Workshop

Walking Bass Crash Kurs

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Meister der Walking-Bass-Technik: Bass-Legende Lee Sklar (Bild: Warwick)

Viele auch schon fortgeschrittene Bassistinnen und Bassisten, die mit dem Vokabular der Rock-Musik vertraut sind und keine Mühe haben, im Hard Rock, Metal oder Alternative solide, banddienlich groovende Bass-Lines abzuliefern, kommen ins Schwimmen, wenn es darum geht, sich eine ordentliche Walking-Bass-Line auszudenken, die groovt und harmonisch ein solides Fundament legt. Woran kann das liegen?

Schauen wir uns zunächst an, in welchen Stilistiken Walking Bass gefragt ist? Diese Frage werden wohl die Allermeisten mit „Jazz“ beantworten. Das ist sicher richtig, aber auch im Rock’n’Roll, im Rockabilly, ganz besonders im Blues und sogar im Hard Rock ist Walking Bass angesagt und somit eine elementare Anforderung an alle Tieftöner, die nicht nur ihre komplett eigene Musik spielen, sondern vielmehr stilistisch flexibler aufgestellt sein wollen.

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WAS IST EIGENTLICH WALKING BASS?

Zuallererst ist er untrennbar mit dem Swing verbunden. Während im Traditional Jazz, bekannt unter dem Begriff Dixieland, das sogenannte „in two-Feel“ dominiert, also die Basstöne überwiegend auf den Zählzeiten 1 und 3, manchmal auch auf 1 und 2+, gespielt werden, wurde dieses Time Feel im Swing durch „in 4“ ersetzt: Die durchgehenden Viertel-Noten waren die neue rhythmische Norm. Also werden im Walking Bass meist durchgehende Viertel gespielt, es gibt jedoch zahlreiche Variationen und Ausnahmen.

Aber der Walking Bass hat nicht nur die enorm wichtige Funktion, den Groove der Musik zu transportieren. Gleichzeitig liefert er auch die harmonische Information, indem er den Sound der dem Stück zugrundeliegenden Akkorde so deutlich wie möglich abbildet. Eine ideale Walking-Bass-Line vermittelt dem Zuhörer auch ohne Drums und Harmonieinstrumente die zwei Komponenten Groove und Akkorde! Prinzipiell sind also zwei Fähigkeiten gefragt:

  • Ein sicheres Time Feel, das den Viertelpuls resolut, überzeugend und ohne Temposchwankungen markieren kann.
  • Solide Kenntnisse über die Struktur der zugrundeliegenden Akkorde, die in Leadsheets mit Akkordsymbolen wie Xmaj7, X7, Xm7, Xm7b5, Xo7 etc. angegeben werden.

Dieser Workshop kann das Thema des Aufbaus und der Struktur von Akkorden nur streifen. Unter dem Suchbegriff „Arpeggios Bass“ liefert YouTube aber jede Menge Treffer, und jeder Tieftöner, der hier elementare Lücken hat, investiert hier seine Zeit goldrichtig!

Wir gehen also direkt in die Praxis! Für alle Beispiele gibt es unten Audio-Files und Playalongs, um Walking-Bass-Lines zunächst ohne Vorkenntnisse einfach zu spielen, daran schließt sich eine Analyse an, und das verwendete Tonmaterial wird vorgestellt. Alle Beispiele sind technisch machbar, ich empfehle aber, zunächst die Fingersätze der linken Hand genau zu beachten. Elementar wichtig beim Spielen von Walking-Bass-Lines ist, genau zu wissen, welche Töne man verwenden kann. Wer im Spielfluss nachdenken muss, welche Note als nächste kommt, hat schon verloren, denn dieses Nachdenken wird das Time Feel ruinieren!

(zum Vergrößern klicken!)

Beispiel 1

Beispiel 1 zeigt eine Basslinie im Stil von Bill Haleys ‚Rock Around The Clock‘. Sehr viele Rock’n’Roll-Songs basierten ja auf dem Blues, und hier ist ein simpler Blues in A-Dur mit zwei- oder viertaktig wechselnden Akkorden die Grundlage. Über jeder Note steht ein Kürzel für die Funktion im Akkord. Akkordtöne sind fettgedruckt, „1“ steht für den Grundton, „3“ steht für die Dur-Terz und „5“ für die reine Quinte. „TL“ zeigt einen Ton aus der dem Akkord zugrundeliegenden Tonleiter an. Die vier Takte mit den Noten ohne Hals zeigen das verwendete Tonmaterial. Die Bass-Line besteht hier meist aus einer vom Grundton bis zur Quint in der Tonleiter auf- und wieder absteigenden Figur. Eine wichtige Regel wird hier sichtbar: Auf den Zählzeiten 1 und 3 werden ausschließlich Akkordtöne gespielt, und mit jedem Akkordwechsel wird auf Zählzeit 1 der Grundton gespielt.


Beispiel 2

In Beispiel 2 sehen wir, wie der Job von Bassisten in Backing Bands von Stars wie B.B. King meistens aussieht. Die Akkorde in diesem Blues in C sind durchweg Septakkorde, hier kommt als weiterer Akkordton, wieder fettgedruckt, die „b7“, also die kleine Septim hinzu. Ein anderer elementarer Baustein von Walking-Bass-Lines ist der sogenannte „Chromatic Approach“ (CA). Der besagt lediglich, dass ein Akkordton durch eine Note einen Halbton über oder unterhalb desselben angesteuert wird. Eine wichtige Grundregel hierbei lautet: Chromatic Approaches werden fast immer auf den Zählzeiten 2 oder 4 gespielt.


Beispiel 3

Beispiel 3 zeigt eine Bass-Line über einen sehr schnellen Rock Shuffle im Stil des legendären Bassisten Lee Sklar. In dem Blues in Ab wird in Takt 9 der Moll-Septakkord Bbm7 gespielt, hier kommt als neuer Akkordton die Moll-Terz „b3“ ins Spiel. Für die oben erwähnte Griff-Sicherheit sorgen günstig ausgewählte Fingersätze.


Beispiel 4

In Beispiel 4 wenden wir uns dem Modern Jazz zu. ‚Autumn Leaves‘ basiert im A-Teil auf einer letztlich auf Bach zurückgehenden Akkordfolge, die auch Carlos Santana bei ‚Europa‘ und Gary Moore bei ‚Still Got The Blues‘ verwendeten. Hier kommen weitere Akkord-Typen wie Bbmaj7, Ebmaj7 oder Am7b5 ins Spiel. Das Beispiel zeigt zunächst zwei A-Teile im Stil von Sam Jones, dem Bassisten auf Cannonball Adderleys legendärer Platte ‚Something Else‘, und danach die Arpeggien aller hier verwendeten Akkorde in der tiefsten Lage, Kontrabasstypisch mit Leersaiten gespielt.


(erschienen in Gitarre & Bass 06/2022)

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