Workshop

Guitar Basics: Spannungstreiber – Sus2- und Sus4-Dreiklänge

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Dsus4, Grundstellung
Dsus4, 1. Umkehrung
Dsus4, 2. Umkehrung

Wir haben in den letzten Folgen vier Grundtypen von Dreiklängen kennengelernt: Dur (1, 3, 5), Moll (1, b3, 5), Vermindert (1, b3, b5) und Übermäßig (1, 3, #5). Allen vier Dreiklängen gemeinsam ist, dass in ihnen eine Terz enthalten ist, entweder eine Dur-Terz (3) oder eine Moll-Terz (b3). Wir haben auch gelernt, dass die Dur-/Moll-Terz über das Tongeschlecht entscheidet. Gibt es aber auch Dreiklänge, in denen keine Terz zu finden ist, die also quasi tongeschlechtslos sind?

Die Antwort steht schon in der Überschrift dieses Workshops: Die Zusätze sus2 oder sus4 zum Grundton signalisieren, dass an dem zugrundeliegenden Dur-Dreiklang etwas verändert wird. Sus ist eine Abkürzung für das englische Wort „suspended“, das in diesem Fall am besten mit „vorgehalten“ übersetzt wird. Tatsächlich wird die Terz entweder durch eine reine Quart (sus4) oder auch durch eine große Sekunde (sus2) ersetzt.

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In der Klassik kennen wir den sogenannten Quart-Vorhalt, bei dem die Dur-Terz durch die Quart ersetzt, die so entstehende Spannung wird entladen, indem sich die Quart einen Halbton nach unten zur Dur-Terz auflöst. Wir können also jeden Dur-Dreiklang, dessen Formen für die Saitengruppen D/G/H und G/H/E wir ja gelernt haben, in einen sus4-Dreiklang verwandeln, indem wir einfach die Dur-Terz durch die Quart einen Bund höher ersetzen.

Für C-Dur auf der Saitengruppe G/H/E sieht das so aus:

Während der Quartvorhalt in einem sus4-Dreiklang schon fast nach Auflösung schreit, also eine ziemlich starke Spannung aufbaut, kann ein sus2-Dreiklang problemlos als für sich stehende Klangfläche eingesetzt werden. Auch hier können wir, ausgehend von den uns schon bekannten Dur-Dreiklangs-Formen ganz einfach sus2-Formen ableiten, indem wir die Dur-Terz durch die Sekund ersetzen. Die Dur-Terz wandert also um einen Ganzton, sprich zwei Bünde, nach unten.

Die folgende Abbildung zeigt, wie das funktioniert:

Sus4- und sus2-Dreiklänge können unabhängig voneinander eingesetzt werden. Oft werden sie aber in Kombination miteinander verwendet. Der D-Dur-Dreiklang, den Anfänger an der Gitarre oft als einen der ersten Griffe lernen, weil er recht einfach zu greifen ist, lässt sich problemlos mit Dsus2 und Dsus4 verbinden, und mit dieser Kombination wurden schon zahlreiche Hits geschrieben.

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Beispiel 1 zeigt zunächst die gerade beschriebene Akkordvariation mit Dsus2 mit Leersaite E (= 2. Umkehrung), dann in der Folge in Grundstellung, 1. Umkehrung und 2. Umkehrung ohne Leersaite. Vergleichen wir die Griffe von Dsus2 und Dsus4, stoßen wir auf eine eigenartige Übereinstimmung. Die Grundstellung von sus2 und die 1. Umkehrung von sus4 werden exakt gleich gegriffen.

Beispiel 2 zeigt den Zusammenhang systematisch: Dsus2 kann mit neuem Grundton A auch Asus4 sein. Und was bringt uns diese Erkenntnis? Wir brauchen nur drei Griff-Formen zu lernen, um sus2- und sus4-Dreiklänge in allen Umkehrungen spielen zu können. Wir müssen aber wissen, wo der Grundton liegt. Der ist in den Noten klar gekennzeichnet durch den offenen Notenkopf.

PRAXIS

Von den unzähligen Hits, die ihren Erfolg maßgeblich der Kombination Dsus2-D-Dsus4 verdanken, greife ich zwei heraus. Beispiel 3 zeigt den Hook von Bryan Adams’ Mega-Hit ‚Summer Of ’69‘. Hier werden zunächst genau die Akkorde aus Beispiel 1 verwendet. Das Salz in der Suppe ist hier die Art, wie die Arpeggien gespielt werden. Innerhalb des Sechzehntel-Rasters wird die erste Note jedes Arpeggios betont, wodurch rhythmische Spannung entsteht, die erst auf Zählzeit 4 im zweiten Takt aufgelöst wird. Im dritten und vierten Takt wird das Ganze für Asus2-A-Asus4 einfach um eine reine Quint (= sieben Bünde) nach oben transponiert.

In Beispiel 4 findet ihr die Bridge zum Gitarren-Solo von Led Zeppelins ‚Stairway To Heaven‘. Die Griffe sind die gleichen wie bei Bryan Adams, allerdings kommt hier noch die leere D-Saite dazu. Man beachte auch die Rhythmik, die einen leicht aufs Glatteis führen kann.

Eine klangliche Erweiterung des gleichen Prinzips hören wir in ‚Wizard‘, einem Mega-Hit von Uriah Heep aus dem Jahre 1972. Hier wird die Akustik-Gitarre zunächst um einen Ganzton nach unten gestimmt, dann geht die tiefste Saite noch einen weiteren Ganzton in den Keller zum tiefen C. Beispiel 5 zeigt, wie dieses grandiose Riff gespielt wird. Hier wird der Sound von Dsus4 und Dsus2 nur auf Zählzeit 3 (G = sus4) und Zählzeit 4 (E = sus2) kurz angedeutet. Die G-Saite wird zunächst gar nicht gespielt. Erst im dritten Takt des Beispiels erklingen dann gestrummt die kompletten Dreiklänge mit zusätzlicher Leersaite D.

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Mit Beispiel 6 verlassen wir die Tonart D und wenden uns ‚Romani‘ zu, einem großartigen Stück von der ersten Solo-Platte des Genesis-Bassisten und –Gitarristen Mike Rutherford, zu finden auf seinem ersten Solo-Album ‚Smallcreep’s Day‘ (1980). Der Gitarren-Part beginnt mit Gsus4 in der 1. Umkehrung, in der Folge wandert die Bass-Stimme von C (sus4), über B (Terz), A (sus2), G (Grundton), F# (maj7) und E (6 bzw. 13) die G-Dur-Tonleiter nach unten.


(erschienen in Gitarre & Bass 06/2022)

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