Americana Standards: Sleepwalk
von Martin Schmidt, Artikel aus dem Archiv
(Bild: Archiv)
Und weiter geht’s mit den Americana-Standards! Diesmal nehmen wir uns die Ballade ‚Sleepwalk‘ vor.
Der Song
Bei ‚Sleepwalk‘ handelt es sich um ein Steel-Guitar-Instrumental, das 1959 von den Brüdern Santo und Johnny Farina komponiert wurde. Der Song war ihre erste Single auf dem Label Canadian-American Recordings und wurde direkt zum Hit – ein perfekter Karrierestart. Der Lounge-Sound mit Santo an der Steel-Gitarre und Johnny als Rhythmusgitarrist blieb erfolgreich, sodass die zwei New Yorker in den Sechzigern und Siebzigern zahlreiche weitere Alben aufnahmen, auf denen sie Jazz-Standards, Beatles-Songs und Filmthemen wie ‚The Godfather‘ in ihr Soundgewand kleideten.
Während der Ruhm des Duos ab Ende der Siebziger schwand, blieb ihr erster Hit ein beliebter Song, der von zahlreichen Gitarristen – unter anderem Brian Setzer, Larry Carlton, Danny Gatton, Joe Satriani und Jeff Beck – und auch als Gesangsnummer gecovert wurde. Mit der melancholischen I-VI-IVm-V-Verbindung und dem 12/8-Feeling ist ‚Sleepwalk‘ die Blaupause für eine typische 50s-Ballade, die sich auf unzählige Arten spielen lässt, aber dennoch nicht ihren ursprünglichen Charme verliert.
Arrangement
In Beispiel 1 findest du ein Arrangement, das die Melodie mit verschiedenen Konzepten interpretiert. Im ersten A-Teil bleibe ich recht nah am Original und spiele die Melodie mit Singlenotes. In Takt 4 harmonisiere ich mit Terzen, was äußerst romantisch klingt und gut zum schmalzigen Charakter des Themas passt.
Den letzten Takt des ersten A-Teils fülle ich mit etwas Chord Melody, bestehend aus D-Moll und verminderten Dreiklängen. Im zweiten A-Teil führe ich das Chord-Melody-Konzept fort und harmonisiere die Melodie überwiegend mit Dreiklängen, die nicht schwer zu greifen sind, aber mit den darunterliegenden Basstönen der Akkorde viel Sound produzieren.
Der B- Teil orientiert sich anfangs am Original, fügt aber in der zweiten Hälfte wieder ein paar Dreiklänge hinzu. Der Dm über den F-Dur-Akkord erzeugt einen F6-Klang, der D-vermindert über den F-Moll einen Fm6-Sound.
Im letzten A-Teil sorgen dann Bendings für eine weitere Variation, bevor ein jazziger Turnaround, bei dem der Am7 durch einen Eb6 ersetzt wird, das Thema abschließt. Wer auf der Suche nach weiteren Variationen und Wegen ist, den Song zu interpretieren, kann sich auf www.santoandjohnny.com durch eine Sammlung von YouTube-Videos klicken und hören, was man alles aus dem eher schlichten Original machen kann.
Begleitung
Das Reizvolle an ‚Sleepwalk‘ ist für mich der Kontrast zwischen den simplen Begleitakkorden und der Melodie, die viele Erweiterungsmöglichkeiten in harmonischer Hinsicht bietet. Hält man die Begleitung simpel, mit einfachen Cowboy-Chords und Barré-Akkorden ohne Alterationen, hat der Solist alle Freiheiten, das Stück so zu drehen, wie es ihm oder ihr gefällt. Als Anregungen habe ich drei Patterns für die ersten vier Akkorde notiert, die du auf den Rest des Stücks übertragen kannst.
Beispiel 2 zeigt eine Arpeggio-Figur, die man auch in zahlreichen Soul-Balladen findet. Beispiel 3 erweitert das Arpeggio-Pattern mit ein paar Bassläufen, was besonders im Gitarren-Duo oder als Loop-Figur gut klingt. Beispiel 4 ist ein typisches Strumming-Pattern, das du im B-Teil einsetzen könntest, wenn du ihn dynamisch etwas abheben möchtest. Es klingt allerdings auch gut in der Kombination mit der Arpeggio-Figur und einer Akustikgitarre. Viel Spaß beim Variieren!
(Die Noten können durch Anklicken vergrößert werde)
(erschienen in Gitarre & Bass 05/2022)