Interview & Transkription

Federico Malaman: ‚Moonlight‘ Bass-Solo and more

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(Bild: Dante Fiori)

Federico Malaman ist nicht nur Bassisten mittlerweile ein Begriff. Er hat sich durch seine eigenen YouTube-Tutorials und durch zahlreiche spontane Sessions mit den besten E-Bassisten dieses Planeten wie Marcus Miller, Victor Wooten und Hadrien Feraud einen Namen gemacht. Seine unglaublich musikalische Virtuosität beeindruckt tief, und heitere Gelassenheit und ein ausgeprägter Sinn für Humor prägen sein sympathisches Wesen.

Die Liste der Musiker, mit denen er schon gespielt hat, umfasst illustre Namen wie George Benson, Solomon Burke, Wilson Pickett, Al Jarreau, Kid Creole, Zucchero, Lucio Dalla, Ron, Renato Zero, Gianna Nannini, Virgil Donati, Billy Gibbons, Jean-Paul „Bluey“ Maunick, David Garfield, Paolo Fresu und Stef Burns. Wir stellen Federico und seine Musik in einem ausführlichen Interview und der Transkription eines seiner spektakulären Bass-Solos vor.

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INTERVIEW

Wie bist du zum E-Bass gekommen?

Ich habe im Alter von zehn Jahren angefangen mit dem Instrument, und dafür verantwortlich sind das Musical ‚Jesus Christ Superstar‘ und ‚Oro Incenso & Birra‘, das vierte Album des italienischen Sängers Zucchero (1989). Der Bassist auf dem Album ist Polo Jones, und seine Parts auf der CD sind supercool. Ich hörte diese und fragte meinen Vater: Was ist das für ein Instrument? Er sagte mir, das sei ein Bass, und ab da wollte ich Bassist werden.

Also kauften wir einen Eko-Bass, eine italienische Marke. Ich fing an zu spielen, hatte vorher schon Piano-Unterricht gehabt und konnte also Noten lesen. Mein Vater sagte mir, dass die vier Saiten auf G, D, A und E gestimmt sind, und dass jeder Bund für einen Halbton steht. Mit diesen Informationen erlernte ich die Logik des Griffbretts, und dann auch, das Instrument zu spielen. Später ging ich aufs Konservatorium und studierte klassischen Kontrabass, zuerst fünf Jahre in Vicenza und dann zwei weitere Jahre in Verona. Dann absolvierte ich meine Diplom-Prüfung.

In dieser Zeit, so um 1999, lernte ich Paolo Belli kennen. Der war ein bekannter Sänger und Fernsehmoderator und formierte gerade eine neue Band, und ich wurde Kontrabassist und Arrangeur in seiner Big Band mit gerade mal 20. Ich spielte viele bekannte Fernseh-Shows. Danach stieg ich in Mario Biondis Band ein.

Ein Besuch bei der NAMM-Show 2009 veränderte mein Leben dann grundlegend. Dort trifft man wirklich jeden, sogar Stevie Wonder, auch wenn der natürlich durch seine Bodyguards gut abgeschirmt wird. Dort lernte ich Victor Wooten, Hadrien Feraud, Andrew Gouche, Marcus Miller, Richard Bona, Janek Gwizdala und Tony Grey kennen. Die Begegnungen mit all diesen Top-Bassisten waren ungeheuer inspirierend. Ich startete Projekte unter meinem Namen wie Timeline, die Malaman Band oder das Malafede Trio und arbeitete mit vielen Fusion-Musikern auf der ganzen Welt wie den Bassisten Hadrien Feraud und Henrik Linder sowie den Drummern Gergo Borlai und Nicolas Viccaro zusammen.

Kannst du beschreiben, wie du dir am e-Bass deine unglaubliche Technik, Fingerstyle, Slapping und Double Thumping angeeignet hast?

Ich habe mir alles selbst beigebracht. Übrigens spiele ich kein Double Thumping, sondern stattdessen eine Technik, die ich „Big Slap“ nenne. Dafür kombiniere ich Abschläge des Daumens mit Aufschlägen des Zeigefingers. Ich habe mir die Musik angehört, die mich wirklich interessiert, und dank YouTube habe ich auch durch Videos sehr viel gelernt. Mit 24 habe ich bei Massimo Morriconi Unterricht genommen, einem berühmten italienischen Kontra- und E-Bassisten. Vier Stunden bei ihm haben mein Spiel in vielen Bereichen verändert.

Ich begann, mich intensiv mit Jazz-Musikern wie Charlie Parker, Bill Evans und Keith Jarrett zu beschäftigen. Ich versuchte, über das Gehör Teile ihres Vokabulars zu lernen. Aber der Bassist, der nach Jaco, John Patitucci und Marcus Miller mein Leben auf den Kopf stellte, war Hadrien Feraud. Ich bin ihm sehr dankbar, er hat mir eine Menge gezeigt, ohne dass er mein Lehrer war. Ich habe ihm einfach nur zugehört.

Ich habe Hadrien 2013 kennengelernt und interviewt. Dabei habe ich erfahren, dass er keine Noten liest.

Ja, ich weiß. Er kann alles spielen, wenn du ihm Zeit gibst. Aber er ist kein Blattspielmonster wie John Patitucci. Dazu habe ich eine nette Geschichte: Hadrien wurde auf der Musikmesse in Frankfurt interviewt. Vorher hatte er mir gesagt, dass er nach dem Interview das Allan-Holdsworth-Tune ‚Proto-Cosmos‘ mit Greg Howe auf dem Markbass-Stand spielen sollte, den Song aber gar nicht kannte. Also nutzte ich die Zeit während des Interviews und schrieb ihm das Thema auf. Anschließend gab ich ihm das Sheet, und Hadrien sagte mir: „Vielen Dank, mein Freund, aber ich kann keine Noten lesen!“ (Federico lacht und klatscht in die Hände)

Dafür hat er das beste Gehör, das man sich nur vorstellen kann.

Und ein unglaublich gutes Gedächtnis.

Ich habe mir auch seinen Bass angeschaut, damals spielte er einen Ken Smith Burner. Seine Saitenlage war extrem niedrig eingestellt. Machst du das auch so?

Nein! Bei meinen Bässen ist die Saitenlage etwas höher, aber nicht so viel. Wenn ich schnelle Sachen spielen will, geht das nicht mit hoher Saitenlage. Ich würde sagen, mein Setup liegt irgendwo zwischen dem von Hadrien und dem eines „normalen“ Bassisten.

Federico mit Mayones Jabba Mala 5 Signature (Bild: Malaman)

Ich habe dich schon mit vielen verschiedenen Bässen gesehen. Hast du ein Lieblingsinstrument?

Ja, sogar mehrere! Mayones hat mir einen Signature-Bass gebaut, den Jabba Mala 5. Dann spiele ich auch den Laurus Quasar, ebenfalls ein Signature-Modell, mit Bünden. Außerdem spiele ich das Manne Vibrabass Malaman Model, ein semiakustischer Viersaiter, dessen Sound in die Kontrabass-Richtung geht. Meine Amps baut die italienische Firma Proamp. Es gibt zwei Signature-Modelle, den Mala-Amp, ein Topteil und den Mala-Combo, bestückt mit zwei 8-Zoll-Speakern.

Manne Vibrabass Malaman Model
Proamp Malaman Signature Combo

Du hast auf YouTube auch einen eigenen Kanal, auf dem du regelmäßig Lehrvideos veröffentlichst.

Die eigentlichen Inhalte dieser Workshops gibt es auf meiner Website federicomalaman.com. Zusammen mit Alex Lombardo und Francisco Zanetti, der der Transkripteur von Alain Caron ist, habe ich Kurse entwickelt, die sich mit verschiedenen Themen beschäftigen: Dur-Tonleitern, Pentatonik-Skalen, Mala Slap 1 & 2, Malaimpro 1 für Einsteiger und die Youjazz-Masterclass. Außerdem gibt es die Malaman Secret Bass Group auf Facebook, in der ich allen Käufern des Kurs-Bundles mit persönlichen Tipps zur Verfügung stehe und Fragen beantworte. Eine neue Masterclass, die ich noch aufnehmen muss, wird sich mit ungeraden Taktarten beschäftigen (diese ist mittlerweile erschienen und auf Federicos Website käuflich zu erwerben, Anm. der Red.).

Ich bin sehr glücklich mit den Kursen, weil auch die Kursteilnehmer sehr zufrieden sind. Auf YouTube veröffentliche ich auch kostenlose Videos, in denen ich die Zuschauer zum gemeinsamen Üben animiere. Ich zeige dort Übungen und Drills, die ich auch daheim selbst für mich mache. Bei diesen Übungen starte ich mit langsamen Tempi zwischen 40 und 60 bpm und erhöhe diese dann in mehreren Schritten bis hin zu wirklich schnellem Spiel. Die Videos sind ziemlich lang, aber ich produziere sie, weil ich weiß, dass viele Zuschauer nach konkretem Material zum Üben suchen. Viele sind es leid, nur Videos mit spektakulären Inhalten zu sehen, die vielleicht unterhaltsam sind, aber einen nicht wirklich weiterbringen. Ich bin natürlich nicht der erste, der solche Übe-Videos macht. Frank Gambale hat sein „Chop Builder“-Video schon vor Jahrzehnten veröffentlicht.

Ja, das kenne ich!

Mit den Mädels, die wie bei einem Boxkampf den Beginn jeder Runde anzeigen … Meine Videos könnten hilfreich sein für Leute, die auf YouTube nach konkreten Anregungen für das Üben suchen, sie wissen oft nicht, was sie tun sollen. Dann üben sie wenigstens zehn Minuten mit mir, besser als gar nichts! (lacht)

Und haben solche Übungen, wie du sie vorstellst, deine Chops verbessert?

Auch, aber nicht nur. Meine Chops kommen zu einem beträchtlichen Teil von meinem klassischen Studium. Und ich bin sehr neugierig. Ich kaufe mir auch Kurse von anderen Musiker und schaue mir an, wie deren Methoden funktionieren. Ich spiele die Licks und Lehrinhalte durch, lasse mich von diesen inspirieren. Vor allem will ich nicht stagnieren und neugierig und aufgeschlossen bleiben. Es gibt viele andere grandiose Bassisten im Internet und auf dem Planeten, und es ist nicht immer ganz einfach, mit seinen eigenen Inhalten attraktiv zu sein, aber ich tue mein Bestes.

Ich dachte mir, als Ergänzung zu diesem Interview könnte es toll sein, eines deiner spektakulären Soli zu transkribieren. Ich dachte an ‚Moonlight‘, eine wunderbare Fusion-Nummer, die der Keyboarder Manuele Montesani komponiert hat, und die du mit dem jungen Gitarrengenie Matteo Mancuso und dem Schlagzeuger Daniele Chiantese in einer Formation namens Drift Lab eingespielt hast. Was hältst du davon?

Das könnte eine sehr gute Idee sein, ich mag das Solo. Ich weiß allerdings gar nicht mehr, was ich da gespielt habe, weil ich mich einfach nicht mehr erinnern kann. Aber ich spiele eh oft ähnliches Zeug, ich bin nicht so wie Matteo Mancuso. Er hat eine überbordende Fantasie und sprüht immer vor guten Einfällen. So bin ich nicht.


TRANSKRIPTION

Federicos Solo läuft über eine achttaktige Form, und er erzählt in vier Chorussen eine spannende Kurzgeschichte. Im ersten Chorus (Takt 1-8) steigt er mit einem sehr lyrischen Motiv ein, das über DbMaj7 nur aus Grundton und Quint besteht, dann über Fm11 mit None (9), Undezime (11), Moll-Terz (b3), Septime (b7) und Quint (5) den Akkord-Sound schon sehr farbenreich skizziert. Über Bbm11 beschränkt er sich auf fünf Töne aus der zugrundeliegenden Tonleiter. Diese ist für die ersten sechs Takte jeder Form immer die gleiche. In F Natürlich Moll (auch F Äolisch genannt) ist das Tonmaterial für Fm11, DbMaj7 und Bbm11 enthalten.

(zum Vergrößern klicken!)

Beispiel 1 zeigt die Stufen-Akkorde von F Äolisch in einer auf dem Bass spielbaren dreistimmigen Version jeweils mit Grundton, Terz und Septim. Nur bei Gm7b5 habe ich statt der Terz die verminderte Quint verwendet, weil die den Sound des Akkords klarer abbildet.

Im weiteren Verlauf des Solos hört man, dass Federico über ein großes Vokabular an Jazz-Melodik verfügt. Seine Lines enthalten Arpeggien, Scale-Patterns und jede Menge Chromatic Approaches. Das Solo ist natürlich komplett improvisiert!

Die Tabs zur Transkription sind für einen Viersaiter geschrieben, denn Federico benutzt die tiefe H-Saite seines Mayones-Jabba-Mala-5-Signature-Basses im ganzen Solo nicht einmal. Alle Fingersätze der linken und rechten Hand sind akkurat dokumentiert.

(zum Vergrößern klicken!)

Interessant ist, dass Federico zwar Raking einsetzt, diese Spieltechnik aber nicht dogmatisch immer einsetzt, wenn einem Ton auf einer höheren einer auf der nächst tieferen folgt. Beispiel gefällig? In der Linie in Takt 19 beginnt mit der letzten 16tel von Zählzeit 1 (C, A-Saite, 15. Bund) eine schnelle Folge von Noten abwechselnd auf A- und D-Saite. In solchen Situationen spielt Federico nie Raking, sondern schlägt konsequent die A-Saite mit dem Zeigefinger (i) und die D-Saite mit dem Mittelfinger (m) an. Daraus resultiert ein ganz anderes Phrasing, vergleichbar einem Drummer, der statt dem Handsatz LLRRLLRR (Double Stroke) LRLRLR (Single Stroke) spielt.

Hier das bearbeitete Original-Video, in dem Noten und Tabs synchron mitlaufen:

Wer eine Software wie zum Beispiel Transcribe besitzt, kann das Video mit dieser öffnen, einzelne Passagen loopen und das Tempo stufenlos bis auf 30 bpm (beats per minute) reduzieren.

Hier Manuele Montesanis Original-Playback ohne die Bass-Spur zum Mitspielen der Transkription:


(erschienen in Gitarre & Bass 05/2022)

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