Was ist drin? Was kommt raus?

Lunchbox-Ekstase: Bogner Ecstasy Mini Head im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Reinhold Bogner präsentierte sein Ecstasy-Top 100B erstmals auf der Frankfurter Messe 1992. Drei Dekaden später, gibt es den Sound im Lunchbox-Format.

Das Topteil ging damals ab wie Luzie, die Order-Liste wurde lang und länger. Nach Vertriebsproblemen kamen die ersten Teile dann zwei Jahre später über den Teich endlich auch zu uns. Zum 20-jährigen Bestehen von Bogner Amplification folgte 2009 das Ecstasy Anniversary Top. Vier weitere Jahre später packte Reinhold quasi einen Teil der Vorstufe seines Erfolgsmodells in das Ecstasy Red Pedal – natürlich ohne Röhren –, um es, klanglich inspiriert vom Red Channel des 100B, jetzt mit 30 Watt Transistorendstufe und Kompaktgehäuse als komplettes Mini Head anzubieten.

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WAS IST DRIN?

Überwiegend Luft, wenn auch lediglich im oberen Bereich des gleichermaßen schnuckeligen wie robusten Plywood-Gehäuses. Das mit drei üppig bestückten Platinen, verschraubten Potis und Anschlüssen vollgepackte Stahlblechchassis des Amps ist gerade mal 38 mm hoch und über die vier Gummifüße am Boden verschraubt. Eine Öffnung in der Rückwand dient nicht nur der Be- bzw. Entlüftung, sondern zugleich als Tragegriff. Im Innern des unten offenen, per dicker Alufolie abgeschirmten Chassis trifft man auf penible, solide Verarbeitung.

(Bild: Dieter Stork)

Mangels Platz hat man den Netztrafo in ein externes Netzteil (mit Betriebsanzeige!) ausgelagert. Während die Rückseite mit den Anschlüssen des seriellen FX-Loops, für zwei Lautsprecher (1×8/2×16 Ohm) und das Netzteil schon fast spartanisch daherkommt, herrscht auf der für einen Amp dieses Formats sehr aufwendig gestalteten Front ordentlich Verkehr, jedenfalls die Bedienelemente betreffend: Input, die Regler Gain, Bass, Middle, Treble, Presence und Volume, der beleuchtete Netzschalter sowie die Minischalter Pre EQ, Mid Freq, Gain und Variac. Pre EQ bietet drei Höhenanhebungen (Bright1, Normal, Bright2), Mid Frequency drei Frequenzbereiche für den Mittenregler (High, Normal und Low), Gain (-/+) schaltet zwischen Crunch und Overdrive Mode, und Variac (Variable AC Power Level Controller) bestimmt den Headroom und damit die Wiedergabecharakteristik der Vorstufe.

WAS KOMMT RAUS?

Cleane Sounds zählen nicht zu den Stärken des Ecstasy-Zwergs, wofür er allerdings auch nicht konzipiert wurde. Clean ginge vielleicht noch zum Üben zuhause, nicht jedoch im Band-Kontext und schon gar nicht mit praxistauglichen Pegeln. Einzig mögliches Clean-Setting mit PAF-Style Humbuckern wäre Gain-Schalter auf Minus, Volume voll auf, Gain auf max. 8 Uhr.

Bewegt man Gain auch nur 1 Millimeter im Uhrzeigersinn weiter, tönt es bereits crunchy. Ich drehe also langsam weiter auf, die Verzerrung steigt kontinuierlich an und endet bei fettem High Gain. Um die Leistung moderner Transistorendstufen wissend, hatte ich zuvor Volume vorsichthalber auf 9 Uhr reduziert.

Jetzt drehe ich Volume weiter bis zur Vollaussteuerung auf und werde vom Schallpegel der 30-Watt-Endstufe beinahe aus den Schuhen gepustet. Gute Güte, was für ‘ne Power, was für ein Druck! Allerdings ist jetzt auch Feedback-Alarm angesagt. Bringe ich den Gain-Switch in die Plus-Position, bekommt die Zerre bei voll aufgedrehtem Gain-Poti noch einen leichten Schub, vor allem aber noch mehr Dichte, Kompression und Sustain. Und schafft natürlich Feedback-Probleme. Gain+ also wieder auf Gain- und Volume auf 11, Gain auf 12 Uhr geparkt. Immer noch ganz schön laut, aber so finde ich mein Lieblings-Setting mit Lead-Potenzial.

Der Sound wird klarer und definierter, reagiert dynamisch auf Anschlag und Spielweise und lässt sich präzise mit dem Volume-Poti der Gitarre kontrollieren und bis auf Crunch und sogar Clean herunterfahren. Die drei Klangregler und Presence zeigen hinlänglich Wirkung, halt wie man das von Röhren-Amps kennt. Pre EQ liefert in der wirkungsvolleren B2-Position schon fast aufdringliche Brillanz, die wählbaren Mittenfrequenzen hat man indes praxisnah gewählt, und sie ermöglichen gezielte Zugriffe. Aktiviert man Variac, nimmt der Ausgangspegel ein gutes Stück ab, der Sound erscheint wärmer und runder und verliert ein wenig von seiner Aggressivität.

Der serielle FX-Loop arbeitet signaltreu, kooperiert pegelmäßig problemlos sowohl mit Pedalen als auch mit Rack-Gear und empfiehlt sich für Modulation-, Delay- und Reverb-Effekte. Trotz der luxuriösen Ausstattung, die dem Bogner Ecstasy Mini Head enorme klangliche Flexibilität beschert, vermisse ich einen frequenzkorrigierten Kopfhörerausgang mit Endstufenabschaltung.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Mini-Verstärker liegen offenbar derzeit im Trend. Unterm Arm gepackt und ab in den Probenraum. Mit dem vom (heißen) Red Channel des legendären Bogner Ecstasy 100B klanglich inspirierten Mini Head bringt Bogner ein wahrlich heißes Teil an den Start. Wer nicht unbedingt Cleansounds anpeilt, für den/die dürfte der winzige, klanglich sehr variable Einkanaler mit seiner extrem kraftvollen Endstufe genau das Richtige sein. Zudem punktet das Mini Head mit sensitiver Ansprache, warmem, röhrenähnlichem Zerrcharakter und fettem, voluminösem Ton. Schade nur, dass Bogner auf einen Phones Out verzichtet hat.

PLUS

  • Sounds (Crunch bis Ultra High Gain)
  • Variabilität (außer clean)
  • harmonische Verzerrung
  • Ansprache & Dynamik
  • Ausgangsleistung
  • Maße & Gewicht
  • Verarbeitung
  • Preis/Leistung

MINUS

  • kein Kopfhörerausgang

(erschienen in Gitarre & Bass 01/2022)

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