Fingerflott und aufreizend elektrisch

Zeitreise ins Heute: Ibanez RGT1220PB-ABS im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Reminiszenzen sind im Gitarrengeschäft gang und gäbe – und dafür gibt es angesichts der sich zeitweise rasant wandelnden Modellpolitik selbst für Highlights aus einer bestehenden Erfolgsreihe gute Gründe.

Die RGT1220PB-ABS erinnert mit ihren großen Block-Inlays nicht ganz zufällig an die legendären Modelle MA3HH und MA3HSH aus der Ibanez-American-Master-Serie von 1990, damals komplett in den USA handgefertigt. Das aktuelle Modell ist allerdings Teil einer Mini-Serie aus der Ibanez-Premium-Reihe, Made in Indonesia.

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ZAUBERMIX AUS WIZARD-HALS UND ELEKTRISCHEM ELIXIR

Bei dem neu vorgestellten Ibanez-Modell RGT1220PB-ABS handelt es sich um eine Neck-thru-Konstruktion. An den durchgehenden, siebenteilig aus Ahorn und Walnuss gefügten Hals mit Wizard-III-Halsprofil sind Korpusflügel aus amerikanischer Linde angesetzt, die mit einer 3 mm starken Decke aus Maserpappel kombiniert wurden. Der allseits bekannte, offensiv gehörnte Double-Cutaway-Body erhielt klassische Komfortkonturen am Korpusboden und im Bereich der Armauflage.

Ebenholzgriffbrett mit Acrylic & Abalone Block Inlays (Bild: Dieter Stork)

Im Ebenholzgriffbrett finden wir neben den 24 Bünden im Jumboformat, verarbeitet in Perfektion mit Premium-Bundkantenbehandlung, auch noch die schicken Acrylic & Abalone Block Inlays. Luminescent-Side-Dot-Inlays sorgen für zusätzliche Navigationssicherheit am Griffbrett. Die über eine Volute am Winkelübergang herausgeführte Ibanez-Kopfplatte ist frontseitig mit Maserpappel furniert und präsentiert das Ibanez-Headstock-Logo-Design in zwei verschiedenen Farben. Ausgehend von den kleinen, in Reihe gesetzten, goldfarbenen Mechaniken (Gotoh) laufen die Saiten mit geradem Zug über den Klemmsattel aus Metall und dann in 648 mm Mensurlänge hinüber zur Edge Tremolo Bridge mit einzeln justierbaren Sätteln und Feinstimmern.

Waggln ohne Reue: Edge Tremolo Bridge (Bild: Dieter Stork)

Elektrik: Zwei bewährte, jeweils mit AlNiCo-5-Magneten bestückte, passive Humbucker von DiMarzio mit weißen Bobbins sind direkt in die offenen Korpusfräsungen geschraubt. In der Halsposition sitzt der moderate Air Norton, am Steg der auf High Output gewickelte The Tone Zone. In Verbindung mit generell arbeitenden Volume- und Tone-Reglern, einem 5-Weg-Schalter, sowie dem aus der AZ-Serie bekannten dyna-MIX10-Switching-System mit Alter-Switch lassen sich damit vielgestaltige Sounds kreieren.

Die Gitarre ist rundum in einem samtigen Antique-Brown-Stained-Finish versiegelt und in jeder Hinsicht hochwertig detailgenau verarbeitet.

FINGERFLOTT UND AUFREIZEND ELEKTRISCH

Das bereits 1987 eingeführte und in Anlehnung an die Steve-Vai-Signature JEM entwickelte RG-Design gehört zu den beliebtesten und erfolgreichsten Gitarrentypen überhaupt aus dem Hause Ibanez und ist in allen Preisklassen mit variablen Ausstattungen seitdem auch ununterbrochen im Programm.

Vorbemerkung: Mit dem durchgängigen Hals, der sogenannten Neck-thru-Konstruktion, ist das so eine Sache. Immer wieder mal Thema, nicht zuletzt bei High-End-Modellen, wurde das doch nie zu einer allgemein etablierten Konstruktionsmethode, wenngleich es nicht wenige Fans davon gibt.

Gelobt wird oft das von dieser Methode beförderte, lange und gleichmäßig verlaufende Sustain, beklagt gelegentlich die relative Statik im Tonverlauf, bzw. dynamische Einschränkung. Da solche Einschätzungen von Fall zu Fall neu zu betrachten sind, gehen wir dieser Sache nun am Beispiel des Testmodells einfach gelassen und guter Hoffnung auf den Grund.

Technik: Die aktuelle Version RGT1220PB-ABS kommt mit dem Wizard-III-Halsprofil und das wird den meisten Interessenten bekannt sein: Seine ergonomischen und haptischen Eigenschaften sind nicht ohne Grund beliebt und basieren auf einer eher flachen, im Schulterbereich aber bestens gerundeten und dabei aufsteigend an Stärke nur wenig zunehmenden Profilierung. Beste Grundlagen also für jede Form der virtuosen Fingerakrobatik bis hinauf zum letzten Bund, denn auch der ist dank der tief ausgeschnittenen Cutaways noch bestens zu erreichen. Fast müßig zu erwähnen, dass die ultimative Bundbearbeitung mit dem immer wieder neu zu lobenden Premium Fret End Treatment und ein perfektes Setup für optimale Spielbedingungen sorgen.

Das akustische Klangvermögen der Gitarre verspricht schon mal einiges. Klar gegliedert und mit guter Saitenseparation kommen Akkorde zum Ohr und die Neck-thru-Konstruktion sorgt für das erwartet satte Sustain, welches auch in den hohen Lagen kaum nachlässt. Große Schwächen in der Ansprache oder im Dynamikverhalten sind erst einmal nicht zu erkennen.

DiMarzio The Tone Zone und Air Norton (Bild: Dieter Stork)

Elektrik Ebene 1: Die DiMarzio-Pickups sind bewährte Aggregate der etwas kräftigeren Art. Zunächst hören wir uns die Sounds der Einzelschaltungen in den Außenpositionen an: Der Air Norton am Hals ist in Sachen Output eher noch der mittleren Kategorie zuzurechnen, wenngleich er schon auch Leistung bringt, aber dabei die ausgeglichene Verbindung von Power und Ton sucht.

Will meinen: Er setzt kraftvoll um, hält das Spektrum zunächst aber möglichst klar und offen und erweist sich als erfreulich obertonstark. Eigenschaften, die im Clean-Kanal mit gutem Tiefgang und transparenter Darstellung erfreuen, unter Zerrbedingungen dann jedoch mit sehr ebenmäßigem und lang anhaltendem Tonverlauf punkten können. Sehr schön auch die gar nicht zögerliche Ansprache und die schnell aufsteigenden harmonischen Obertöne. Das Sustain ist bei dieser Gitarre natürlich konstruktionsbedingt schon ausgesprochen beharrlich, aber im Zerrkanal kann auch die über den Air Norton erreichte vokale Festigkeit und offensiv direkte Tonwandlung nur begeistern. Die tonfarbliche Beweglichkeit ist zwar nicht gerade bemerkenswert, dafür ist die Tonrundung und griffige Präsenz schlagend.

Der Kollege am Steg, The Tone Zone, ist etwas heißer gewickelt und ein echter Vertreter der Abteilung High Output. Was nicht heißt, dass er sich klaren Einstellungen vollkommen verweigert. Natürlich werden die Mitten wenig überraschend etwas ausgeprägter herausgestellt, Akkorde zeigen dennoch recht gute Durchsicht. Die Verbindung von durchgehendem Hals und High-Output-Pickup lässt dann im Overdrive vorpreschend jubelnde Linien und auch quietschende Pinch Notes von der Kette.

Tatsächlich ist das Dynamikverhalten schon etwas eingeschränkt, der Ton ändert sich mit wechselnden Anschlagsstärken in Farbe und Struktur nur wenig, eher wird der Attack mehr oder weniger schnalzend herausgestellt. Mal im Ernst, wer will mit diesem Instrument denn auch schummerig fühligen Blues spielen? Andererseits ist die leichte Tonerzeugung mit saftigem Aufriss schlicht fabelhaft. Fließendes Linke-Hand-Legatospiel, Tappings, Hammer-ons, Pull-offs etc. kommen damit fast schon von allein. Aber auch dieses lineare Gleiten der fest und saftig ineinander schmelzenden Linien, wie auch die Standfestigkeit der gehaltenen, von farbreichen Obertönen eskortierten Noten, ist eine Wucht.

In der Mittelposition 3 hören wir die beiden Humbucker zusammengeschaltet und das ist der klanglich erfreulich offene Ausgleich dieser recht unterschiedlichen Pickups. Etwas knochiger und konturierter in den Bässen, leicht ausgekämmt, aber noch mit gutem Volumen, dazu kehlig und höhenreich wie wir das von der Kombi kennen.

In Pos. 2 werden die jeweils äußeren Spulen der Humbucker zusammengeschaltet, was uns an einen Tele-Sound der Mittelposition erinnert und in Pos. 4 vermitteln uns die zusammengelegten inneren Spulen etwas, das in Richtung kehliger Strat-Sound tendiert.

Eine zweite Ebene der Klanggestaltung lässt sich dann auch noch mit dem dyna-MIX10-Switching-System per Alter-Switch aufrufen und die hat es durchaus in sich. Während in den Positionen 2 und 4 klassische Singlecoil-Sounds durch schlichtes Coil-Splitting der Hals- und Steg-Tonabnehmer anliegen – Pos. 2 schaltet die äußere Spule des Steg-Humbuckers und sorgt für bissigen Country-Twang; Po. 4 schaltet die innere Spule des Hals-Humbuckers, was in Richtung bluesiger Strat-Hals-Pickup-Sound neigt – wird in den Positionen 1, 3 und 5 per Power-Tap die Klangpalette der Gitarre nochmals um drei höchst interessante Sounds erweitert.

Beim Power-Tap sorgt die deutliche Reduzierung der Ausgangsleistung einer der beiden Humbucker-Spulen für einen kraftvollen Singlecoil-Charakter mit angehobenem Bassanteil. Sounds, die vor allem in den Außenpositionen eine klasse Alternative darstellen. Mit einem Griff zum Alter-Switch das Klang-ambiente, die Tondichte und auch den Höhenanteil deutlich ändern, das hat was! In den Schaltpositionen mit eingebundenem Bridge-Pickup lässt sich mit Hin- und Herschalten auch noch ein annähernder Kill-Switch-Effekt erzeugen. Erfreulicherweise bleibt bei den Power Tap-Sounds im Übrigen natürlich auch noch die Brummfreiheit der Pickups erhalten.

Am Ende unseres Testlaufs werfen wir noch einen Blick auf die bewährte Edge-Tremolo-Bridge und da gibt es dank bester Handhabung bei weicher Aufhängung nur Gutes zu berichten. Selbst nach heftigsten Modulationen kehren die Saiten anstandslos in ihre Ausgangspositionen zurück, Tonverbiegung ohne Reue ist garantiert.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Mit dem Modell RGT1220PB-ABS ruft Ibanez die Erinnerung an das frühere Modell MA3HH aus der American Master Serie wach, aktualisiert die Konzeption aber mit dem dyna-MIX10-Switching-System. Das tadellos verarbeitete und optisch ansprechend gestaltete Instrument bewährter Bauart überzeugt mit bester Handhabung und kraftvoller Tonwandlung dank der hervorragend passenden DiMarzio-Pickups. Die betont lineare und sustainreiche Performance dieser Gitarre ist vor allem für High-Gain-Anwendungen schlagend, die Klangspreizung dank der zweiten, per dyna-MIX10-Switching-System aufrufbaren Klangebene schlicht begeisternd.

Die nach Singlecoil schmeckenden, aber höchst vitalen und auch brummfreien alternativen Power-Tap-Sounds erweitern die Klangpalette höchst sinnvoll und effektiv. Das Schaltkonzept ist intuitiv schnell erfasst, klanglich gute Nischen-Sounds liegen neben den Hauptfunktionen optional bei. Das „schnelle“ Halsprofil und das bewährte Vibrato sind dann noch Garanten für die perfekt komfortable, genregerechte Anwendung! Mordio, welch eine Waffe!

PLUS

  • Neo-klassisches Design
  • super Sustain
  • DiMarzio-Pickups
  • kraftvolle Sounds
  • alternative Klangebene dank dyna-MIX10-Switching
  • Hals-Profil
  • Haptik/Handhabung
  • Edge-Vibrato
  • saubere Verarbeitung

MINUS

  • bauartbedingte Einschränkung der Dynamik


(erschienen in Gitarre & Bass 02/2022)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Hi

    also ich habe mir dieses Teil im Frühjahr zugelegt u. a. auch wegen dieses Tests hier.
    Folgendes gibt es von mir an der Gitarre zu bemängeln:

    1. Was mir fehlt sind die bissigen Höhen in den höheren Lagen. Ich habe etliche Gitarren zum Vergleich und muss immer wieder feststellen, dass sie nicht so in Obertöne umkippt.

    2. Das Floyd Rose ist zum größten Teil stimmstabil. Aber im Vergleich zu anderen FR Gitarren (auch von Ibanez) nicht ganz so stabil. Die ein- andere Saite geht dann doch leicht runter oder hoch.

    Vielleicht hab ich ein Montagsmodell erwischt aber bei einem Premium Modell darf das eigentlich nicht sein.

    Vielleicht hat jemand auch einen Tipp!

    Auf diesen Kommentar antworten
  2. Hallo Franz,
    was mich bewegt, die Frage:
    Ich spiele einige Ibanez, RG1570 und RG2550.
    Ich spiele gerne und viel Soli.
    Meine rechte Anschlaghand berührt durchgehend mit dem kleinen Finger leicht den Korpus, so als Ankerpunkt.
    Diese RG1220 hat konstruktionsbedingt das Griffbrett höher liegen, und die Tonabnehmer schauen auch weiter heraus. Dadurch sind die Saiten, wie die Fotos zeigen wohl ca. 1cm weiter vom Korpus entfernt als ich von meinen RGs gewohnt bin.
    Muss ich befürchten, dass es eine rechte Umstellung benötigt um klar zu kommen?
    Danke für die Antwort!
    Gruß
    Johann

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