Angesichts schwindender Rohstoffe machen sich Gitarrenbauer:innen zunehmend über alternative Materialien und Konstruktionen Gedanken. Bevor Hersteller wie Emerald, Enya, Klos, Leviora, McPherson, Rainsong u.a. den Kohlefaser-Verbundwerkstoff für ihre Instrumente entdeckten, sorgten bereits 1965 Charles Kamans Ovation-Gitarren für Furore.
Nicht weniger Aufmerksamkeit erhielt die chinesische Firma Lava Music, als sie 2017 die Mini-Dreadnought ME 2 im futuristisch schlichten Design komplett aus dem gleichen Verbundwerkstoff vorstellte. Bei dem aktuellen Modell, um das es hier in erster Linie geht, und das in den Satin Finishes Schwarz, Weiß, Blau, Orange und Rosa erhältlich ist, hat man das nun Super AirSonic genannte Material noch einmal um 20 Prozent widerstandsfähiger gemacht.
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DETAILS
Die Lava ME 2 ist die erste Gitarre, die aus einem einzigen Stück im Spritzgussverfahren hergestellt wird. Lediglich Griffbrett und Steg bestehen aus HPL, einem unter hohem Druck gepressten Laminat aus Fasern und Kunstharz. Der Sattel und die kompensierte Stegeinlage kommen von GraphTech. Die präzise und fein übersetzenden Tuner aus Aluguss sind ebenso Eigenentwicklungen wie das Zweiweg-Pickup-System und der L2 Freeboost Preamp.
Während Boden und Zargen mit auffallend zierlicher Beleistung daherkommen, wird die nur 1,4 mm messende Decke durch eine Honigwabenstruktur stabilisiert, deren Höhe und Dicke je nach Schwingungs- und Klanganforderungen variieren. Laut Hersteller macht dies die Decke nicht nur 15% leichter, sondern auch 70% stabiler. Um auch dem hohlen Hals mehr Stabilität zu verleihen, besitzt er im Innern eine doppelte Zickzack-Struktur und zwei Carbonfaserstäbe. Daher konnte auf einen traditionellen Trussrod verzichtet werden. Etwaige Justierarbeiten sind somit weder erforderlich noch möglich. Der Clou der Lava ME 2 ist jedoch der L2-Preamp mit seinem Effektmodul, welches Chorus, Delay und Reverb in Studioqualität bietet, die auch dann zur Verfügung stehen, wenn die Gitarre unplugged zum Einsatz kommt.
Hä?! Ja, richtig gelesen! Am Boden ist nämlich im Innern eine Art Lautsprecher befestigt, der die vom Piezo-Pickup getriggerten Effekte über den Korpus überträgt, der in diesem Fall quasi als Lautsprechermembran fungiert. Das ungewöhnlich geformte, platzierte und mit elegantem Chromrahmen eingefasste Schallloch macht insofern Sinn, als es die innen angeordneten Bedienelemente wie Delay/ Chorus-Wahlschalter, USB-Mikro-B-Buchse zum Laden des Akkus und das Microphone-Level-Rädchen leicht zugänglich macht.
Das Primärbedienteil an der oberen Zarge hält Volume-Regler mit On/Off-Drucktaster, Status/Akku-LED, Reverb-Level-Poti und den Regler für Chorus Level bzw. Delay Time bereit. Äußerlich wird das Korpus-Design von großzügig verrundeten Zargenkanten und einem gewölbten und zum Hals hin um 25 mm abfallenden Boden bestimmt. Einzige Verzierung ist das spiegelnde Hersteller-Emblem unterhalb des aufgesetzten Stegs, bei dem die Saiten von hinten eingefädelt werden. Der untere der identischen Gurtpins beinhaltet gleichzeitig die Klinkenbuchse.
Das HPL-Griffbrett, auf dem sich 18 vorbildlich eingesetzte, schmale, per PLEK-Pro-System bearbeitete Bünde mit nicht ganz so sorgfältig polierten Kanten breit machen, besitzt das Aussehen und die Haptik von Ebenholz. Silberfarbene Sidedots unterstützen die Navigation. Hinter dem bestens aus- und abgerichteten Black-Tusq-Sattel erreichen die Saiten die präzise und geschmeidig arbeitenden Lava-Tuner. Anstelle konventioneller Muttern hat man sie frontseitig mit runden Gewindescheiben montiert, für die ein spezieller Stift-, Flansch- oder Zweilochschlüssel erforderlich ist.
ERSTKONTAKT
Die seidenmatten Oberflächen lassen die Carbonfaser-Haptik fast vergessen. Das ovale Halsprofil liegt perfekt in meiner Hand, allein das kantige HPL-Griffbrett sollte der Hersteller etwas mehr abrunden, zumal es bis zu den E1/E6-Saiten noch reichlich Platz gibt. Während sich die Saitenlage in den unteren Gefilden als komfortabel erweist, werden die vom Hersteller propagierten 2,1 mm der E6-Saite am 12. Bund nicht erreicht. Da Nachjustieren nicht möglich ist, gilt es bei Bedarf die Stegeinlage entsprechend abzuschleifen.
Die runden Korpuskanten bieten zwar besten Tragekomfort, sobald ich mich jedoch während des Spielens auf einem Stuhl ein wenig zurücklehne, rutscht der Body über mein Bein nach vorne. Der Ovation-Effekt! Abhilfe schafft eine Latexhose oder … klar, ein Gitarrengurt! Im Übrigen gibt sich die superleichte Lava ME 2 nicht kopflastiger als jede andere ähnlich bemessene Akustikgitarre und lässt sich dank des Übergangs knapp oberhalb des 16. Bunddrahtes entspannt bis in die höchsten Lagen bespielen.
UNPLUGGED
Zu einem A/B-Klangvergleich schnappe ich m,ir meine kleine, vollmassive Larrivée 12-Bund Parlor, deren 610-mm-Mensur nur wenig länger ist. Vielleicht nicht ganz fair, aber zu meinem Erstaunen bleibt die Lava von der Konkurrenz völlig unbeeindruckt. Sie ist nicht nur deutlich lauter, sondern klingt auch erheblich voluminöser und auch mittiger als die Parlor, zeigt dabei eine ähnliche Transparenz und Luftigkeit, sehr schöne Dynamik, langes stabiles Sustain und ausreichendes Höhenpotenzial, gibt sich jedoch im Obertonbereich zurückhaltender. Kurz: Bin von der ME 2 gleichermaßen überrascht wie beeindruckt, auch wenn ihr ein Hauch von blechernem Grundcharakter anhaftet, der offenbar dem verwendeten Material geschuldet ist. Obwohl der Hersteller den Hals als extrem steif anpreist, gibt er bei String Bendings leicht nach. So lässt z.B. bei der 13er-Werksbesaitung ein Ganzton-Bending der E1- die E6-Saite um 15 Cent sinken. Fingerpicking und Strumming sind davon jedoch nicht betroffen.
Zunächst bleibt der Acoustic-Amp ausgeschaltet, ich spiele also unplugged. Um den L2 Freeboost Preamp und damit die Onboard-Effekte zu aktivieren, halte ich den Volume-Regler kurz gedrückt. Die winzige LED signalisiert den Status und gleichzeitig den Akkuzustand. Es empfiehlt sich, die Reverb- und Chorus-Regler stets voll aufzudrehen. Im Delay-Betrieb kontrolliert das Poti ausschließlich die Delay Time. Unterm Strich tönen die Effekte für eine rein akustische Darbietung viel zu leise, da sie vom Pegel der Gitarre übertönt werden. Es nützt auch wenig, leiser anzuschlagen, da das Effektmodul einen entsprechenden Eingangspegel benötigt. Somit kommen Reverb und Delay eigentlich nur dann zur Geltung, wenn man kurz die Saiten abdämpft, während der Chorus-Effekt ständig dezent wahrzunehmen ist. Zudem leidet die Qualität der Studioeffekte durch die indirekte, fast megaphonisch klingende Wiedergabe über den Korpusboden.
PLUGGED
Bevor der Acoustic-Verstärker zum Einsatz kommt, noch etwas zu den Reglerknöpfen: Zwar passen diese perfekt zum Design der Lava ME 2, lassen sich jedoch durch ihre glatten Oberflächen umständlich handhaben. Gummierte Softgrip-Knöpfe wären hier wünschenswert, die sich sogar mit nur einem Finger oder dem Daumen bedienen ließen. Schließe ich bei inaktivem Preamp ein Gitarrenkabel an, tritt automatisch der L2 an den Start, signalisiert durch die bei ausreichender Akkuleistung grün leuchtende Status-LED. Belegt ein Klinkenstecker die Output-Buchse, lässt sich der Preamp nicht über den Drucktaster ausschalten, z.B. um den Akku zu schonen. Dazu muss stets der Stecker gezogen werden.
Verstärkt zeigt sich, dass der L2-Preamp satten Output liefert, der deutlich über dem des L.R.Baggs Anthem meiner Sigma-Gitarre rangiert. Dreht man den Anteil des Onboard-Mikrofons auf Null, ist das Klangbild von fundamentalen Bässen, warmen Mitten und samtigen, wenn auch etwas blassen Höhen geprägt. Bevor ich jedoch Selbige am Verstärker anhebe, erhöhe ich den Anteil des Mikrofons, das den Klang auslüftet, für brillantere Höhen sorgt, aber auch Feedbacks fördert. Praktikable Einstellungen sind jedoch schnell gefunden. Angesichts der doch recht kräftigen Bässe wird man nicht umhin kommen, diese etwas abzusenken.
Generell lässt sich sagen, dass Strumming nur wenig Unterstützung vom Mikrofon benötigt, Fingerpicking hingegen schon. Insgesamt liefert die Lava ME 2 achtbare Acoustic-Klänge, die sowohl im Band-Kontext ihren Platz finden, als auch beim Solo-Einsatz überzeugen.
Erst am Verstärker zeigen die Onboard-Effekte ihre eigentlichen Qualitäten. Die simulierte Raumgröße betreffend, lässt sich Reverb eher dem Typ Hall zuordnen. Sehr schön klar, homogen und natürlich. Der Chorus verleiht dem Klang angenehme Räumlichkeit und erzeugt eine geschmackvoll abgestimmte moderate Modulation. Einstellbar ist hier das Effekt-Level. Abhängig von der Anschlagsintensität erzeugt das Delay etwa 7-10 Feedbacks, das Level des ersten Echos entspricht dem des Direktsignals, die Delay Time kann mit dem Regler von 0 bis 500 ms (120 bpm) nahezu stufenlos variiert werden.
Das zum Lieferumfang zählende, sehr stabile Ideal Bag 2 Softcase ist nicht größer als ein konventioneller Formkoffer, bietet (leider nicht abnehmbare) Tragegurte und schützt die Lava ME 2 perfekt.
(Bild: Dieter Stork)
RESÜMEE
Nachdem die chinesische Firma Lava Music die vor fünf Jahren vorgestellte travel-formatige ME 2 überarbeitet und ihr neben optimierten Super-AirSonic-Materialien auch den über Akku betriebenen L2-Preamp und das Freeboost mit Effekten spendiert hat, überzeugt die Gitarre mit ansprechendem, voluminösem und lautem Naturklang. Während das integrierte Mikrofon im Unplugged-Betrieb perkussive Elemente unterstützt, sorgt es am Verstärker für crispe Brillanz, die dem Klangbild Breite und Transparenz verleiht. Ohne Amp lässt die Wirkung der Onboard-Effekte zu wünschen übrig, sodass sie z.B. bei einer Freiluftdarbietung kaum zur Geltung kommen.
Ganz anders am Verstärker: Der L2-Pickup klingt überzeugend, erst Recht in Kooperation mit dem Mikrofon. Die geschmackvoll abgestimmten Effekte bilden quasi die Sahnehaube. Abgesehen vom recht kantigen Griffbrett und der problematischen Handhabung des Korpus beim Sitzen, lässt sich die federleichte Lava ME 2 komfortabel spielen, am Gurt sowieso. Da sie Temperaturen von -20° bis +90° und Luftfeuchtigkeit von 10-90% verkraftet, empfiehlt sie sich als perfekte Reisegitarre.
PLUS
Konzept & Design
Klang & Lautstärke
Dynamik & Sustain
extrem klimaresistent
Effektqualität am Amp
Spielbarkeit & Zugang zu hohen Lagen
Verarbeitung
Konzept Ideal Bag 2
MINUS
Effekte im Akustikbetrieb zu leise (ME 2)
Akku nicht austauschbar
Potis etwas rutschig
(Bild: Dieter Stork)
LAVA ME 3
Smartguitar Reimagined
Kurz nachdem ich den Test der Lava ME 2 fertiggestellt hatte, schneite mir das Topmodell des Herstellers ins Haus, dessen Features wirklich beeindrucken. Sogar mich.
Neben zwei Größen mit 936 und 966 mm Gesamtlänge und entsprechend angepassten Proportionen ist die M3 in den Farben Weiß, Pink, Blau, Rot, Soft Gold und Space Grey erhältlich. Dies ist jedoch eher Nebensache, denn anstelle dreier Regler wird sie über einen hochauflösenden, farbigen 3,5″-Multi-Touchscreen bedient.
Basis ist das HILAVA-Betriebssystem, das, nachdem man sich per Lava+-Smartphone- oder -Tablet-App quasi bei der Gitarre angemeldet hat, völlig autark arbeitet, Wi-Fi und Bluetooth unterstützt und Projekte wie Musik, Loop Recordings, Fotos usw. automatisch mit der LavaCloud synchronisiert. Inzwischen hat man die Wabenstruktur der Decke noch einmal optimiert, die laut Lava nun 20% mehr Klangvolumen und 30% mehr Sustain liefert. Das AirSonic-2-Carbonfasermaterial, das 30% mehr Stoßresistenz garantieren soll, wurde ebenso verbessert wie die Freeboost-2.0-Technologie.
Der leistungsstarke Lithium-Akku, der mehr als 2 Wochen Standby- oder 9 Stunden Dauerbetrieb gestattet, kann über zwei Kontaktpunkte in einem optional erhältlichen Docking-Ständer oder per USB-C-Buchse geladen werden. Was hat das HILAVA-Betriebssystem nun alles an Bord? Die Auflistung würde selbst einen separaten Test sprengen, dennoch ein Versuch in Kürze:
Tuner: Auto, Manual, 8 Tunings (sehr ruhige und präzise Anzeige mit Bestätigungssound bei korrekter Stimmung)
Effects: Reverb, Delay, Reverse Delay, Chorus, Tremolo, Phaser, Flanger, Ring Modulator, Octaver, Stutter, Wah, Slow Gear, Pitch Shift, Shaper Box, IR (nur über Amp), Distortion, alles über jeweils mehrere Parameter editierbar
Practise App: Akkorde, Strumming Patterns, Skalen/Tonleitern, Gehörtraining, Single Note (Tempotraining), alles mit Ergebnis-Feedback
Loop: Aufzeichnen/Speichern von bis zu vier Spuren im Overdub-Verfahren, zahlreiche Drum Patterns stehen zur Verfügung
Music: Wiedergabe von Audio-Dateien
Pictures: Bildbetrachter
Updates: Firmware- und Software-Updates
Settings: Globale Einstellungen, u.a. 6-Band-EQ, Mix Micro/Piezo bei Amp-Übertragung, diverse Pegeleinstellungen, Speicherstatus und -kapazität (max. 32 GB) Display-Helligkeit, Hintergrundgrafik
Akkukapazität in Prozent, WLAN- und Bluetooth-Status
Zwar ist die Bedienung der HILAVA-Apps über den Touchscreen im Großen und Ganzen intuitiv (Tippen, zweimal Tippen, Ziehen up/ down/links/rechts), allerdings ist es mangels einer detaillierten Bedienungsanleitung oft nicht leicht, aus einer der mitunter zahlreichen Menu-Ebenen wieder zurück auf die Startseite zu finden.
Mit Hilfe der Lava+-App können Musik, Bilder, erstellte Loops usw. innerhalb der Lava Community heruntergeladen, hochgeladen und geteilt werden. In Betrieb genommen wird die Lava ME 3 über einen Taster im Schallloch, wo auch das Master-Volume-Endlospoti komfortabel zugänglich ist, dessen Setting im Display angezeigt wird. Eine weitere Verbesserung sind praxisgerechte Effects Level im Unplugged-Einsatz.
Alles in Allem präsentiert sich die Lava M3 als ideales Tool für Songwriting, Solo-Gigs, Straßenmusik, im Band-Kontext u.v.a. und bietet dabei ein hohes Spaß- und Kreativpotenzial.