Modulierende Optionsparalyse

Test: Walrus Audio Mako M1

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(Bild: Dieter Stork)

Mit der Mako-Serie hat Walrus Audio bereits mehrere starke Statements mit kompakten, feature-beladenen und Midifähigen Pedalen abgegeben. Nun komplettiert das neue M1 die Serie der Boutique-Schmiede aus Oklahoma City.

Im Format folgt das M1 den bekannten Mako-Pedalen R1 (Reverb), D1 (Delay) und ACS1 (Cab-Sim). Mit 12 x 6,3 x 6,5 cm entspricht das M1 ebenso den MXR-Standardmaßen, ist also trotz einer Fülle an Features recht kompakt. Die 368 Gramm machen beim Gewicht des Pedalboards den Kohl auch nicht fett. 300mA Stromhunger (9V DC) des robusten und schön verarbeiteten Geräts wollen jedoch beachtet werden, einen entsprechenden Slot hat nicht jedes Multinetzteil an Bord, und ein eigenes Netzteil ist nicht dabei.

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Die beiden DIN-Midi-Slots befinden sich stirnseitig – da fanden Stromanschluss, Ein- und Ausgänge (Stereo und Mono) sowie ein USB-Anschluss (für Updates) keinen Platz mehr und wanderten an die Seiten. Das beeinträchtigt die Pedalboard-Freundlichkeit zwar, aber das M1 bleibt, wie seine Brüder, eine deutliche Platzansage angesichts all der Features, Midi- und Stereo-Funktionen.

DESIGN & FUNKTIONEN

Das M1 macht mit der Fülle an Reglern und Switches auf engstem Raum erstmal Angst. Die Bedienung ist wirklich nicht selbsterklärend, ein eingehendes Studium des Handbuchs wird dringend empfohlen.

Die beiden Fußschalter sind (True)Bypass links und Tap/Skip rechts. Die Funktion Tap erklärt sich dabei von selbst – so einige Modulations-Pedale haben heute, vor allem für das exakte Timen des Tremolos, eine Tap-Funktion an Bord. Skip wiederum ist eine Art Haltefunktion, mit der die letzten paar Millisekunden des Signals wiederholt werden, so lange man drauf bleibt – wie eine Platte mit Hänger; in der Praxis ein supercooler Effekt.

Die beiden Taster dienen aber auch (zusammen betätigt) dem Durchschalten der Presets. Neun davon sind mit dabei, per Midi wären insgesamt 128 möglich. Die Presets sind in drei Banks gegliedert – die Farbe der LEDs zeigt an, in welcher man sich befindet. Die Banks wiederum wählt man mit dem kleinen Toggle-Switch (A/B/C) in der Mitte an. Wie praxistauglich das im Live-Betrieb ist, muss jeder selbst für sich entscheiden.

Das Herz des M1 sind die sechs verschiedenen Modulationstypen. Für diese befindet sich in der unteren Poti-Reihe mittig ein Rotary- „Schalter“, der bei Betätigung nicht einrastet, sondern stufenlos arbeitet – das finde ich haptisch unbefriedigend, funktioniert aber problemlos. Das M1 bietet: Chorus, Phaser, Tremolo, Vibe, Rotary und Filter. Diese, gut abgeschmeckt, würden wohl vielen bereits so reichen – doch halt, der Clou am M1, wie auch den anderen Mako-Pedalen, ist die Möglichkeit, so gut wie alle erdenklichen Parameter mit vielen Knöpfen und Schaltern zu verändern. So dient Tweak links in der unteren Reihe beispielsweise dazu, entweder die Form der Modulation oder den jeweiligen Submodus des Effekts anzuwählen – man kann dort aber auch festlegen, ob das Tappen in Achtel oder Viertel etc. umgesetzt wird.

Walrus betont zudem vor allem das Lo-Fi-Feature des Pedals. Dieses wird nicht nur mit dem entsprechenden bezeichneten Poti rechts oben gesteuert, sondern auch mit einer zweiten Einstellebene, die aktiv ist, wenn man den Bypass-Taster gedrückt hält. Dann kann man mit dem Tweak zugeteilten Toggleswitch durch verschiedene Möglichkeiten schalten – Env/Drive/Space, die jeweils etwas anderes verändern: Env steuert einen Envelope Filter, Drive mischt Verzerrung hinzu, und Space einen ziemlich beeindruckenden Halleffekt (man hat also auch einen Reverb an Bord!). Soweit zur Lo-Fi-Funktion … äh. Nein, stopp.

Auch auf der rechten Seite gibt es einen Toggleswitch mit drei Modi, die über die zweite Bedienebene angewählt und vom Tune-Regler gesteuert werden: Age/Noise/Warble. Dabei hat es vor allem Noise in sich: Hier mischt man dem Effekt ein Knistern wie bei einer sehr alten Schallplatte hinzu! Im Normalmodus schaltet man hier den Tune-Regler von Tone-Poti (Tone) zur Steuerung der Symmetrie der Modulation (Sym) oder zu X um – in diesem Modus hat er je Effekt eine andere Funktion … Geradezu erfrischend selbsterklärend sind in der oberen Reihe schließlich noch die Regler Rate und Depth – ersterer stellt die Geschwindigkeit des Effekts ein, zweiterer die Intensität.

So, seid ihr noch bei mir? Schwirrt der Kopf? Na gut, stöpseln wir das Gerät einfach mal ein.

(Bild: Dieter Stork)

SOUND & HANDLING

Da ich bereits das R1 aus der Serie testen durfte, war ich beim Einschalten nicht wirklich überrascht: Der ertönende Sound entspricht nicht den Regler-Einstellungen. Warum? Weil das M1, genau wie seine Kameraden, keinen „Live“-Modus hat. Man befindet sich also immer in einem Preset – und muss dieses überschreiben, wenn man das Arbeitsergebnis behalten will. Oder sich die Reglereinstellungen merken und jedes Mal wieder neu reindrehen, wenn man in einem anderen Preset war – die Presets „overrulen“ (sorry für den Anglizismus) die Einstellungen, die Potis arbeiten erst bei erneuter Betätigung wieder.

Gut, dass der Verpackung eine Karte beiliegt, auf der die neun Presets ab Werk genau aufgezeichnet sind. Die ersten sechs davon replizieren bekannte und beliebte Modulationssounds, die drei letzten demonstrieren die abgefahrenen Möglichkeiten des Pedals ganz gut. Nach einer gewissen Eingewöhnungsphase sowie Lesen des Handbuchs kam ich dann doch einigermaßen klar, und so gehen wir mal die Grundeffekte durch:

Chorus: Dick, wollig, schön – so, wie man sich einen Chorus vorstellt. Da sich Walrus Audio aber ohnehin mit Julia und ihrer Nachfolgerin Julianna als Platzhirsche im Boutique-Chorus-Sektor etabliert haben, habe ich hier nichts weniger als allererste Sahne erwartet. Die Subformen (mit dem Tweak-Knopf einstellbar) sind subtil Traditional Chorus bis Tri-Chorus, während X den Lag, also das Auseinanderklaffen der parallelen Chorus-Stimmen, steuert.

Phaser: Ein fetter 1970s-Phaser-Sound, wohl an den berühmten von MXR angelehnt. Er geht von 2-Stage über 4-Stage zum Univibe, X steuert das Feedback, der Phaser klingt weich bis aggro je nach Anschlag.

Tremolo: Während hier der erste Submodus an optische und Bias-Tremolos angelehnt sein soll, bietet Submodus 2 ein Harmonic Tremolo (bekannt aus dem Monument-Pedal von Walrus Audio), und Modus 3 ein „Pattern“-Tremolo, bei dem nun die Tweak-Möglichkeiten zum Einsatz kommen, zum Bespiel „Sym“, um die Lautstärke-Modulation asymmetrisch abklingen zu lassen. X steuert hier Stereo.

Vibrato: Die verschiedenen Modi des Vibratos umschreibt Walrus mit den RPM von alten Platten, die hierbei vom Rate-Regler gesteuert werden. Geboten werden Traditional, Vinyl und Tape. X übernimmt hier verschiedene Funktionen wie Flutter oder Stereo.

Rotary: Dieser Effekt simuliert sehr schön einen Leslie-Rotor, wobei die Submodi verschiedene Sounds bieten: Horn only, Horn & Drum usw. Raus kommt genau der richtige „Swoosh“-Shimmer und das Geleier, das man von einem Leslie will – denkt nur an ‚Blackhole Sun‘ von Soundgarden. Der Effekt ist mit so vielen der Schalter und Regler einstellbar, dass ich nur hilflos ans Handbuch verweisen kann – wie auch immer man seine Leslie-Simulation einstellen will, alles ist möglich.

Filter: Zu guter Letzt bietet das M1 auch noch einen Filter-Modus: Low Pass, High Pass, Band Pass – alles ist dabei. Man kennt es, im Prinzip hat man hier ein Auto-Wah unter den Fingern, um so richtig den Funk rauszuhauen. X als wichtigster Regler stellt hier die Filter-Resonanz ein.

Noch ein paar Worte zum Lo-Fi-Feature des Pedals, das sich wie ein roter Faden durch das gesamte Design zieht und Einfluss auf alle Effekte hat: Im Prinzip lässt sich der Sound mit den vielfältigen Einstellmöglichkeiten damit verhallt, alt, kaputt, verzerrt, verwaschen, dumpfer und mit Plattenknistern einstellen, alles je nach Geschmack. Insgesamt überzeugt das M1 mit sehr schönen, kräftigen Sounds, die niemals digital, dünn, blechern oder kalt klingen – das ist auch heute bei derartigen Effektpedalen immer noch keine Selbstverständlichkeit, da trennt sich die Spreu vom Weizen.

Und Walrus Audio gibt sich mit dem M1 keine Blöße und schwimmt ganz oben im Haifischbecken mit, wo sich Strymon, Eventide und zuletzt auch Universal Audio mit der Astra Modulation Machine tummeln, dem wohl ähnlichsten direkten Konkurrenten, der bei gleicher Qualität aber vor allem nicht die Presetmöglichkeiten des M1 bietet.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Mir ist schmerzlich bewusst, dass der Platz hier nicht ausreicht, die Features und Einstellmöglichkeiten des M1 in aller Breite vorzustellen – so beladen, ja überladen, ist das Gerät damit. Das M1 bedient vor allem jene Nutzer:innen, die es gewohnt sind, mit vielen Presets zu arbeiten und die entsprechende Geduld sowie zerebrale Festplattenleistung mitbringen. Wer sich eher ein „plug & play“-Pedal wünscht, der wird hier vermutlich überfordert die Fahnen streichen. Zu viele Möglichkeiten führen bei solchen Menschen auch schnell zu einem Lähmungszustand, die sogenannte Optionsparalyse, die vom Spielen abhalten kann.

Der Sound des Pedals ist dabei über jegliche Zweifel erhaben, kann auch mit den teuren Konkurrenten locker mithalten und lässt ähnliche Pakete von Mooer oder Electro Harmonix qualitativ deutlich hinter sich zurück – und das alles, wie gesagt, in sehr kleinem Format. Bei all der Tüftelei könnte man nun schlussfolgern, dass das M1 nur etwas für’s Studio ist – doch halt, nachdem man seinen Sound mal gefunden hat, kann man ihn ja speichern und mit Midi wieder ansteuern. Und so, denke ich, macht das M1 für Live-Anwendungen auch am meisten (wenn nicht: nur) Sinn.

Internet: www.walrusaudio.com
Preis (Street): ca. € 369

PLUS

● sehr kompaktes Format
● erstklassige Sounds
● hohe Vielseitigkeit
● Lo-Fi-Features mit vielen Möglichkeiten
● Midi

MINUS

● nicht leicht zu bedienen

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2022)

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