Im Interview

Joanne Shaw Taylor: Still Got The Blues

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(Bild: Christie Goodwin)

Die langen Monate, in denen nahezu die gesamte internationale Künstlerschaft Pandemie-bedingt ans Haus gefesselt und damit weitestgehend zur Untätigkeit verdammt war, haben so manch bunte Blüte getrieben: So präsentiert auch die englische Blues-Gitarristin/Sängerin Joanne Shaw Taylor nun ein Werk ausschließlich mit Blues-Covernummern. Titel der Scheibe, wie könnte es anders sein: ‚The Blues Album‘.

Zehn Songs, unter anderem von Albert King, Peter Green, Little Richard, Magic Sam, Aretha Franklin und Little Milton – plus ein kurzes Instrumental namens ‚Scraps Vignette‘ – hat die 35-Jährige auf ihre eigene, unverwechselbare Art interpretiert und damit so manch vergessenem Kleinod eine neuerliche Aufmerksamkeit beschert. Produziert haben die Scheibe keine Geringeren als Bluesrock-Superstar Joe Bonamassa und sein ebenso exzellenter Kollege Josh Smith, zudem waren unter anderem auch Keyboard-Legende Reese Wynans (ehem. Stevie Ray Vaughan Band) und eine dreiköpfige Bläsersektion beteiligt.

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Wir haben die britische Musikerin über ihr neues Album befragt und dabei natürlich auch Bonamassas besondere Rolle bei dieser Produktion genauer beleuchtet.

Joanne, bekanntlich bist du schon seit vielen Jahren eng mit Joe Bonamassa befreundet. Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?

Zum ersten Mal persönlich getroffen habe ich ihn 2009 auf dem Notodden Blues Festival in Norwegen. Ich war damals gerade mit der ‚Blues Caravan Tour‘ unterwegs und spielte in Notodden am gleichen Tag wie Joe. Nach dem Konzert fuhren alle in das gleiche Hotel, in dem die Künstler untergebracht waren, und ich fragte seinen Tourmanager, ob ich Joe mal kurz sprechen dürfe. So lernten wir uns kennen. Am Ende des Abends tauschten wir gegenseitig unsere Telefonnummern aus und wurden im Laufe der Jahre enge Freunde.

Und wann hattest du vorher zum ersten Mal etwas über ihn gehört?

Joe hatte in den 90ern eine Band, die sich Bloodline nannte. Sie veröffentlichte nur ein Album, dann zerschlug sich die Gruppe wieder. Joe war seinerzeit gerade erst 14 oder 15, glaube ich, aber schon damals ein Riesentalent. Als ich 15 war, arbeitete ich in meiner englischen Heimatstadt Wednesbury in einem Gitarrenladen, wo mir einer meiner Kollegen die Bloodline-CD zusteckte und sagte, ich müsse sie mir unbedingt mal anhören. Dabei entdeckte ich Joes Namen. Als ich einige Jahre später mit meiner eigenen Band erstmals durch England tourte, hing in vielen Orten, in denen wir spielten, sein Konterfei auf zahllosen Konzertplakaten. Ich hatte zwischenzeitlich kaum etwas von ihm gehört, erinnerte mich aber sofort an die Bloodline-CD und daran, wie begeistert ich von seinem Spiel gewesen war.

Wie kam es jetzt zur Zusammenarbeit auf deinem ‚The Blues Album‘?

Joe und ich sind seit einigen Jahren in ständigem Kontakt und sprachen im vergangenen Sommer häufig darüber, dass wir die unglückliche Situation mit Corona und dem Lockdown eigentlich für etwas Positives nutzen sollten. Nämlich für ein Projekt, das man ohne den Shutdown vermutlich nicht realisiert hätte. Keiner von uns konnte in den zurückliegenden Monaten auf Tournee gehen, insofern hatten fast alle Musiker, die wir kannten, ein offenes Zeitfenster. Während dieser Phase telefonierte ich mindestens zweimal pro Woche mit Joe und erzählte ihm eines Tages, dass ich schon immer mal ein Album mit Coverversionen weniger bekannter Blues-Tracks machen wollte. Er sagte, dass er die Idee ausgesprochen interessant findet, und fragte mich, ob ich bereits bestimmte Songs im Hinterkopf hätte.

Und? Hattest du?

Ja, für mich stand bereits fest, dass ich unbedingt ‚I Don’t Know What You’ve Got‘ von Little Richard, ‚Can’t You See What You’re Doing To Me‘ von Albert King, Magic Sams ‚Keep On Lovin’ Me‘ und ‚Stop Messin’ Round‘ von Fleetwood Mac covern wollte. Ursprünglich hatte ich auch B.B. Kings ‚Going Down‘ im Kopf, aber Joe meinte, dass es schon so viele Coverversionen von dieser Nummer gibt und man lieber die Finger davon lassen sollte.

Was waren die künstlerischen Kriterien für deine Auswahl?

Es gab nur ein Kriterium: Welche Nummer würde ich gerne einmal singen? Weißt du, dieses Album ist ausgesprochen selbstsüchtig, es ging mir nur um den Spaß an der Sache und darum, mir selbst ein Geschenk zu machen. Ich wählte Songs aus, bei denen meiner Meinung nach der Gesang wichtiger ist als der jeweilige Gitarrenpart, wie beispielsweise die Nummer von Albert King, die unglaublich emotional gesungen ist. Und auch ‚I Don‘t Know What You‘ve Got‘ von Little Richard hatte im Original eine sagenhafte Vocal-Performance. ‚Can’t You See What You’re Doing To Me‘ ist beispielsweise ein Song, den ich früher schon einmal in einer meiner eigenen Bands gespielt und gesungen habe. Joe hatte bereits zu Beginn der Planungen gesagt, dass er vor allem meinen Gesang auf ein höheres Niveau hieven wolle.

Hat Bonamassa auch konkrete Songvorschläge gemacht?

Ja, er schickte mir fast täglich Text-Messages mit irgendwelchen Songtiteln, die ich mir anhören sollte. Manche Stücke passten für mein Empfinden nicht zu mir, aber einige gefielen mir tatsächlich. Schließlich hatten wir uns auf zehn Nummern geeinigt, sodass Josh, Joe und ich vorproduzieren konnten.

Kannst du kurz erzählen, wie die Aufnahmen entstanden sind?

Zunächst war ich mit Josh, meinem Schlagzeuger Greg Morrow, Bassist Steve Mackey und Reese Wynans gemeinsam im größten Aufnahmeraum des Studios und habe jeden Song drei bis viermal komplett durchgespielt. Dabei habe ich jeweils beim ersten Durchgang auch gesungen, um alle anderen zu zeigen, wie in etwa ich die Nummer gesanglich interpretieren möchte. So wusste jeder, worauf es bei seinem Instrument ankommt.

Bei den eigentlichen Takes habe ich, aufgrund möglicher Übersprechungen, nur noch Gitarre gespielt und den Gesang dann später und getrennt vom Rest aufgenommen. Die Basic-Tracks aller Songs wurden also live eingespielt, an späteren Overdubs gibt es nur den Leadgesang, die Gitarrensoli und ein paar Bläser. Ich meine: Wir sprechen hier über den Blues, den sollte man so live wie möglich spielen, auch im Studio.

Mit welchem Equipment hast du die Songs eingespielt?

Die meisten Stücke habe ich mit meiner 1966er Esquire Junior gespielt. Ich hätte auch gerne Joes Gitarren für die eine oder andere Nummer eingesetzt, am liebsten eine seiner Telecaster, doch die waren für meine kleinen Hände leider zu groß. Als Amps kam überwiegend Joes alter Fender Vibroverb aus den 1960ern zum Einsatz, oft in Verbindung mit einem Dumble Overdrive Special. Effektpedale gab es keine.

Welche deiner Coverversionen kommen dem jeweiligen Original am nächsten, bei welchen Songs hast du einen völlig neuen Ansatz gewählt?

Na ja, natürlich haben wir allzu direkte Kopien der Originale tunlichst vermieden. Zumal: Alle am Album Beteiligten sind erfahrene Musiker, wenn sie sich einer Nummer annehmen, machen sie diese automatisch zu ihrer eigenen und spielen auf ihre eigene, ganz persönliche Weise. An ‚Let Me Down Easy‘ durfte man natürlich nicht allzu viel ändern, denn bei Balladen sind die Original-Arrangements ja eigentlich gesetzt.

Die Nummer ‚If That Ain’t A Reason‘ dagegen klingt bei uns heavier und funkiger, da die Gitarren im Vergleich zum Original anders arrangiert sind. Und bei ‚Stop Messin’ Round‘ hat beispielsweise auch Joe Gitarre gespielt und dem Song, der ja ursprünglich von Fleetwood Mac stammt und eigentlich von der Britisch Blues Invasion geprägt ist, ein stärkeres Texas-Blues-Element hinzugefügt. Ich finde, meine Version klingt weniger britisch, sondern eher amerikanisch-texanisch.

Gab es Nummern, die dir gesanglich besonders gut oder möglicherweise auch nicht sonderlich gut lagen?

Um ehrlich zu sein: Die Uptempo-Nummern wie ‚Stop Messin’ Round‘, ‚Keep On Lovin’ Me‘ oder ‚Three Time Loser‘ waren für mich deutlich einfacher zu singen, weil man als Sängerin weniger Zeit hat, über jeden einzelnen Ton nachzudenken. Bei Balladen ist dies dagegen umso schwieriger, denn hier geht es um große Emotionen, zumal die Texte oftmals herzzerreißend sind.

Was konkret konntest du von Bonamassa als Produzent der Scheibe lernen?

Vor allem eines: Selbstvertrauen. Ich halte mich weder für die beste Sängerin oder Gitarristin noch für die beste Songschreiberin dieser Welt. Ich glaube, was meine Fans an mir schätzen, ist das Gesamtpaket Joanne Shaw Taylor. Josh und Joe sind unfassbar talentierte Musiker, und wenn solche Koryphäen an dich glauben, dann entwickelst du fast automatisch ein größeres Selbstvertrauen. Um es deutlich zu machen: Es ging hier nicht um ein größeres Ego, sondern um Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.

Außerdem konnte ich am eigenen Leib miterleben, wie unglaublich professionell Joe arbeitet. Er ist der am härtesten arbeitende Musiker, den ich jemals getroffen habe. Während der Produktion habe ich bei ihm gewohnt, ich konnte also miterleben, wie er schon frühmorgens um 6.30 Uhr aufstand, sich um Interviews oder Business-Dinge kümmerte, damit er pünktlich um 10.30 Uhr im Studio sein konnte. Und dass auch Josh ein unglaublich guter Musiker ist, brauche ich ja wohl nicht explizit zu erwähnen.

(Bild: Christie Goodwin)

Konntest du dich im Studio selbst überraschen? Gibt es Momente auf dem neuen Album, auf die du besonders stolz bist?

Ja, denn zum ersten Mal in meiner Karriere musste ich mich mit meinen Coverversionen einer bereits großartigen Vorlage stellen. Dass mir das gelungen ist, macht mich glücklich und stolz. Bislang habe ich ja über weite Strecken meine eigene Songs aufgenommen, und für die gab es logischerweise keine Vorlage, mit der man sie hätte vergleichen können. Diesmal aber handelt es sich um Stücke, die zwar nicht so bekannt sind, von denen es teilweise bereits mehrere Coverversionen gibt. Und in solchen Fällen muss man sich der Frage stellen, ob diese Welt wirklich noch eine weitere Coverversion braucht. Aber wie gesagt: Ich finde, dass mir insgesamt wirklich sehr gute Neufassungen gelungen sind. Speziell auf die beiden Balladen ‚If You Gotta Make A Fool Of Somebody‘ und ‚Let Me Down Easy‘ bin ich sehr stolz.

War es für dich schwierig, Soli zu spielen, wenn Virtuosen wie Josh Smith und Joe Bonamassa direkt neben dir sitzen und dir auf die Finger schauen?

Und ob! Es war wirklich hart, entspannt zu bleiben, denn ich wusste ja, dass Josh und Joe zuhören. So gesehen war es für mich gesanglich natürlich deutlich einfacher, denn auch wenn Josh und Joe beide ebenso hervorragend singen können, wie sie ihr Instrumente beherrschen, so sind sie Männer und ich bin eine Frau mit weiblicher Stimme. Insofern war ich bei den Gesangsaufnahmen deutlich weniger aufgeregt als bei meinen Gitarrensoli.

Letzte Frage: Wie schwierig war es, Bonamassa auch als Sänger für ein Duett zu gewinnen? Hast du ihn darum explizit bitten müssen oder hat er sich gar selbst angeboten?

Nein, ich habe ihn nicht gefragt, aber natürlich hatte ich insgeheim darauf gehofft. Josh war es, der irgendwann zu Joe sagte: „Hey, ich habe da eine Idee für ein Duett zwischen Joanne und dir in ‚Don’t Go Away Mad‘. Was hältst du davon?“ Joshs Idee war, in dieser Nummer meiner vergleichsweise süßlicheren Stimme Joes bluesiges Timbre gegenüberzustellen. Ich finde, dass er da eine tolle Idee hatte und der Song durch diesen Kontrast enorm gewonnen hat.

Danke Joanne, für die spannenden Antworten, und viel Glück mit ‚The Blues Album‘!

(erschienen in Gitarre & Bass 12/2021)

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