Heute wenden wir uns einem unbestrittenen Klassiker des Effektpedal-Universums zu, dem Vater aller Distortion-Pedale und Grenzgänger zwischen Fuzz und Distortion: dem Big Muff.
Der Big Muff ist die geniale Konstruktion des Electro-Harmonix-Masterminds Mike Matthews und kam zu Beginn der 70er-Jahre auf den Markt. Er begeisterte sofort mit seinen hohen Gain-Reserven und einem charakteristischen Sound, der je nach Stellung des Ton-Potis entweder schneidend und sägend oder weich und singend sein konnte. Prominente Nutzer wie Carlos Santana, Steve Howe und natürlich David Gilmour hielten dem Muff lange die Treue und sorgten dafür, dass sich der prägnante Zerrsound des Pedals in unser kollektives Rock-Sound-Gedächtnis einnistete. Im Laufe seiner bewegten Vita hat der Big Muff einige optische und klangliche Wandel mitgemacht. Kein Wunder, bietet das einfache technische Design doch genügend Anknüpfpunkte für wunderbare Spielereien. Davon schauen wir uns heute einige an.
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TECHNISCH INNOVATIV
Wie bei vielen seiner Verzerrer-Kollegen besteht die Schaltung des Big Muff aus vier Teilen: Nach einem Input-Booster durchläuft das Signal eine Clipping-Sektion und die Tone-Stage, um dann über einen Output-Booster den Verzerrer wieder zu verlassen. Die Besonderheiten des Big Muff stecken zum einen in der Clipping-Sektion, wo ein bereits verzerrtes Signal durch eine weitere Gain-Stufe geschickt wird und zum anderen in der Tonregelung, die nicht nur als reine Höhenblende, sondern als aktive Höhen- oder Bassanhebung arbeitet. Charakteristisch für den Muff-Sound ist daher auch das Mittenloch. Das grundsätzliche Schaltungs-Layout wurde bis heute nicht geändert, aber im Laufe der Zeit hatten veränderte Bauteile und Produktionsorte unterschiedliche Muff-Models und Varianten mit jeweils eigener klanglicher Prägung zur Folge. (Siehe hierzu auch meinen Test des JHS Muffuletta in Ausgabe 3/2022)
FAMILIENGESCHICHTE
Von 1969 bis 1972 wurde der Triangle Muff in den USA gebaut. Die allerersten Modelle hatten übrigens noch ein frei verdrahtetes Lochraster-Board. Der Name für den Ur-Muff leitet sich von der dreieckigen Anordnung der Potis ab. Er lieferte einen runden, warmen Grund-Sound und hatte noch etwas weniger Gain als seine Nachfolger.
1973 wurde das Design geändert: die Potis kamen in eine Reihe und in der unteren rechten Gehäuseecke gab das Widderkopf-Logo der neuen Muff-Variante den Namen „Rams Head“. Auch der Sound wurde nun höhenreicher, aggressiver und hatte mehr Gain-Reserven. Der Rams Head war lange David Gilmours liebster Spielgefährte. Ab 1975 wurde die dritte Muff-Variante, das „Red Black Model“ gebaut und lieferte noch mehr Gain und Bass. Das namensgebende Dekor wird auch bei den aktuellen Reissue-Modellen wieder verwendet. 1981 musste Electro Harmonix Konkurs anmelden, doch 1991 kam der Big Muff wie Phönix aus der Asche wieder auf den Markt – allerdings nicht aus den USA sondern aus Russland!
Dank guter Kontakte von Mike Matthews nach Russland, die er wegen des US-Vertriebes der russischen Sovtek-Röhren aufgebaut hatte, wurde der Big Muff nun in weiteren Varianten in russischen Produktionsstätten gebaut. Die erste russische Version erhielt wegen der blauen Farbe auf grauem Gehäuse, die Assoziationen an die jeweils blauen und grauen Uniformen der Nord- und Südstaaten im amerikanischen Bürgerkrieg weckten, den Namen „Civil War“. Der Civil War ist trotz seines rustikalen Äußeren sehr begehrt und überzeugt mit einem erweiterten Bassbereich, geboosteten Mitten, strahlenden Höhen und langem Sustain.
Der 1993 erschienene Nachfolger „Green Russian Tall Font“ mit ähnlichem Klang wurde bald durch die „Bubble Font“-Version ersetzt, die mit einem etwas giftigeren Klang aufwartet. Die letzten russischen Muff-Version waren die „Black Russian“- Varianten, deren spätere Versionen bereits wie die 2000 erschienen Reissue-Modelle klangen, die bis heute gebaut werden. In der Zwischenzeit wurden vom Hersteller des Originals gut 15 weitere Big Muff Versionen auf den Markt gebracht: vom Deluxe Muff über Nano Muff bis Bass Muff, um nur einige zu nennen. Eine Auflistung von Muff-Clones anderer Hersteller spare ich mir lieber, sonst kommen wir heute gar nicht mehr zum Löten.
EIN PERFEKTES MODDING-OPFER
Die Auflistung der Muff-Historie zeigt bereits, dass die Schaltung sensibel auf kleine Eingriffe reagiert und dies mit gut hörbaren Klangänderungen quittiert. Das weiß der Modder natürlich zu schätzen. Die Auflistung zeigt aber auch, dass man vor allem seine älteren Big-Muff-Varianten – insbesondere auch die russischen Kollegen – besser nicht für Modding-Versuche missbraucht, wenn man keinen Wertverlust riskieren will oder sich der Zerstörung eines Originals schuldig machen möchte. Perfekte Probanden sind daher wohl die Reissue-Modelle ab dem Jahr 2000, die einerseits mit konventionellen Bauteilen und riesigen Gehäusen zum Basteln einladen und andererseits zukünftig wohl keinen besonderen Kultstatus genießen werden. Bei anderen jüngeren Versionen ist zudem die Wahrscheinlichkeit zu groß, dass hier schon auf SMD-Bauteile umgestellt wurde, die sich für den Normal-Verbraucher kaum modden lassen. Also, wer hier mitmachen will, braucht einen Big Muff Pi Reissue – am besten ein günstiges, gebrauchtes Exemplar. Leider gibt es auch bei den Reissues bereits verschiedene Varianten der Platinen, sodass die Bauteilebezeichnung nicht immer eindeutig ist. Ein Blick in den Schaltplan ist daher immer notwendig.
WAS EINFACHES FÜR DEN ANFANG
Da der Big Muff, wie oben bereits beschrieben, mit einer Clipping-Sektion ausgestattet ist, bieten sich natürlich die üblichen Dioden-Mods an. In der Originalschaltung sind vier Silizium-Dioden vom Typ 1N4148 oder 1N914 jeweils paarweise parallel geschaltet, um das Signal zu komprimieren. Der Wechsel der Kleinsignaldioden zu Powerdioden, Germanium-Dioden, LEDs oder FET-Transistoren bringt schon eine merkliche Klangänderung. Mit Germanium-Dioden wird der Klang komprimierter und weicher, es geht aber auch Output-Level verloren. Ob Germanium-Dioden gut zum Big-Muff-Charakter passen sei mal dahingestellt. Zumindest waren in keiner Big-Muff-Variante jemals Germanium-Dioden verbaut. LEDs machen den Sound dynamischer und lassen den Verzerrer eher wie ein übersteuerter Verstärker klingen.
Hier kann man auch gerne mit verschiedenen Farben experimentieren. Rote LEDs sorgen für ein stärkeres Clipping als gelbe oder blaue LEDs. Je weniger Clipping, desto offener und „unverzerrter“ klingt das Pedal. Auch manche Transistoren kann man gut als Clipping-Dioden missbrauchen. FET- oder MOSFET-Transistoren verhalten sich wie Dioden, wenn ihre Drain- und Gate-Anschlüsse miteinander verbunden werden. Klanglich wird es dann im Vergleich etwas weicher als mit Silizium-Transistoren. Noch einfacher und sogar noch effektiver ist es, ein Diodenpärchen oder sogar alle Dioden zu entfernen. Wenn man nur ein Diodenpärchen entfernt, wird der Sound lauter und offener, bleibt aber immer noch komprimiert. Das könnte genau das Richtige sein, um den Big Muff für Bassisten anzupassen. Das Entfernern aller Clipping-Dioden macht den Big Muff zu einem richtig lauten Booster/Overdrive. Für empfehlenswert halte ich persönlich die Kombination von vier 1N4148 (original), keinen Dioden und zwei roten LEDs, die mit einem On-Off-On-Miniswitch jeweils geschaltet werden können. Hilfreich ist es, die Dioden auf einer kleinen Lochrasterplatine unterzubringen, so wie wir das bereits einmal bei dem Guv’nor-Modding gemacht haben.
Bild: Marc-Oliver Richter
Hilfsplatine mit LEDs und Kleinsignaldioden als Vorbereitung einer schaltbaren Diodenmodifikation
Bild: Marc-Oliver Richter
Die Hilfsplatine kann gut am Minischalter befestigt werden. Das riesige Gehäuse des Big Muff bietet jede Menge Platz, zusätzlich Schalter unterzubringen.
DARF’S EIN BISSCHEN MEHR SEIN?
Als weitere Anknüpfpunkte für Modifikationen bieten sich die Transistoren des Big Muff an. Mein Reissue-Modell arbeitet mit vier BC550C-Typen. In dem Schaltplan sind BC239-Transistoren vermerkt und in der langen Geschichte des Big Muff war schon einiges an Transistoren oder auch ICs am Start. Bei den späteren Sovtek-Big-Muffs kamen z. B. BC549 zum Einsatz. In den früheren Reissue-Modellen wurde mit 2N5088 gearbeitet, die Little Big Muffs nutzen hingegen 2N5962-Typen. Ein Austausch der Transistoren gegen andere Typen ist daher ein weiterer Weg, auf den Klang des Big Muffs Einfluss zu nehmen. Neben den bereits erwähnten, sollten auch folgende Transistoren gut in die Schaltung passen: 2N5089, SE4010, 2N5210, 2N5213, MPSA13 und 2N2222 (hier umgekehrte Polarität beachten!). Wer mit den Transistoren experimentieren möchte, sollte Sockel einlöten, damit die Dreibeiner einfach eingesteckt werden können. Im Internet werden die MPSA18 für einen extremen Hi-Gain-Sound, die 2N5088 für einen moderaten Hi-Gain-Sound und die 2N2222 oder die 2N3904 für einen Low-Gain-Sound mit mehr Bass empfohlen.
An den Emittern der Gain-Transistoren kann man mit den Widerständen spielen, die mit der Masse verbunden sind. Der Emitteranschluss ist eines der drei Transistorbeinchen, die beiden anderen Anschlüsse anderen heißen Basis und Kollektor. Die Belegung der Beinchen kann je nach Transistor unterschiedlich sein. Hier hilft ein Blick in das Datenblatt des Transistors. Im Schaltplan sind die Widerstände an den Emittern mit R10 (150 Ohm) und R21 (150 Ohm) bezeichnet. Auf meiner Platine sind dies die Widerstände R10 (120 Ohm) und R16 (120 Ohm). Das Entfernen oder Verringern der Werte erhöht das Gain-Potential, das Vergrößern der Werte verringert es.
Zu guter Letzt noch ein Modding-Tip, der an der Klangregelung des Big Muff ansetzt. Die Tone-Section des Big Muff ist ja gleichermaßen geliebt und gehasst wegen ihrer Eigenart, mit einem Regler entweder einen Höhen-Boost oder einen Bass-Boost zu ermöglichen, wobei beides mit einer deutlichen Mittenabsenkung einhergeht. Änderungen an den Widerstands- und Kondensatorwerten sind bereits in den verschiedenen Big-Muff-Versionen realisiert worden. So waren z. B. in der Triangle-Version (Bezeichnung gemäß Schaltplan) R8 33K, C9 4nF, R5 22K, und C8 10nF; in der grünen russischen Version dagegen war R8 20K, C9 3,9nF, R5 22 K und C8 10 nF. Das Verändern der Werte könnte also gut zur persönlichen Anpassung des eigenen Big Muff dienen. Eine Möglichkeit, dem Muff die Mitten wieder zurückzugeben, kann man realisieren, indem man die Klangregelung komplett umgeht. Da die Klangregelung auch einiges an Lautstärke frisst, bekommt man damit auch ein deutlich lauteres Pedal.
Wie man sieht, kann man beim Big Muff einiges tun – viel Spaß beim Ausprobieren!
WERTE & SOUNDS
Bauteilewerte der Big Muff Klangregelung
Triangle Version: R8=33k, C9=4n, R5=33k, C8=10n
Ramshead Version: R8=33k, C9=4n, R5=22k, C8=10n
1975er Version: R8=39k, C9=4n, R5 = 22k, C8=10n
1977er Opamp Version 1: R8=5.6k, C9=100n, R5=1.2k, C8=120n
1977er Opamp Version 2: R8=8.2k, C9=100n, R5=1.2k, C8=120n
Green Russian Version: R8=20k, C9=3.9n, R5=22k, C8=10n
Black Russian Version: R8=39k, C9=4n, R5=100k, C8=10n
Hallo Marc-Oliver, kannst Du mir bitte sagen, an welcher Stelle auf der Platine die Mini-Platine des Dioden Mods verbunden wird? Die Diodenpaare D1/D2 und D3/D4 werden ja entfernt, vermutlich also genau dort. Macht es einen Unterschied ob an D1/D2 oder an D3/D4?
Danke und Gruß, Frank
Hallo Marc-Oliver, kannst Du mir bitte sagen, an welcher Stelle auf der Platine die Mini-Platine des Dioden Mods verbunden wird? Die Diodenpaare D1/D2 und D3/D4 werden ja entfernt, vermutlich also genau dort. Macht es einen Unterschied ob an D1/D2 oder an D3/D4?
Danke und Gruß, Frank