erdmittelpunkt möchte. Da hilft bei dem kompakten Korpus auch ein rutschfester Gurt nur bedingt, etwas gegenhalten muss man immer. Ich fürchte, auch leichtere Tuner à la Hipshot würden da nur wenig Abhilfe schaffen, einen Versuch wäre es trotzdem wert.
Ein Zwölfsaiter-Bass stellt schon von Haus aus besondere Bedingungen an die Bespielbarkeit. Der Hersteller tut also gut daran, es den potentiellen Kund:innen so leicht wie irgend möglich zu machen. Mit der Halsform klappt das direkt mal, anders als die Webseite, die ihn als „Thin C“ führt, würde ich ihn aufgrund der schieren Breite eher als flaches D sehen. Jedenfalls liegt er so gut in der Hand wie es nur geht.
Auch die Saitenlage, die die Brücke vorgibt, ist schon angenehm flach. Dafür fällt hier auf, dass die Oktavreinheit so nicht stimmen kann, ist sie doch für Grundtöne und Oktavsaiten gleich eingestellt. Zwar macht der flirrende, leicht verstimmte Sound den speziellen Ton mit aus, aber eine etwas präzisere Einstellung könnte nicht schaden. Die Einstellung der Halskrümmung ist beim DP-12 an gleich zwei Stahlstäben möglich. Einfach ist es allerdings nicht, denn um die Schrauben zu lösen und vor allem um dem Inbusschlüssel genug Bewegungsspielraum zu geben, müssen einige Saiten aus dem Weg geräumt werden. Immerhin macht der Hals einen stabilen Eindruck und sollte nicht bei jeder Änderung der Luftfeuchtigkeit nach Justage verlangen.
Soweit ist das alles selbst mit etwas Geduld und gutem Werkzeug zu erledigen. Was allerdings ab Werk resp. ab Vertrieb schon stimmen sollte, ist der Sattel. Der ist von Graphtech und somit gutes Material, allerdings vor allem bei der regulären G-Saite deutlich zu hoch, da dürfte noch deutlich nachgekerbt werden. Mit den ersten Tönen aus der Box ist das praktisch vergessen. Raumgreifend und groß, durch die Oktavsaiten dreidimensional und wie ein kleines Bassensemble. Bis das so richtig funktioniert, dauert es ein wenig, etwas mehr Eingewöhnungszeit brauche ich schon.
Die Fingerkuppen sind schnell platt gegriffen, meine Zielgenauigkeit mit dem Plektrum lässt plötzlich sehr zu wünschen übrig. Aber der DP-12 motiviert ungemein und der Ton macht süchtig … Warum das so ist, hört man gut, wenn nur die Grundsaiten angeschlagen werden. Ein enorm stabiler Bass mit ungeheurem Knurren und auch ohne die Oktavsaiten schon Pianoartigen Höhen – ich vermute mal, dass die große Halsmasse ihren gesunden Teil dazu beiträgt.
Mit dem EQ kann das noch akzentuiert werden, die Bässe schieben noch mehr, wenn die Anlage das denn hergibt, und die Höhen werden noch knalliger. Kein Muss, aber natürlich zum Test empfohlen ist die Kombination mit einem Zerrer, wie Doug es macht, oder natürlich mit dem DP-3X. Aggressiv, definiert, großartig!
Machbar, aber zumindest für meinen Geschmack weniger ergiebig, ist es, den Bass Fingerstyle zu spielen. Da bekomme ich ihn einfach nicht so beeindruckend zum Schwingen wie mit dem Pick, mein eigener Achtsaiter reagiert da anders.
RESÜMEE
Zwölfsaitige Bässe sind Exoten, und erfordern immer mehr Einsatz beim Spielen und eine gewisse Leidensfähigkeit, wenn es ans Handling und an die Einstellarbeiten geht. Da macht der Schecter DP-12 keine Ausnahme. Etwas mehr Mühe bei der Werkseinstellung resp. der Endkontrolle hätte man sich beim Testexemplar schon geben dürfen, die Bespielbarkeit gerade der G-Saite ist doch stark verbesserungswürdig. Auf den Rest – extreme Kopflastigkeit, sehr breiter Hals, Eigenheiten in der Bespielbarkeit – muss man sich einlassen und das trifft, was die letzten beiden Punkte angeht, auf ziemlich jeden 12-String zu.
Wenn man diesen Schritt erstmal gewagt hat, erwartet einen aber auch reichliche Belohnung: Sound! Sound! Sound! Der ist mächtig, überwältigend, einzigartig und jede Mühe wert! Die Kombination mit dem Seymour Duncan Pickup und dem aktiven EQ ist ein klarer Gewinner, Probleme sich durchzusetzen hat man mit dem DP-12 ganz sicher nicht, eher Probleme, den Band-Sound um den Bass herumzubasteln. Ist doch auch mal eine schöne Abwechslung!
Bis das neue Album draußen ist: Anspieltipp für ein Sound-Demo von Doug persönlich mit dem Vorgänger des Schecter ist ‚Pray‘ vom XV-Album.
PLUS
● Sound!!!
● Verarbeitung
● Optik
● Pickup und EQ
MINUS
● Werkseinstellung
● Kopflastigkeit
(erschienen in Gitarre & Bass 07/2022)
Und wo gibt’s dann Saiten für das Monstrum, wenn die mal gewechselt werden müssen?