Die amerikanische Company „betreut“ bekanntlich einige der namhaftesten Gitarristen im Metal-Genre mit exklusiven Signature-Amps, die auch Normalos erwerben können. Am anderen Ende der Fahnenstange ist die Diavlo-Serie angesiedelt. Sie soll den ambitionierten Einsteiger bedienen, frei nach dem Motto: Viel Sound für kleines Geld.
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Wir hatten in Ausgabe 03/2012 das Topteil RD50H samt 1×12-Cabinet im Test. Zu dieser Zeit war die Diavlo-Serie noch im Aufbau. Inzwischen ist sie recht umfangreich geworden, umfasst diverse Topteile, Cabinets und Combos. Einiges hat sich auch in jüngerer Vergangenheit noch geändert, unter der Ägide des neuen Cheftechnikers Mike Fortin (in den Staaten ein bekannter Amp-Designer), der Mitte des Jahres 2012 zu Randall stieß. So ist der RD50H nun gar nicht mehr im Programm, sondern dafür ein RD45, der mit unserem Testkandidaten sehr nahe verwandt ist.
Konstruktion des Randall RD20H
Ein Aspekt, der den RD20H von vorneherein spannend macht, ist die Tatsache, dass seine Endstufe von zwei 6V6-Röhren befeuert wird. Die in einem rockigen Amp? Na, das ist eine Seltenheit. Eher findet man so ein Duett in Vintage-Verstärkern bzw. -Replikas und vielen puristischen Boutique- Amps. Der Klassiker par excellence ist in der Hinsicht Fenders Deluxe Reverb. Heerscharen von Gitarristen bedien(t)en sich seiner, wegen des musikalischen Tons.
Eine Class-AB-Gegentaktendstufe mit statischem Gitterbias, ein guter Ausgangstrafo dazu, so erzeugt ein 6V6-Duett ja auch reichlich Energie. Für Clubs und kleinere Venues allemal ausreichend. Und so schön kompakt mit den kleinen Röhren. Ganze 10 Kilo wiegt der RD20H und nimmt kaum Platz weg beim Transport.
Die Ausstattung: Zwei Kanäle namens Clean und Overdrive mit gemeinsamer, natürlich klassisch passiver Vierbandklangregelung. An Pegelreglern sind vorhanden Clean- Gain, Overdrive-Gain und -Volume, und zusätzlich noch am Ende des Signalwegs ein Master-Volume. An der Rückseite finden sich die Anschlüsse Send und Return eines seriellen Einschleifwegs und drei Lautsprecherbuchsen (1× 8 Ohm, 2× 4 Ohm).
Ein Muss ist in diesem Preissegment bzw. der Verstärkerkategorie inzwischen ein D.I.-Out mit Frequenzkompensation. Ja, ist hier sogar als XLR-Anschluss vorhanden. Er gibt ein trafosymmetriertes Signal ab und verfügt über einen Ground-Lift-Schalter, für den Fall, dass eine Masseschleife Störgeräusche in Form von Brummen provoziert. Natürlich ist auch ein Footswitch-Anschluss vorhanden. Über ihn kann der Kanalwechsel und die Boost-Funktion in der Overdrive-Sektion fernbedient werden. Ein entsprechendes Zweifach-Schaltpedal, ohne LED, schlicht aber funktional ausreichend, gehört zum Lieferumfang. Ein Netzkabel bekommt man auch dazu, und eine rudimentäre Bedienungsanleitung in Englisch; schade, gerade Einsteiger können Besseres gebrauchen.
In dieser Preisklasse ist der Wettbewerb turbulent. Die Hersteller müssen zusehen, dass sie kostengünstig produzieren um ihren Produkten ein Maximum an Gebrauchswert mit auf den Weg geben zu können. Gerade deswegen geht in diesem Segment an „Made in China“ kaum noch ein Weg vorbei. Das gilt auch für Randalls Diavlos. Aber welch schöne Überraschung wartet auf den, der den äußerlich doch einfach gemachten RD20H öffnet bzw. das Chassis entnimmt. Man bekommt einen sehr soliden Aufbau in anspruchsvoller Platinentechnik zu Gesicht, einwandfrei und qualitativ überdurchschnittlich. Bei näherem Hinsehen wird deutlich, dass der RD20H kein reinrassiger Röhrenverstärker ist. An mehreren Stellen unterstützen Halbleiter- ICs die Signalbearbeitung. Die Röhren sind indes von bester Qualität, sämtlich geliefert von RubyTubes/USA. Fixiert mit Blechhülsen bzw. Sockelklammern stehen die vier 12AX7 und die Endröhren stabil in den Fassungen. Auch das Spanplattengehäuse des Amps präsentiert sich ordentlich verarbeitet. Gute Idee im Übrigen, gleich drei Lüftungsebenen zu schaffen: Vorne, hinten und oben kann die Abwärme der Röhren austreten.
RD112V30-D
Wir befinden uns im Niedrigpreissegment. Und dürfen uns insofern nicht wundern, wenn die Substanz ein wenig karg wirkt. So wird das hinten geschlossene Gehäuse aus einem Pressspanmaterial gefertigt und ist entsprechend schwer; 21 Kilogramm sind für eine 1×12-Box schon reichlich. Die Schallwand ist leicht schräggestellt und weist zwei Reflexöffnungen auf. Metallkappen an allen Ecken, Gummifüße, kein Tragegriff oben, dafür schlichte, aber komfortabel geformte Griffmulden an den Seiten, ein stabiles Gitter an der Front. Soweit alles okay. Nur, dass die Klinkenbuchse hinten weit übersteht, ist sicher nicht der Weisheit letzter Schluss (es soll ja durchaus billige Montageplatten geben, die die Buchse versenkt aufnehmen). Erfreulich ist dagegen, dass das Cabinet mit einem Vintage 30 von Celestion bestückt ist.
Randall RD20H und RD112V30-D in der Praxis
Einschalten zum Vorwärmen … upps, der Kleine bietet ja sogar etwas fürs Auge. Schwüles Rotlicht erhellt den Innenraum des Topteils; vier LED erzeugen die Beleuchtung. Danke für die nette Optik, aber uns interessieren die inneren Werte. Welchen Charakter hat das Topteil, auf welchem Niveau bewegt sich die Klangformung? Nun, der RD20H entpuppt sich als der Gruppe von China-Amps zugehörig, die inzwischen beachtliches Format entwickeln. Auf der Basis einer erfreulich energiereichen Signalverstärkung formt der Dreikäsehoch eine in sich stimmige, ziemlich geschmeidige Wiedergabe. Womit nicht gesagt sein soll, dass er harmlos klingt. Im Gegenteil, die Overdrive-Sektion produziert mit offensiver Attitüde moderne, in den Mitten sehr fette Distortion. Hohe, um nicht zu sagen extreme Gain-Reserven und eine nachhaltig arbeitende Klangregelung sorgen dafür, dass das Topteil ein hohes Maß an klanglicher Flexibilität bereithält. Der RD20H hebt gerne Obertöne und Flageoletts hervor und er erzeugt auch pumpenden Druck bei gedämpft gespielter E6- und A5-Saite. Randall hat dem Amp einen präzisen Attack mit auf den Weg gegeben, was schnell gespielte Staccato-Linien unterstützt. Im Gegenzug ist er aber auch eher unnachsichtig beim Solieren, weil er nicht hilft, die Note ins Legato zu binden. Dennoch, das hört sich doch eigentlich alles super an? Richtig, am Preissegment gemessen, macht sich der RD20H wirklich gut. Dass er in einigem Abstand zu erleseneren Amps steht, ist jedoch ebenso unverkennbar. Dies kennzeichnen z. B. die eingeschränkte Transparenz, ein leicht nörgelnder Unterton in den oberen Mitten und eher wenig Charisma im Ton.
Davon abgesehen, sollte man beim Anchecken genau darauf achten, ob einem die Balance zwischen den beiden Kanälen zusagt – schließlich ist nur eine gemeinsame Klangregelung vorhanden. Wenn der Overdrive-Kanal Metal-mäßig auf sägende Höhenanteile eingestellt ist, kann einen der Clean-Sound viel zu brillant anspringen; im Zweifelsfall reicht es, das Guitar-Tone-Poti ein wenig zurückzudrehen. An sich ist der Clean-Kanal jedenfalls kraftvoll und klingt fast schon glockig, wenn nicht die oben bereits angesprochene Mittennase so vorwitzig wäre. Außerdem hat er reichlich Headroom, das heißt, er fängt spät, erst bei höherer Lautstärke an zu verzerren.
Dickes Lob für den D.I.-Out. Sein Signal ist sehr gut abgestimmt, hat eher wenig Höhen als zuviel. Das klingt alles dem Speakersound sehr ähnlich, klasse. Daumen hoch auch für den FX-Weg. Die Signalqualität einwandfrei, das Pegelniveau niedrig und damit universell, der Einschleifpunkt vor dem Master-Volume platziert; jau da könnte man fast sagen „perfekt“. Nur fast, denn leider setzt sich bei den Schaltvorgängen ein geringes, aber doch hörbares Knacken in den Send fort, wodurch die Freude ein bisschen getrübt wird.
Nun fragt man sich, ob die guten Anlagen des Topteils denn von dem kleinen 1×12-Cabinet adäquat zu Gehör gebracht werden. Doch, der Vintage 30 blüht schön auf und die Sounds lösen sich gefällig von der Box. Sie wirkt nicht topfig oder unangenehm bissig, lässt im Bassbereich mit Volumen gedämpfte Noten ordentlich schieben und wirkt insofern ausgewogen. Wir hatten dieselbe Box bestückt mit einem Randall-Speaker parallel zur Verfügung. Kostet ca. € 70 weniger und geht schon mit deutlich anderer Attitüde ans Werk. Sie klingt etwas weniger transparent, verhalten in den Höhen, im Attack nicht so spontan wie die Vintage-30-Version. Deutlichster Unterschied ist, dass sich die Sounds quasi in der Membran tummeln, sich aus der Box nicht entschlossen lösen. Aber aufgepasst: Anders herum gerechnet, mit einem Aufpreis zum Vintage-30-Cab, verschwinden immerhin 28 Prozent mehr Kohle aus dem Portemonnaie. So gesehen macht das günstigere Cab eigentlich auch schon einen guten Job.
Alternativen zu Randall RD20H und RD112V30-D
So ein Konzept kombiniert mit einer 6V6-Endstufe? Rar wie Hühnerzähne. Insofern kaum Konkurrenten in Sicht. Könnte man meinen. Unter tonalen Aspekten, wegen der Ausrichtung auf das harte Gewerbe, kommt trotzdem ein veritabler Gegenspieler auf die Bühne. Engls Gigmaster 15. Der kleine Bösewicht haut genau in dieselbe Kerbe, samt D.I.-Out und schaltbarem Attenuator.
Was die Box angeht, ist der Konkurrenzkampf auch nicht härter. 1×12-Cabinets bestückt mit dem Vintage 30 sind in der Preisregion selten. Alternativ wäre z. B. von Orange die PPC112 (Birkenschichtholz!) einen Vergleich wert.
Resümee
Klein in den Abmessungen und leicht im Gewicht, aber groß und massig im Ton. Der RD20H produziert klanglich sehr respektable Ergebnisse, dank satter Dynamik, hoher Flexibilität, und eines eleganten High-Gain-Kanals. Substanz und Verarbeitung punkten ebenfalls satt im Plus. Preis und Leistung stehen unterm Strich in einem plausiblen Verhältnis.
Der Box könnte man ihre schlichte Machart ankreiden. Klanglich lässt sie sich davon aber nicht beirren, erzeugt sie doch ein angenehm lebendiges und voluminöses Klangbild. Besonders preisgünstig wirkt sie allerdings nicht.
Übersicht Topteil
Fabrikat: Randall
Modell: RD20H
Gerätetyp: E-Gitarren-Verstärker, Topteil, zwei Kanäle