Die Perlen des Gebrauchtmarkts
Kleinanzeigen Heroes: Squier Deluxe Double Fat Telecaster
von Heinz Rebellius, Artikel aus dem Archiv
Günstige Arbeitstiere, unterschätzte Underdogs, übersehene Youngtimer und vergessene Exoten: In den „Kleinanzeigen Heroes“ stellen wir euch die Geheimtipps des Gebrauchtmarkts vor, die einen maximalen „Bang for the buck“ liefern.
(Bild: Heinz Rebellius)
Squier Deluxe Double Fat Telecaster
Also mal ehrlich: Die allermeisten Versuche, Gibson mit Fender zu kreuzen, sind doch kräftig in die Hose gegangen, oder? Wir erinnern uns gerne an kommerzielle Tiefpunkte wie Fender Starcaster, Fender Esprit, Gibson Victory, Gibson U2 und all die anderen Mischlinge, die vielleicht im Nachhinein zu guten Stories taugten, aber nicht viel mehr.
GEN-MANIPULATION
Durchschnittliche Gitarrist:innen scheinen doch in der Regel so zu ticken, dass eine Handvoll Klassiker ausreicht, um sie glücklich zu stimmen. Dabei gibt der Markt immer wieder einmal durchaus bemerkenswerte Ausnahmen vom Mainstream her, die mehr Beachtung verdient hätten. Nehmen wir die Kleinanzeigen-Heldin von heute als bestes Beispiel dafür, dass Gen-Manipulation durchaus interessante Ergebnisse hervorbringen kann.
Das große Fender-Imperium hat schon immer die Squier-Produktion als Spielwiese für neue Ideen genutzt, frei nach dem Motto: Wenn es bei Squier funktioniert, könnte es auch für Fender interessant werden. So wurde die Squier Deluxe Double Fat Telecaster 2001 ins Rennen geschickt, um die Gunst des Publikums mit dem schmalen Geldbeutel zu erobern. Doch schon zwei Jahre später war die Sause vorbei, nach nur zwischen 3000 und 4000 abgesetzten Exemplaren. Nicht genug, um eine richtige Fender-Serie auf die Beine zu stellen.
HOLZ VOR DER HÜTTE
In dieser Double Fat Tele wurde das Genmaterial zweier an sich seelenverwandter Gitarrenwesen gekreuzt – Fender Tele und Gibson Les Paul. Von der Tele stammen Korpus- und Kopfplatten-Design sowie die Mensur und die Saitenführung durch den Korpus. Die Les Paul steuert Holzauswahl (Mahagoni für Body und Hals), Konstruktion (eingeleimter Hals) und die Bestückung mit zwei Humbuckern bei.
Weitere Features, wie z. B. der flache 14“-Griffbrettradius und die fetten Jumbo-Bünde, sind der Ausrichtung auf ein Klientel geschuldet, das in der Heavy-Rock-Metal-Gemeinde verortet wurde. Warum man dabei weiterhin auf die Fender-Mensur und den 0°-Hals-/Korpuswinkel setzt (der eine Montage von Tune-o-matic-/Stop-Tailpiece erst gar nicht zulässt), bleibt allerdings eines der vielen Geheimnisse, die die Fender- und Squier-Historie zu bieten hat.
Dabei hat keine der modernen Teles mit doppelter Humbucker-Bestückung das Konzept der Les Paul so konsequent umgesetzt wie diese Squier Deluxe Double Fat Tele. Mit 3,85 kg Gewicht zeigt sie sich durchaus Gibson-ambitioniert und auch ihr Sound geht mit vollen und fetten Humbucker-Klängen in Richtung Les Paul – Tele-Twang ist da eine Fremdsprache, die sie nicht beherrscht. Allerdings fühlt sie sich eben nicht an wie eine Les Paul, sondern dank der Mensur und des 0°-Halswinkels wie eine Tele.
Zudem hat sie weder den Anschlags-Snap und die Transparenz, z. B. einer Humbucker-Tele mit Schraubhals und Erle- oder Esche-Body, noch den komprimierten, warm-mittigen Druck einer Les Paul, sondern liegt irgendwo satt dazwischen. Offenbart unsere Heldin vielleicht zu viel Kompromissbereitschaft? Sie gehört immerhin mit ihren Features und ihrer Performance in keine der bekannten Schubladen und hat auch nicht den Glamour, um eine neue Schublade zu bekleiden. Und so ganz ohne Schublade – das mögen wir Gitarrist:innen bekanntlich nicht so gerne …
PREISE
Der Neupreis der Squier Deluxe Double Fat Telecaster betrug damals bei Erscheinen rund 500 Euro. Die Preise für gebrauchte Modelle ziehen allerdings langsam an. Im Schnitt darf man mit 350 Euro rechnen, aber ich habe auch schon Angebote von 450 Euro gesehen. In dieses von Cor-Tek (Cort) in Korea gebaute Exemplar in „all over“ Atlantic Blue Metallic hatte der Vorbesitzer anstelle der originalen Power-Humbucker mit offen liegenden schwarzen Spulenkörpern einen Seymour Duncan SH-1 und einen Häussel Vin+ installiert. Besten Dank dafür!
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Ganz witzig finde ich, dass sich ja wohl auch im Korpus-Design mit der Kontur der kleinere Body der Les Paul abzeichnet?
Kommerzielle „Tiefpunkte?“ Da muß ich bezüglich der damaligen Gibson Victory MVII/MVX Elektro-Gitarren in den frühen 1980/82er-Jahren,einfach mal klarstellen,daß diese besagten wundervollen Gibson Modelle ihrer Zeit de facto weit voraus waren,denn der Hauptgrund war leider die damalige Konkurrenz der Fender Strats,die zweifelsfrei für viele Gitarristen das so genannte non-plus-ultra im Preis,der Bekanntheit und der Verarbeitung squalität darstellte. Die Gibson Victory Gitarren waren jedoch optisch und klangtechnisch völlig andere Instrumente,und sie waren preislich auch bedeutend höher angesiedelt,als eine Fender Stratocaster. Soundmäßig entschied man sich damalig bei Gibson für eine spezielle Humbucker-und Singlecoil-Kombination,die klangtechnisch durchaus sehr flexibel war.
Die Verarbeitung und die Hardware,sowie die Hölzer der Gibson MV II war z.B. tadellos,und die Nitrocelluloselackierung in optional sehr schönem Candy Apple Red oder Metallic Blue absolut einwandfrei. Ich besitze glücklicherweise selbst noch eine top erhaltene Gibson Victory MVII im Originalzustand des Baujahres 1982,die laut intensiver Recherchen derzeit sogar noch viel seltener ist,als das „Top-Modell“ einer Gibson Victory MVX mit Ebenholz-Griffbrett und H-S-H Pickupbestückung,da die Auflage der MV II noch viel geringer war. Die Bezeichnung „MV“ stand damals übrigens für „Multi-Voice“. Eine evtl. Kopflastigkeit war zudem allen Gibson Victory Gitarren total fremd.Die originale Kopfplatte der Victory glich optisch einer Gibson Firebird,sah aber dann doch sehr eigenständig aus. Es gab obendrein auch noch eine Gibson Victory Bass-E.-Gitarre,die dato ebenfalls sehr rar ist.
Die Gibson Victory Modelle wurden allesamt noch in Kalamazoo/U.S.A. zur Zeit der berühmt-berüchtigten Norlin-Ära gebaut,und verschwanden nach relativ kurzer Dauer von ca. drei Jahren wieder ersatzlos in der Versenkung. Da diesbezüglich weltweit nur noch eine sehr geringe Anzahl an Gibson Victory Gitarren,ganz speziell der Victory MV II existiert,ist die Wahrscheinlichkeit,überhaupt an solch eine alte Victory in bestem Originalzustand zu gelangen,doch sehr gering,und der Preis dementsprechend hoch.
Da erstaunt es doch zu erfahren,daß momentan ausgerechnet die damalige Modellpalette dieser Gibson Victory Gitarren gleich in mehreren Farb-und Holzvarianten diesmal mit veränderter „Eishockey-Schläger-Kopfplatte“ zu sehr gesalzenen Preisen vor kurzem wieder neu aufgelegt wurde!
Niemand weiß heute nun genau,was Gibson mit dieser (spontanen) Entscheidung bezwecken möchte. Zumal diese Victory Gitarren ja bereits damals anscheinend kaum bekannt waren,im Preisgefüge sehr hoch angesetzt,-und die Tatsache,daß sie in der berüchtigten Norlin-Epoche gefertigt wurden,läßt vermuten,daß das heutige Kaufinteresse mit völlig geändertem Headstock und einem gleichermaßen sehr hohen Preis als Neuauflage nicht unbedingt besonders groß sein wird. Die überwiegend harschen Kritiken im globalen Internet scheinen dies zu bestätigen.
Ich selbst bin jedenfalls heilfroh,daß ich vor immerhin 12 Jahren noch die Gelegenheit nutzten konnte,um an eine sehr gut erhaltene Gibson Victory MVII im Originalzustand heranzukommen,die mich lediglich runde 1.700,-€ kostete. Auf der Rückseite der stilvoll geschwungenen Kopfplatte ist das Baujahr 1982 und der Zusatz: Made in U.S.A. angegeben. Ich kaufte sie bei einem sehr netten Händler aus dem Raum Main-Taunus Kreis.
Ganz sicher bleibt sie auch zukünftig in meiner privaten Sammlung,und wird hin und wieder sehr gerne bespielt.
Mit besten Grüßen
Stella.
Es wird ja in dem
Artikel gar nicht behauptet, dass die Victory keine gute Gitarre sei, sondern nur, dass sie einen kommerziellen Tiefpunkt darstellten. Deshalb war die Produktion auch so schnell wieder vorbei…
“Nicht genug, um eine richtige Fender-Serie auf die Beine zu stellen.”
Der Autor sollte sich mal die “Fender Special Edition Custom Telecaster FMT HH”-Serie (sperriger Name) ansehen, die schon seit vielen Jahren im Fender-Programm ist und früher recht günstig zu haben war; die entspricht ziemlich genau der Beschreibung der hiesigen Squire, hat allerdings Seymour Duncan-Pickups (anfangs wurden Fender-eigene Humbucker verbaut) und scheint aufgrund ihrer langjährigen Erhältlichkeit ja doch wohl recht erfolgreich zu sein.
Ich habe so ein Teil vor vielen Jahren recht günstig in der Bucht gefunden, das seitdem anderen Fender- und Gibson-Gitarren etc. zum Trotz eine meine Lieblingsgitarren ist.