Einmal quer durch den Garten

Test: Guild Surfliner

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(Bild: Dieter Stork)

Guild stellt mit der Surfliner ein neues Modell mit „Vintage-Inspired Offset Body Shape“ vor. Tatsächlich finden wir in dem frischen Design dieser Solidbody mit Schraubhals verschiedene Merkmale aus dem gesetzten Gitarrenbau vereint.

Die Guild Surfliner ist in den Tranparent Gloss Finishes Catalina Blue, Sunset Orange und White Sage zu haben. Und eine leichte Anmutung von Jetstar aus eigenem Hause ist zwar schon noch zu entdecken, wie auch Anleihen in der Linienführung von Guild-Designs der 60er- und 70er-Jahre unverkennbar sind, aber ansonsten handelt es sich bei der neuen Surfliner mit geschraubtem Hals doch um ein recht ungewohntes Guild-Design, das verschiedene Elemente aus bewährten Konstruktionen aufblitzen lässt.

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TRADITIONELL MODERN

Eine Priese Strat, dazu ein Hauch von SG – und etwas Firebird geht uns vielleicht auch noch durch den Kopf, gerade wegen demselben. Wobei der auch an die Jetstars der 60er erinnert. Es ist halt auch nicht anders als in der Musik, wo man doch auch längst keine rhythmische oder melodische Floskel mehr findet, die nicht zuvor schon irgendwem, irgendwann, irgendwo einmal eingefallen ist (schau an – selbst hier schleicht sich ein Hauch von Nina? Nano? o.s.ä. ein). Der Kontext, in dem weitergedacht wird, macht es jedenfalls dann doch immer aus. Bei der Surfliner soll nun ein solider Korpus aus Pappel mit aufgeschraubtem Ahornhals plus SSH-Pickup-Konfiguration zu neuer Harmonie führen.

Details: Der plane, 4 cm starke Pappelkorpus von leicht asymmetrischem Zuschnitt erhielt Konturen zur Armauflage und am Boden oben für eine komfortable Anlage. Ein Kehlschnitt in der unteren Taille sorgt zudem für eine entspannte Oberfläche der Decke. Der Hals im C-Shape-Format aus Ahorn, mit griffigem Satin Finish versiegelt, ist in Höhe des 16. Bundes in den Korpus eingebracht und daselbst über eine Custom-Guild-„G“-Neckplate mit vier Schrauben vollkommen spielfrei in seiner Halstasche befestigt.

Im Griffbrett mit 10″ Radius aus Ahorn finden wir 23 (!) gut verarbeitete, mittelstarke Bünde und kleine schwarze Dots zur Lagenkennung. Die mit keckem Schwung verrundete feuervogelige Kopfplatte wurde unterhalb der ersten drei Bünde großflächig angeschäftet. Von den 6-in-Reihe montierten Kluson-Style-Mechaniken aus laufen die Saiten in geradem Zug über den Sattel aus Kunststoff, um dann mit einer langen Mensur von 648 mm zur Tune-o-matic-Bridge zu gelangen. Fixiert werden die Saiten per String-thru-Body-Konterung.

(Bild: Dieter Stork)

Elektrik: in Hals- und Mittelposition finden wir mit den Aerosonic-Pickups neue DeArmond-Singlecoil-Typen montiert, am Steg sitzt ein Guild LB-1 Mini Humbucker Bridge Pickup. Eine Reminiszenz an gute alte Tage sind auch die oben vorn auf dem Pickguard platzierten On/Off-Rocker-Switches, mit denen sich jeder einzelne Pickup aktivieren oder eben auch stummschalten lässt. Die in Indonesien sauber gefertigte Gitarre entspricht modernem Industriestandard und kam gut eingestellt zum Test.

Schaltvariabilität durch On/Off-Rocker-Switches (Bild: Dieter Stork)

GIMME MORE

Die Guild Surfliner überrascht mit dem recht erwachsenen Spielgefühl eines kraftvoll verrundeten C-Shape-Halsprofils und bemerkenswert guten Schwingeingeschaften. Tatsächlich bietet dieser samtig versiegelte Hals einen geschmeidigen Griff und dank tief und schnarrfrei eingerichteter Saitenlage und weich abgeglichenen Hals-Korpusübergangs gibt es bis in den letzten Bund hinauf keine Widerstände zu überwinden. Das gute Schwingverhalten mit auffallend plastischer Umsetzung von Akkorden und langem, gleichmäßig über das gesamte Griffbrett hinweg zu erzielendem Sustain ist wohl nicht zuletzt dem nicht zu knapp dimensionierten Hals zu danken, der die Mitte zwischen tonbildender Substanz und spielförderlicher Profilierung perfekt trifft.

Klar, 23 Bünde sind schon etwas eigen, aber nun gut, immerhin einer mehr als der übliche Standard und bei den 21 Bünden früher Fender-Gitarren hat ja auch keiner gezuckt. Die Gitarre ist mit 3,2 kg angenehm leicht und hängt auch ausgeglichen am Gurt. Kommen wir nun aber zum elektrischen Kerngeschäft:

Die SSH-Pickup-Bestückung der Surfliner verspricht zusammen mit den umfänglichen Schaltoptionen die Aussicht auf eine variable tonfarbliche Gestaltung. Die DeArmond-Aerosonic-Pickups in der Hals- und Mittelposition verfügen über die für Singlecoils dieses Typs durchaus üblichen Widerstandswerte von 6,3 und 6,5 kOhm. Sie übersetzen die schwingintensive Substanz der Gitarre in klassisch anmutende Sounds mit positionsbedingter Farbdifferenzierung.

Der Hals-Pickup setzt kernige Sounds in Szene, kraftvoll und sehr schön crisp. Straff dazu im Bass mit leicht metallischer Note, die sich aber als durchaus angenehm erweist. Der Mittel-Pickup verhält sich auffällig ähnlich, erscheint dank leicht eingegrenzter Bässe lediglich etwas schlanker, tönt ansonsten aber wie sein Kollege spritzig hell mit überraschend frischen Höhen. Assoziationen an kalifornisch geprägte Sounds sind dabei unumgänglich.

Der Mini-Humbucker am Steg ist mit 5,0 kOhm auf Klarheit und Präzision in der Darstellung gewickelt. Er steht den Singlecoils unerwartet ausgeglichen gegenüber, springt also nicht nennenswert vor, verfügt aber über einen etwas weicher gerundeten Ton. In der durchaus komplexen Darstellung mit gutem Obertongehalt wartet er mit einem etwas dichter strukturierten Tonverhalten auf und ist damit die bestens abgestimmte Alternative zu den Einspulern.

Neben ausgewogenen Clean-Sounds mit fokussierten, aber nicht zu stark ausgebauten Mitten und klar zeichnendem Höhen-Top, bietet er im Overdrive stramme, griffige Powerchords und vokal definierte, kompakt drückende Sololinien. Durch die kleinen On/Off-Switches stehen neben den Einzelschaltungen alle denkbaren Pickup-Kombinationen zur Verfügung. Da sind schöne Mischformen angelegt, auch wenn z. B. die Aktivierung aller drei Pickups das Bild eher schwächt und etwas matt und indifferent erscheinen lässt. Aber die anderen Kombinationen haben alle etwas, hervorzuheben vielleicht die schön kehlig tönende Kombi von Hals- und Steg-Pickup.

Aber Obacht: Für den direkten Wechsel etwa vom Hals-Pickup auf den Steg-Pickup sind zwei Schaltvorgänge nötig: den einen aus-, den anderen anknipsen! Auch kann es mal passieren, dass das Signal ganz weg ist, wenn man versehentlich den falschen Schalter erwischt und kein Tonabnehmer mehr auf Sendung ist. Unfreiwilliger Kill Switch sozusagen.

Und still im engeren Sinne, was Nebengeräusche angeht, sind nur zwei Schaltpositionen: Mini-Humbucker allein und alle drei Pickups aktiviert. Etwas lästig sind bei gehobenen Lautstärken die Schaltgeräusche der hörbar klickenden Schalter. Oder sind meine Ohren beim konzentrierten Lauschen jetzt vielleicht doch besonders lang geworden? Halte gerne mal deine eigenen dran!

DeArmond Singlecoils und Guild Mini-Humbucker (Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Die Surfliner ergänzt das Guild-Programm um ein stimmig konzipiertes und höchst flexibel ausgelegtes Gitarrenmodell, in dem sich gesetzte Konstruktionsdetails aus dem bewährten Gitarrenbau in bester Harmonie neu aufgemischt vereinen. Neben rundum guten Spieleigenschaften vermag das Vintage-inspirierte Offset-Body-Design aber auch mit starken Sounds aufzuwarten.

Alle drei Tonabnehmer bieten achtbare Klangübertragung und dank der SSH-Konfiguration in Verbindung mit den On/Off-Switches haben wir Zugriff auf variierende Klangfarben mit der vollen Variationsbreite gut angelegter Sounds. Die Gitarre richtet sich am Gurt bestens aus und spielt sich in allen Positionen leicht und locker bis zum 23. Bund hinauf. Das ist in Summe durchaus viel Gitarre fürs schlanke Geld. Da kann man nur sagen: Gut gemacht, Guild!

PLUS

● Design
● Pickups
● authentische Sounds
● Schaltflexibilität per On/Off-Switches
● Spieleigenschaften
● Verarbeitung

MINUS

● Schaltgeräusche On/Off-Switches

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2022)

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