„Mehr Lunge, weniger Stimmbänder …“

Nachhaltig anders: Taylor American Dream AD-27e Flametop im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Im letzten Jahr stellte Taylor Guitars die neue American-Dream-Serie vor. Sie ist benannt nach dem Gitarrengeschäft, in dem die Gründer Bob Taylor und Kurt Listug 1974 ihre Karriere begannen. Und entwickelt, um nach der Corona-bedingten Schließung der Werke im letzten Jahr mit einem preisgünstigen Modell mit reduzierter Ausstattung zu starten, das aber bautechnisch und klanglich alle Taylor-Maßstäbe erfüllt.

Das Credo des verantwortlichen Gitarrenbauers Andy Powers für die American-Dream-Serie: „Alles was eine gute Gitarre braucht, nichts, was man nicht braucht.“

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Schon die ersten Round-Shoulder-Dreadnought-Modelle überraschten durch ihre Holzauswahl, beim Topmodell AD27: Mahagoni für den Korpus inkl. Decke, Eucalyptus fürs Griffbrett. Jetzt geht Andy Powers noch einen Schritt weiter und baut die AD27- Flametop mit Ausnahme des Griffbretts komplett aus Ahorn: Decke, Zargen, Boden und Hals sind aus diesem Material. Und das alles aus Sound-Gründen. Weil es eine andere Klangfarbe bietet.

NACHHALTIG

Alle verwendeten Hölzer stammen aus nachhaltiger, heimischer Produktion. Darauf angesprochen antwortet Andy Powers: Ja, das sei ihnen bewusst und auch gewollt. Das Thema ist bei Taylor schon lange im Fokus. Ahorn verwenden sie seit Jahren, und haben auch dafür gesorgt, dass das geschlagene Holz ersetzt wird. Aber auch Nussbaum (Walnut) und Urban Ash werden bei Taylor immer häufiger eingesetzt. Weil es gutes Tonholz ist. Aber, und das wissen die Wenigsten, auch das Mahagoni und Palisander, das Taylor einkauft und verwendet, stammt ausschließlich aus dafür angelegten Plantagen, bei denen immer wieder aufgeforstet wird. Nicht zu vergessen die Initiative, die Taylor in Hawaii gestartet hat, wo auf einem geschützten Gelände Koa angepflanzt wird, was dann späteren Generationen zu Gute kommen wird.

KONSTRUKTION

Auch die AD27 Flametop hat die Grand-Pacific-Bauform, das ist eine Round Shoulder Dreadnought, die durch die Zusammenarbeit mit Nashville- und LA-Musikern entstanden ist. Sie hat natürlich das V-Class Bracing, von dem Andy Powers sagt (und es auch immer wieder beweist), dass die Gitarre damit nicht nur sauberer und reiner schwingt, sondern dass man damit auch die Klangfarbe der Decke weitaus besser formen kann, als mit herkömmlichen Verstrebungen. In diesem Fall ist die Decke aus Ahorn, wohingegen bei Akustikgitarren normalerweise Fichte, Zeder, seltener Mahagoni oder Koa zum Einsatz kommen.

Aber wo im Gitarrenbau wird Ahorn für eine Decke verwendet? Bei der massiven Solidbody Les Paul und natürlich bei sehr vielen Jazz-Gitarren. Und da haben wir schon die Verbindung, denn Andy Powers große Liebe waren schon immer Jazz-Gitarren. Und so kam er auf die Idee, dieses Material für eine massive Decke einzusetzen.

Wunderschön geflammtes „Big Leaf Maple“ gibt dem Modell seinen Namen. (Bild: Dieter Stork)

Durch die V-Class-Verstrebung ist es Andy gelungen, den Sound so zu modellieren, wie er ihn haben wollte. Insgesamt wärmer, dunkler und gedämpfter. Kombiniert mit Ahorn-Zargen und -Boden und dem Ahorn-Hals ist ihm dies komplett gelungen. Die Kombination macht’s. Und dann kommt noch ein kleiner Trick hinzu, der ungewöhnlich, aber total verständlich ist, wenn man die Gitarre zum ersten Mal spielt:

Taylor verwendet für diese Gitarre unbeschichtete Nickel-Bronze-Saiten von D’Addario. Sie werden so genannt, weil ihre Wicklung die Farbe von Nickel-Saiten hat, es sich aber um eine Mischung aus Nickel und Bronze handelt. Als ich diese Saiten kurz nach Markteinführung auf meinen Western-Gitarren probiert habe, war ich nicht besonders angetan vom Klang – weil ich Phosphor-Bronze mit all seinen feinen Höhen und Brillanzen gewohnt war. Der Ton der Nickel Bronze war mir auf meiner Gitarre nicht brillant genug und wirkte flach.

Bei der AD27 Flametop bewirken sie das Gegenteil: Der Klang der Gitarre wirkt extrem ausgewogen, ausgeglichen und vollkommen. Man schlägt die ersten Akkorde an und glaubt, eine alte, eingespielte Gitarre in den Händen zu haben. Eine alte Vertraute, nicht zu brillant, nicht zu dumpf. Nicht zu laut, nicht zu leise. Dazu kommt, dass dieses Modell eine nahezu perfekte Saitenlage hat, fast wie eine E-Gitarre, sodass das Spielen quasi wie von selbst geht.

Wie ist eine solche Saitenlage möglich? Andy erklärt: Erstens arbeitet man bei Taylor heute dank der neuen Maschinen akkurater als je zuvor. Aber hinzu kommt, dass die Ahorn-Decke insgesamt stabiler und verwindungssteifer ist, sodass man die Saiten tiefer legen kann, ohne Gefahr zu laufen, bei Veränderungen der Luftfeuchtigkeit oder anderen Einflüssen ein Scheppern der Saiten auf dem Griffbrett zu riskieren. Hals und Korpus sind mit der von Taylor patentierten Halsverbindung ausgestattet, die es einem Fachmann jederzeit ermöglicht, eine Anpassung des Halswinkels vorzunehmen, wenn es denn mal nötig sein sollte.

Ein Natur-Binding. Der Rand der Decke wird nicht eingefärbt und sorgt für den perfekten Kontrast zum gefärbten Holz. (Bild: Dieter Stork)

Normalerweise wird ein Taylor-Hals aus Mahagoni gefertigt, hier ist es Ahorn. Erste Erfahrungen mit Ahornhälsen sammelte Taylor bereits mit der 600er-Serie, deren Zargen und Boden auch aus Ahorn sind, und hat diese nun auf dieses Modell übertragen. Das Instrument verfügt über keinerlei Verzierungen, lediglich eine einfache, schöne Holz-Rosette am Schallloch. Der helle Ahornstreifen der Decke ist keine Einfassung, sondern die naturbelassene, ungefärbte Kante. Ein extrem dünnes Schlagbrett ist aufgeklebt.

Schlichte Schalloch-Rosette; die schräge Bodenbeleistung wird nur bei V-Class-Modellen verwendet (Bild: Dieter Stork)

Die Korpus-Ränder sind wunderbar abgerundet, sodass sich die Kanten nicht wie sonst üblich in den Unterarm einschneiden. Die American Dream Flametop hat eine wirklich schöne sogenannte Woodsmoke-Lackierung mit Edgeburst verpasst bekommen, eine Art dunkles Sunburst wie bei einer alten Gitarre. Die Lackierung ist extrem sauber und dünn ausgeführt, die Oberfläche ist seidenmatt, was ein „eingetragenes“ Gefühl vermittelt.

Es werden leichte, vernickelte, verkapselte Taylor-Mechaniken verwendet. Der Sattel ist aus schwarzem Graphit und die kompensierte Stegeinlage aus Micarta sind Standard, der Steg selber ist, wie das Griffbrett, aus Eukalyptus.

Kompensierte Stegeinlage. Gut erkennbar die drei Schrauben zur Justage der Pickups. (Bild: Dieter Stork)

Die Flametop ist mit dem bekannten Taylor Expression System 2 ausgestattet. Volume, Bass und Höhen sind (in praxisnaher Abstimmung untereinander) regelbar. Bei Bedarf können sich ambitionierte Klangtüflter mal an die drei Justierschrauben am Steg wagen, die paarweise den Anpressdruck der Pickups regeln können. Aber die Werkseinstellung ist wunderbar, von daher gilt eigentlich: „Finger weg!“.

Die Anschlussbuchsen und das Batteriefach mit 9-Volt-Block sind in einer ovalen Einheit am Korpusende untergebracht, ein zweiter Gurthalteknopf ist am Hals montiert. Die AD27 Flametop wird mit dem neuen extrem leichten AeroCase geliefert, das man sich auch wie einen Rucksack auf den Rücken schnallen kann.

Praxisnah: Bass, Höhen und Volume sind an optimaler Position, der zweite Gurthalteknopf ist serienmäßig (Bild: Dieter Stork)

PRAXIS

Der Hals der AD27 Flametop hat exakt die gleiche Form und die Maße der teureren Builders-Edition-Modelle: also in den unteren Lagen eine abgeflachte V-Form, die zu den oberen Lagen gleichmäßig in eine abgeflachte C-Form übergeht. Der Hals ist mit einem justierbaren Stahlstab verstärkt. Der Hals bespielt sich so angenehm, man glaubt das Instrument schon lange zu kennen. Die Saitenlage ist traumhaft, dank der .012er-Saiten spielt sich dieses Modell fast von alleine.

Und wie klingt’s? Der Ton ist absolut ausgewogen, ausgewogen, ausgewogen. Nicht ganz so laut wie eine Dreadnought, nicht zu viele Höhen, saubere Mitten, keine übermäßigen Bässe. Am liebsten würde man ein Mikro davorstellen und direkt aufnehmen. Es klingt wie eine eingespielte, alte Gitarre. Warum muss ich jetzt an McCartneys ‚Yesterday‘ denken? Weil’s so klingt. Die Gitarre komprimiert ein wenig, aber das macht sie so angenehm. Perfekt fürs Songwriting, perfekt zum Begleiten, super fürs Plektrumspiel, und ebenso nutzbar fürs Fingerpicking. Auch kann ich mir im Duo die Mischung einer normalen und dieser Taylor vorstellen. Auch Drop-D oder insgesamt tiefer gestimmt, macht die AD27 Flametop extrem viel Freude. Will man fürs Unplugged-Set Soli wie auf der E-Gitarre spielen – perfekt: dank der Saitenlage und der 0.12erSaiten kann man sehr vieles adaptieren. Und das Tonabnehmersystem überträgt den Sound der Gitarre relativ unverändert. Auch das ist ein Plus des V-Class-Bracings.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Bei der Präsentation des V-Class-Bracings hatte Andy Powers vorhergesagt, dass er als Gitarrenbauer den Klang der verwendeten Hölzer mit Hilfe dieser neuen Verbalkung deutlicher herausstellen kann. Aber nicht nur das: Er kann durch die Kombination von Hölzern und Verbalkung andere Klangfarben gestalten. Andy beschreibt übrigens die AD27 Flametop so: „Mehr Lunge, weniger Stimmbänder, oder anders ausgedrückt, man hört etwas mehr Holz und etwas weniger Stahlsaiten.“ Perfekt gesagt.

PLUS

  • eigene Klangfarbe
  • inspirierend
  • V-Class-Bracing
  • Verarbeitung
  • Verwendung von nachhaltigen Hölzern
  • Bespielbarkeit
  • Intonation


(erschienen in Gitarre & Bass 03/2022)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Hallo,
    zugegeben Taylor bauen auch tolle und teure A-Gitarren!
    Nur wenn das V-Class-Bracing so brilland ist, warum bauen die meisten Hersteller weiterhin das X-Bracing – ist doch wohn nicht geschützt oder?
    Nach Rücksprache mit einem bekannten Gitarrenbauer, ist dies für ihn kein Thema. Das V-Class-Bracing gab es wohl schon früher einmal und wurde wieder verworfen.
    Zugegeben die Gitarren mit einem V-Class-Bracing klingen etwas lauter.
    Musikalische Grüße!

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