Made of what?

Danelectro 59 Devine im Test: Nicht von Pappe!?

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(Bild: Dieter Stork)

Die Welt steht Kopf. Frikadellen ohne Fleisch, Autos, die selber fahren … und jetzt eine Danelectro aus Holz! Hallo, geht’s noch? In drei Ausführungen gibt es dieses Reissue-Modell der 1959 vorgestellten Danelectro „Deluxe“ – inklusive diverser Detail-Verbesserungen und echtem Holz. Wir nehmen hier die orangefarbene Flame-Maple-Version unter die Lupe, es gibt die „Göttliche“ auch noch in Dark Walnut oder Fresh Cream.

MADE OF WHAT?

Beim Thema Korpus-Material muss hier erstmal etwas Licht ins Dunkel. Es wird hier und da gerne mal schnell von einem Holzkorpus berichtet, was ja bei einer Dano schon ein Sensatiönchen wäre. OK, der Rahmen (die Zargen) und der Center-Block im Korpus sind aus Holz, aber Decke und Boden sind aus Composite-Material und lediglich mit einer dünnen Lage Ahorn belegt … also keinesfalls aus massivem Holz. Das lässt sich sehr gut erkennen, wenn man hinten den Deckel des Elektofachs abschraubt. Er liegt der Einfachheit halber auf der Korpusoberfläche und ist nicht Oberkante bündig versenkt. Die elfenbeinfarbene Zarge aus Holz mit Binding an beiden Rändern macht natürlich erheblich mehr her, als die sonst bei Danos übliche Composite-Zarge mit aufgeklebtem Band. Sehr schick!

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Die Decke beeindruckt mit ihrem Flame Maple Finish und punktet zunächst mit der auffälligsten Modernisierung: der verchromten U3-Bridge. Die wirkt ungleich stabiler als die historische Vorgängerin mit einfacher Holzauflage. Es gibt sechs einzelne Saitenreiter, die individuell in Höhe und Position justierbar sind und somit perfekte Saitenlage und Intonation garantieren.

Überzeugend: die U3-Bridge mit justierbaren Einzelreitern. Stylisch aber unpraktisch: Die „stacked“ Volume-/ Tone-Regler (Bild: Dieter Stork)

Ebenfalls „state of the art“ sind die beiden Lipstick-Singlecoil-Pickups, die gemäß der eigenen Historie mit Alnico-6-Magneten bestückt sind. Sogar die PU-Cover sind exakt aus dem Material (80/20 Bronze/Zink) gefertigt wie die alten Originale, die bekanntermaßen ursprünglich tatsächlich als Lippenstift-Hülsen gedacht waren und vom Kosmetik-Hersteller Max Factor bezogen wurden.

Ansonsten finden wir auf der Decke noch den 3-Wege-Toggle-Switch zur Pickup-Anwahl und die richtig altmodischen, ziemlich polarisierenden Doppeldecker-Regler für Volume und Tone. Dazu später mehr. Der hochglanzlackierte Ahornhals ist sicher und recht passgenau mit vier Schrauben in seiner Halstasche fixiert. Das Griffbrett aus Pau Ferro ist mit 21 breiten, flachen Bünden besetzt und zeigt Dot-Inlays an den üblichen Positionen. Die Saiten werden über einen Knochensattel zur klassischen Dano-typischen „Coke-Bottle“-Kopfplatte geführt und enden bei den leicht geagten Qualitäts-Tunern von Gotoh, die mit einer Übersetzung von 15:1 präzise arbeiten.

Fast vergessen: Im Zubehör findet sich ein Schlagbrett mit Klebestreifen zur optionalen Anbringung. Ich persönlich würd’s machen – sieht gut aus.

PLAY DAT THANG!

Jetzt kann diese Doublecut-Semihollow-Shorthorn-Devine richtig punkten. Die 59 ist federleicht, hängt ausgewogen am Gurt und hat unverstärkt – aufgrund ihrer Bauweise – eine ganz ordentliche Lautstärke, die für gut gelauntes Sofa-Noodling taugt. Der Hals liegt gut in der Hand, Saitenlage und Intonation ab Werk sind geradezu perfekt, Solo-Ausflüge in die höchsten Lagen sind ein Leichtes.

Was wir klanglich geboten kriegen, ist Danelectro at it’s best. An einem clean eingestellten Fender Princeton liefert die 59 Devine von Country-Twang über Surf und Rockabilly bis Blues gleich mal überzeugend ab, ohne dass auch nur ein Pedal am Start wäre (OK, der Amp-eigene Reverb und Tremolo durften schon mal ran). Was für ein gnadenlos stringenter Ton! Ja, und der Sound ist einfach unique – das gibt’s so nur bei Danelectro. Auch in Kombi mit verschieden heftigen Overdrive- und Distortion-Pedalen, bleibt der Dano-Sound und diese bissige Stringenz stets erhalten. Eine echte Charakter-Klampfe. Der knochentrockene Rock’n’Roll-Rhythmus auf dem Steg-PU ist genau so verführerisch wie das süßliche Blues-Solo auf dem Hals-Tonabnehmer. Den fettesten und lautesten Sound erhält man, wie eigentlich immer bei Danos, wenn beide Pickups aktiviert sind.

Und dann sind da noch diese Regler. Love it, or leave it, könnte man sagen. Die oberen spitzen Volume-Regler lassen sich eigentlich ganz gut handlen – ein verzerrter Sound lässt sich beim Zurückdrehen ohne große Höhenverluste bestens aufklaren. Anders die Tone-Rädchen: einerseits dreht man sie manchmal ungewollt mit, andererseits haben sie eh keine Wirkung, außer zwischen 1 und Null, wo der Sound schlagartig wegmuffelt. Ich sage mal so: Wer die 59 Devine will – und dafür gibt es viele gute Gründe – sollte seinen Frieden mit den Tone-Reglern machen und einfach Spaß haben.

Damit sind wir eigentlich schon mitten im …

… RESÜMEE

An vielen Stellen modernisiert und auch wirklich signifikant verbessert, bewahrt sich diese Luxus-Danelectro doch ihre ureigensten Werte. Sie ist leicht, super bespielbar und hat diesen unwiderstehlichen Klangcharakter nebst gnadenlosem Twang. Auf ihrem heutigen Stand eine richtig gute Gitarre, die somit auch ihren Preis locker rechtfertigen kann.

PLUS

  • authentisches 50’s-Design
  • Hardware
  • moderne Updates: Bridge, Tuner, Trussrod
  • Verarbeitung, Lackierung, Werkseinstellung
  • Bespielbarkeit, Handling, geringes Gewicht
  • Pickups, typisch-klassischer Dano-Sound

MINUS

  • schlecht bedienbare Regler
  • Tone: 90% des Regelwegs ohne Wirkung


(erschienen in Gitarre & Bass 03/2022)

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