Günstige Arbeitstiere, unterschätzte Underdogs, übersehene Youngtimer und vergessene Exoten: In den „Kleinanzeigen Heroes“ stellen wir euch die Geheimtipps des Gebrauchtmarkts vor, die einen maximalen „Bang for the buck“ liefern.
(Bild: Jogi Sweers)
Hohner Professional PJ Bass SX
Kennt ihr den? Treffen sich ein Schlagzeug- und ein Akkordeonhersteller und verkaufen Gitarren! Witzig? Nicht wirklich! Aber erfolgreich, was Sonor, von denen man Schlagzeuge, Percussion, und Orff-Instrumentarium kennt, und Hohner, die seit 1857 vor allem für Mundharmonikas und Akkordeons bekannt sind, 1985 auf den Markt brachten.
Beide hatten durchaus vorher schon mit Gitarren zu tun. Sonor hatte Claim-Gitarren im Angebot und Hohner hatte unter anderem eine Tele-Kopie verkauft, die ein gewisser Prince zu Weltruhm führte.
Dennoch war es ganz erstaunlich, was für ein umfangreiches, durchdachtes Portfolio da unter dem Namen Hohner Professional auf den Markt kam. Andererseits … Ganz so erstaunlich dann auch wieder nicht, denn als Produkt-Manager steckte Bernhard Kurzke von No.1 in Hamburg hinter der Marke, der schon Nobels und die No.1- Stretch-Gurte etabliert hatte und sich nachweislich mit Gitarren und Bässen auskannte (und immer noch auskennt).
KLASSISCH
Die Gitarren orientierten sich an den Klassikern der Firmen Fender und Gibson, inkl. ein paar angesagter Heavy-Äxte. Bei den Bässen war die Vorlage anfangs eindeutig der Fender Precision Bass, den es als HP mit einem Splitcoil oder als PJ Bass mit – man ahnt es schon – PJ-Pickup-Bestückung gab. Letzterer war auch als Fretless mit liniertem Ebonol-Griffbrett zu haben, ein Feature, das damals sonst nur deutlich teurere Bässe aufwiesen.
Außerdem gab es noch Kopien vom Steinberger Paddel, als Gitarre und Bass. Im Gegensatz zu anderen Kopisten, die ihre Bässe mehr oder weniger abwandeln mussten (mit einer Bandbreite vom Kramer Duke bis zum Westone Quantum oder gar dem Rail derselben Firma) durfte Hohner offizielle Lizenzkopien anbieten, die auf Entfernung dem Original täuschend ähnlich sahen. Natürlich waren die Hohners aus Holz statt aus Carbon und verzichteten auch sonst auf einige Steinberger-Features, verkauften sich aber dennoch wie geschnitten Brot und sind bis heute gesucht.
Die guten Verkäufe zogen sich durch die gesamte Modellreihe, schon bald meldete die Presse seinerzeit Lieferprobleme – die Nachfrage überstieg das Angebot bei weitem, und die geneigten Kundinnen und Kunden mussten sich gedulden. Das Warten lohnte sich aber, bekam man doch sauber gemachte, solide Ware aus koreanischer Fertigung, die sich anschickte, in den 80ern das zu erreichen, was die Japaner in den 70ern geschafft hatten. Alle Instrumente sollten dabei unter 1000 Mark bleiben, bei Einstiegspreisen unter 500 Mark. Damit war man deutlich günstiger als die japanische Konkurrenz, z. B. von ESP, Squier, Tokai oder Fernandes …
(Bild: Jogi Sweers)
UNGESPERRTES HOLZ
Der hier vorgestellte PJ Bass SX gehört schon zu den etwas späteren Geräten der gehobenen Klasse und ist Baujahr 1990. Bezeichnend für die einfachen Hohner-Professional-Instrumente war, dass zwar der Hals aus Canadian Rock Maple immer hervorgehoben wurde, aber verschwiegen wurde, aus welchem Holz der Korpus ist. Des Rätsels Lösung ist Schichtholz aka Plywood. Das war Anfang/Mitte der 80er durchaus verbreitet und nichts Ehrenrühriges, aber auch nichts, womit Hohner hausieren gehen mochte, so gut die Bässe teilweise auch klangen.
War der Korpus dagegen massiv, wie bei diesem Modell aus Californian Maple, fand sich die Information natürlich in den Prospekten und Anzeigen. Hatte der Vorgänger noch Select Pickups, also passive Tonabnehmer in EMG-Lizenz, und gekapselte Mechaniken, kommt dieser Bass mit ziemlich einfachen Tonabnehmern mit keramischem Barrenmagneten und offenen Mechaniken, die aber immerhin mit einer Inbusschraube in der Gängigkeit verstellbar sind. Erstaunlich gut sind die Bünde in Schuss, auch Potis und Buchse funktionieren nach über 30 Jahren noch ohne Probleme.
Der Stahlstab lässt sich locker drehen und die Saitenlage schön flach und schnarrfrei justieren. Einziges Problem sind die recht langen Madenschrauben der Brücke, die bei guter Spielbarkeit weit aus den Böckchen gucken. Hochlegen lassen sich die Saiten ganz enorm, scheinbar hatte Hohner da die Slide-Bass-Fraktion im Hinterkopf. 😉 Die Schräubchen zu tauschen ist aber kein Hexenwerk, und so präsentiert sich der Bass locker bespielbar und mit interessantem Ton, den die etwas mittelmäßigen Pickups mit viel Fingergeräuschen wiedergeben. Da die Abnehmer Standardmaße haben, steht einem Austausch nichts im Wege, die trockene Substanz kann sich allemal hören lassen, und das Gewicht hält sich trotz der Masse an Ahorn auch in Grenzen.
(Bild: Jogi Sweers)
PREISE
Preislich liegen diese Hohner-Bässe zwischen ca. 150 und 300 Euro, allzu selten sind sie auch nicht – ein HP- oder PJ ist eigentlich immer in den Kleinanzeigen zu finden (Tipp für Profis: Sucht lieber nach „Hohner Professional“, denn „Hohner Bass“ bringt tonnenweise Akkordeons als Ergebnis…). Checken sollte man das Instrument an den üblichen Stellen: Bünde, Stahlstab, Potis, Buchse. Wie dieses Exemplar zeigt, kann man Glück haben, und es ist alles in Ordnung, ansonsten ist alles außer einem defekten Halsstab ja mit überschaubarem Einsatz reparabel.
Dann hat man einen schön leichtgängigen Bass, der mit so manch teurem Instrument mithalten kann und in Blindtests auch schon mal für den besseren Preci gehalten wurde. Auch Einsteiger:innen können übrigens mit diesen mittlerweile gut abgehangenen Teilen mehr als nur die ersten Schritte machen.
(erschienen in Gitarre & Bass 11/2021)