Was lange währt, wird endlich gut. Fast ein Jahr musste G&B-Leser Reinhard Gierl auf seine Richwood-Gitarre verzichten und sich in Geduld üben, bis ihm eines Tages im kühlen Februar der Postbote ein Gitarrenpaket überbrachte. Drinnen das Ergebnis unserer Pimp-Your-Cheapo-Aktion, bei der André Waldenmaier aus einer billigen Les-Paul-Kopie nach allen Regeln der Kunst ein deutlich besseres Instrument machen sollte, wollte und konnte.
Teil 1: Einleitung
Teil 2: Die Bünde
Teil 3: Bünde polieren
Teil 4: Steg und Saitenhalter
Teil 5: Mechaniken
Teil 6: Tonabnehmer
Teil 7: Der Sattel
Teil 8: Finale
Natürlich waren wir neugierig, wie die neue alte Richwood-Gitarre bei ihrem Besitzer denn angekommen war. Und Reinhard ließ sich nicht lumpen, sondern schickte uns ein mehr als ausführliches Statement. Und das liest sich so: „Gleich vorweg: Der ganze Aufwand hat sich definitiv gelohnt! Ähnlich wie André Waldenmaier in seinem ersten Artikel dieser Serie schrieb, vermutete auch ich, dass man eine 400-Euro-Gitarre wohl nur mittelprächtig verbessern könnte. Es wäre wohl zu naiv zu denken, dass man mit dieser Ausgangsbasis, gerade was die Holz- und Verarbeitungsqualität angeht, in ein Segment vorstoßen könnte, in dem sich ansonsten nur Gitarren tummeln, die über € 1500 kosten. Doch erfreulicherweise übertreffen die vollendeten Tatsachen tatsächlich meine Erwartungen! Erst Mitte Januar hatte ich in einem großen Musikladen etwa acht Gibson Les Pauls im Preisbereich von € 2500 bis € 5500 getestet und habe nun eine hervorragende Vergleichsbasis für meine modifizierte Richwood-Gitarre.
Aber was hat sich denn nun konkret verändert? Zum einen merkt man bereits beim trockenen Anspielen ohne Amp, dass die Tonansprache weitaus besser ist als vorher und die Gitarre irgendwie strahlender klingt. Zum anderen lässt sich die Axt durch die neuen Bünde und die korrekte Einstellarbeit leichter und präziser spielen – weniger Fehler und mehr Freude am Spielen sind die Folge. Die Saitenlage ist absolut perfekt und auch die Stimmstabilität hat durch die neuen Hardware-Komponenten enorm zugenommen.
Ja, das Saitenwechseln mit den Schaller-Tunern macht fast schon Spaß! Weiter geht es mit der Elektrik: Ich hatte André gebeten, etwas gegen dieses Topcut-Problem mit den Volume-Potis zu unternehmen und dankenswerterweise kann ich nun endlich den Overdrive des Amps via Volume-Poti regeln, ohne dass mir immer die Höhen flöten gehen. Des Weiteren arbeiten alle Potis sehr präzise und auch die Tonregler funktionieren so wie sie eigentlich sollten und gestalten den Sound nicht mehr dumpf und leblos wie vorher. Die Tonabnehmer an sich sind ebenfalls eine wahre Pracht für jemanden, der gerne klassischen Rock spielt.
Doch wie beschreibe ich diesen Sound jetzt am besten? Hmm … Die meisten kennen wahrscheinlich diesen Effekt: Spielt man zum ersten Mal eine Billig-Gitarre mit Humbuckern, so fragt man sich, warum diese Humbucker eigentlich so stumpf und dumpf klingen. Spielt man dann hingegen mal eine wirklich gute Humbucker-Gitarre, so ist man verblüfft, wie transparent, prickelnd und klar so ein Doppelspuler unverzerrt doch auch sein kann. So erging es zumindest mir im Laufe der Jahre. Früher dachte ich immer, dass Humbucker für Cleanes überhaupt nicht geeignet wären. Erst bei den PremiumLes-Pauls merkte ich das Bedürfnis in mir, auch mal ein paar cleane Akkorde zu zupfen, anstatt sofort mit dem standardmäßigen Hardrock- und AC/DC-Genre anzufangen!
Und genau so ergeht es mir nun mit dem Staufer/Häussel-58er-Set in meiner Richwood. Der ordentlich transparente Sound dieser PUs und die moderate Ausgangsleistung machen sie zu einem Schmankerl sowohl für cleane, jazzige Parts in der Rhythm-Position als auch zum cleanen Begleiten von Songs wie, Dust in the wind‘ in der Mittel- oder Treble-Position. Gibt man dem Amp nun die Sporen, so ist von typischen Led- Zeppelin-Sounds bis hin zu Guns N´Roses und Gary Moores ,Still got the blues‘ alles drin. Sehr erfreut bin ich auch über die Extraportion Sustain, was gerade bei Billiginstrumenten meiner Erfahrung nach oft Mangelware ist!
Im Großen und Ganzen bin ich nun nahezu wunschlos glücklich mit meinem neuen alten Instrument! Bedenkt man, dass die Gibson Les Paul Custom, die es mir beim Probespielen am meisten angetan hat, ca. € 3400 kostet, rechnet sich je nach persönlichen Wünschen die Investitionen von ca. € 600 bis € 1000 plus dem eigentlichen Kaufpreis der Richwood unbedingt. Klar, die genannte Les Paul Custom ist schon noch ein Stück besser und je nach Person hört es der eine auch weitaus differenzierter als der andere – aber dafür € 2000 mehr ausgeben?
Ich jedenfalls will nun entgegen Andrés ursprünglicher Aussage, dass man aus Schei** kein Gold machen kann, festhalten und heraus stellen, dass zumindest Silber auf jeden Fall drin ist! 😉 Und möchte jenen Lesern mit einem eher dünneren Geldbeutel raten, ihre Lieblings-Cheapo-Gitarre von einem professionellen Gitarrenbauer auf Brauchbarkeit hin checken und gegebenenfalls pimpen zu lassen. Und damit meine ich nicht nur neue PUs rein und gut! Diese sind bei weitem nicht so entscheidend für das Gesamtergebnis wie man oft glauben mag!
Zum Schluss will ich noch denen danken, die mir ein so fantastisches „Geschenk“ überhaupt erst ermöglicht haben: G&B-Autor Heinz Rebellius für die Auswahl meiner Gitarre zur Pimp-Kandidatin und André Waldenmaier, der durch seine handwerklichen Künste aus einer 08/15-Fernost-Klampfe ein wirklich brauchbares Musikinstrument gemacht hat! Und natürlich auch den Firmen, die die Pimp-Your-Cheapo-Aktion freundlicherweise unterstützt haben, als da wären Schaller Electronics (Hardware), Häussel-Pickups und Staufer Guitars (Potis, Schalter, Buchse, Kondensatoren, Widerstände, Abschirmspray, Saiten, Bünde, Sattel und natürlich die Arbeitszeit)“. Soweit also Reinhard Gierl, ein sichtlich zufriedener Richwood-Spieler.
Kosten
Material:
Schaller Locking Mechaniken Modell 2910, vergoldet: € 150
Schaller GT-Steg, vergoldet: € 50 Schaller Stop-Tailpiece Saitenhalter, vergoldet: € 45
Schaller Security Locks, vergoldet: € 20
4× CTS Potis à € 7: € 28
Switchcraft Buchse: € 3,50
Goldkontakt-Toggleswitch: € 17
Staufer Modell ’58 Pickup-Set mit vergoldeten Kappen: € 270
D’Addario XL 110 Saiten, 010er: € 4,90
Summe Materialkosten: € 588,40
Arbeitskosten:
Neue Bünde, inkl. Einstellservice: € 230
Neuer Knochen-Sattel: € 45 inkl. Material
Mechaniken tauschen: € 25
Steg montieren und kerben, inkl. Einbau der
Hülsen und Montage des Saitenhalters: € 45
Poti-Tausch: € 20
Volume-Potis „stauferisieren“: € 15
Schaltertausch: € 18
Buchsentausch: € 8
Abschirmung E-Fach: € 50 inkl. Material
Pickup-Tausch: € 35
Summe Arbeitskosten: € 491
In der Aufstellung der Kosten der Pimp-Aktion wird deutlich, dass diese den Neupreis der Gitarre bei weitem übersteigen. Ob das wirklich sinnvoll ist, muss jeder für sich selbst entscheiden – und auch, ob man für ca. € 1500, die die Aktion plus Anschaffungspreis kostet, eine bessere Gitarre bekommen könnte. Klar ist, dass jemand, der selbst Hand anlegt, eine Menge Geld einsparen kann. Und das Beste ist, dass eine solche Aktion nicht von heute auf morgen stattfinden muss, sondern auch in Etappen verlaufen kann. Immer dann, wenn wieder Geld in der Kasse ist, kann nachgelegt werden, um so aus einem vielleicht günstigen Instrument, das man aus irgendeinem Grund aber besonders mag oder das einfach nur sehr gut in der Hand liegt und eine gesunde Basis aufweisen kann, ein prima funktionierendes und nach individuellen Wünschen verbessertes Instrument mit einem besseren Sound zu machen.
Die nächste Gitarre zum Pimpen kann geliefert werden! Diesmal suchen wir eine ganz konkrete – und zwar eine Epiphone Casino, die wir gerne in konkreter Absprache mit ihrem Besitzer in Richtung Gretsch trimmen wollen. Bewerbungen bitte mit Ganzkörper-Foto (der Gitarre) an die Email-Adresse post@gitarrebass.de