Hübsche Schwestern

Ortega RCE158SN & RCE 159MN im Test

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Zwei Konzertgitarren mit Cutaway von Ortega
(Bild: Dieter Stork)

 

Ein hübsches Schwesternpaar, das den beiden identischen Gigbags vor mir entschlüpft. Und der erste Blick auf hochglanzlackiertes Zedern- bzw. Fichtenholz in Verbindung mit der Herkunft aus dem Hause Ortega sowie der überaus erschwingliche Preis haben meine Neugier bereits geweckt.

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Fest verwurzelt in der spanischen Gitarrenbautradition weiß die 1994 gegründete Gitarrenschmiede Ortega immer wieder mit Instrumenten zu überzeugen, in deren Konzeption jedoch auch die Bedürfnisse moderner (Live-)Musiker Berücksichtigung gefunden haben. Rein konzeptionell gilt dies definitiv auch für die beiden Testinstrumente, die sich mit Cutaways, eingebauter Elektronik, Gurtpins und im Vergleich zur klassischen Urform reduzierten Halsbreiten eher nicht zuvorderst an Gitarristen wenden, welche das Instrument gewohnheitsmäßig unter Zuhilfenahme von Fußbänkchen auf dem linken Oberschenkel balancieren. Wenngleich die 4/4-Größe zumindest nicht von vornherein ausschließt, dass die RCE158SN und ihre Schwester RCE159MN auch ganz unverstärkt eine gute Figur machen.

Zur RCE159MN wäre noch zu sagen, dass es sich um eine limitierte Auflage handelt, von der lediglich 60 Stück gebaut wurden; ein Umstand, der sich erfreulicherweise nicht auf den Preis niederschlägt.

 

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(Bild: Dieter Stork)

 

Konstruktion von Ortega RCE158SN und RCE 159MN

Abgesehen von den eingangs erwähnten Features handelt es sich sowohl bei der RCE158SN mit ihrer fein und gleichmäßig gemaserten Fichtendecke, als auch bei der RCE159MN, deren Decke aus Zeder besteht, um traditionell in spanischer Bauweise gefertigte Instrumente. Die Hals-Korpus-Verbindung ist in Form eines spanischen Halsfußes realisiert, dabei werden die Zargen noch vor Vollendung des Korpus in den Halsfuß eingepasst. Die Bodies beider Modelle weisen identische Dimensionen auf und bestehen in beiden Fällen aus laminiertem Palisander. Schlichte Einfassungen aus ebendiesem Material mit filigranen Zierspänen kommen im Übergangsbereich Decke/Korpus sowie seitlich an den Zargenrändern zum Einsatz. Auch die Palisanderrosette, innen und außen von einem Perlmuttstreifen flankiert und stegseitig mit einem Inlay in Form eines Doppelsegels aus hellem Holz versehen, ist makellos gearbeitet und trifft meinen Geschmack.

Der Mahagonihals kommt mit relativ flachem D-Profil daher und ist, wie bereits angedeutet, bei der RCE158SN (small neck) mit 48 mm Sattelbreite 4 mm schmaler als der Konzertgitarrenstandard; diesem nähert sich die RCE159MN (medium neck) mit 50 mm Breite schon etwas mehr an. Beide Kopfplatten sind aus demselben Stück Holz herausgearbeitet wie der Hals und nicht angeschäftet, dabei sieht eine frontseitige, ca. 2,5 mm dicke Palisanderauflage nicht nur edel aus, sondern stabilisiert das System auch konstruktiv. Diese Funktion übernimmt im Halsinneren ein 2-Wege-Stahlstab, dessen Innensechskantschraube vom Schallloch her zugänglich ist. Ein Halsstab kommt sonst eher im Steelstringbereich vor, da Nylonsaiten lange nicht so heftig am Hals zerren, aber der Gesamtstabilität kann das nur zuträglich sein.

Ein Blick ins Innere der Instrumente enthüllt eine traditionelle, filigrane 5er-Fächerbeleistung. Auch hier muss man von höchster handwerklicher Präzision sprechen, denn alle geleimten Verbindungen sind perfekt ausgeführt, was im Übrigen auch für die makellose Hochglanzlackierung beider Modelle gilt. Hervorzuheben wäre noch der 12-Loch-Steg aus Palisander, dessen Doppelbohrungen eine einfachere und dennoch stimmstabilere Saitenbefestigung gewährleisten und die den Saitenzug auf günstigere Weise auf die Decke übertragen sollen. Ein Palisandergriffbrett mit 19 tadellos abgerichteten Medium-Bünden komplettiert den guten Eindruck.

 

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(Bild: Dieter Stork)

 

Ortega RCE158SN und RCE 159MN in der Praxis

Nach eingehender praktischer Bearbeitung der beiden Testinstrumente ist es auch an dieser Stelle noch nicht erforderlich, zwischen beiden Instrumenten zu differenzieren: die Bespielbarkeit ist durchweg hervorragend, die Saitenlage mit 3,2 mm (RCE158SN) bzw. 3,4 mm (RCE159MN) über dem 12. Bund für meinen Geschmack sogar fast ein wenig niedrig: Bei beherzt vorgetragenen Wechselschlag-Apoyando-Sololinien wird ein ganz minimales, beinahe flamencoartiges Schnarren vernehmlich. Störend ist dies allerdings keineswegs und bei kultivierter Spielweise ist es auch nicht vorhanden. Die reduzierte Halsbreite wird auch Gelegenheits-Klassikern oder Steelstring- bzw. E-Gitarren-Umsteigern den Zugang versüßen, wobei mir persönlich der breitere Hals des Zedernmodells etwas mehr behagt.

Aber wie klingen sie denn nun? Kurze Antwort: erfreulich gut! Der 4/4-Korpus beschert trotz Cutaway beiden Modellen einen sehr vollen und warmen Frequenzgang mit jeweils gut austariertem Bassbereich. Nach meinem Empfinden klingt das Fichtenmodell RCE158SN etwas HiFi-mäßiger, verfügt also über geringfügig tiefere Bässe und einen etwas glitzernderen Diskant, dafür kommt mir der Mittenbereich ein wenig rauer vor, wobei man der Fichte gemeinhin das größere Entwicklungspotential zuschreibt. Auch ohne dieses weiß das Zedernmodell RCE159MN bereits ab Werk mit überaus balancierten und warmen Mittenfrequenzen zu gefallen.

Ich kann mich beim besten Willen nicht entscheiden, welche mir besser gefällt. Beide Gitarren sind mit dem Ortega-eigenen Magus-Pro-NL-Pickupsystem ausgestattet, wobei „NL“ wohl eher für „Nylon“ als für unsere nordwestlichen Nachbarn steht, denn der von 6 Einzelkristallen sehr ausgewogen bereitgestellte Piezo-Klang lässt sich mit der 3-Band-Klangregelung sehr wirkungsvoll entzerren, da die voreingestellten Bänder exakt auf die entscheidenden Frequenzen einer Nylonstring-Gitarre einwirken. Die in die obere Zarge eingelassene Bedieneinheit des Tonabnehmers erlaubt überdies den Zugriff auf einen erfreulich präzisen und leicht ablesbaren, aber nicht kalibrierbaren Tuner mit zweifarbigem Display. Einmal per Taster aktiviert, wird gleichzeitig der Output stumm geschaltet. Sehr gut. Zu guter ist noch ein Phasenumkehrschalter an Bord, der beim Unterdrücken von Feedbacks hilfreich sein kann.

Lobenswert ist, dass ab Werk zwei Gurtpins vorhanden sind; mithilfe des mitgelieferten Gurtes kann man also auch verstärkt und im Stehen direkt loslegen. Ebenso zum Lieferumfang gehört übrigens ein hochwertiges Gigbag.

 

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(Bild: Dieter Stork)

 

Resümee

Angesichts eines Listenpreises von je € 445 für jedes der beiden Modelle muss man auch hier wieder die Formulierung bemühen, dass Ortega verdammt viel Gitarre fürs Geld bietet. Perfekt verarbeitete und gut bespielbare Instrumente, deren natürlicher Klang ebenso zu überzeugen vermag wie der elektrisch abgenommene. Wer also nicht in erster Linie ein Instrument zur Live-Darbietung des klassischen Repertoires sucht, sondern ein problemloses, gut klingendes und erschwingliches Instrument für die Bühne und das Sofa, wird hier fündig.

 

Übersicht

Fabrikat: Ortega

Modell: RCE158SN/RCE159MN

Typ: Elektroakustische Konzertgitarre mit Cutaway

Herkunftsland: China

Mechaniken: Ortega, vergoldet

Hals: Mahgoni

Sattel: Knochen

Griffbrett: Palisander

Halsform: D-Profil, flach

Halsbreite: Sattel 48 mm/50 mm XII. 56 mm/60 mm

Bünde: 19

Mensur: 650 mm

Korpus: Palisander, laminiert

Decke: Fichte, massiv/Zeder, massiv

Oberflächen: Hochglanz

Steg: Palisander

Stegeinlage: Knochen

Saitenbefestigung: 12-Loch, klassisch

Elektronik: Ortega Maguspro-NL

Gewicht: 1,85kg/1,85kg

Lefthand-Option: nein

Vertrieb: Meinl

www.meinldistribution.eu

www.ortegaguitars.com

Zubehör: Gigbag, Gurt

Preis: je ca. 445

 

Plus

  • Design
  • Preis-Leistungsverhältnis
  • Verarbeitung
  • Bespielbarkeit
  • Klang, akustisch & elektrisch

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