Multiband Multitool: Source Audio Ultra Wave Guitar im Test
von Florian von der Ohe,
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(Bild: Dieter Stork)
Man könnte das Ultra Wave als Distortion beschreiben. Oder Fuzz. Oder Tremolo. Oder auch Kompressor. Irgendwie das alles. Und dann noch in Multiband-Ausführung.
Und im Gegensatz zu Bassisten, beschäftigen wir uns ja von Haus aus eher selten(er) mit Multiband-Processing. Daher ein sehr kurzer Abriss: Dein Signal besteht aus verschiedenen Frequenzen (einem breiten „Band“). Üblicherweise legen wir nun Effekte einfach auf alles. Bassisten sind uns da oft einen Schritt voraus und wissen, dass dann die Bässe matschig werden können, die Höhen zu schrill werden, etc.
Warum also nicht den Bassbereich deines Signals anders bearbeiten als die Mitten? Und auf die Höhen vielleicht gar keinen Effekt? Mit dem Ultrawave alles möglich. Und das war es noch lange nicht. Das Gerät hat auch gleich einen Kompressor, EQ und ein Tremolo mit Ring Mod unter der Haube. Da spätestens jetzt eine Bedienung nur über die Hardware sehr komplex wäre, stellt Source Audio Editoren sowohl für Windows, Mac, Android als auch iOS bereit. Mit diesen lassen sich Presets erstellen, verwalten und mit anderen teilen.
Da Joris Henke im Bass-Test schon die ganzen Grundlagen (und mehr!) beschrieben hat, werden wir diesen Teil hier ein wenig kürzer fassen und uns dann detaillierter um die Gitarrensounds kümmern.
(Bild: Dieter Stork)
ÄUSSERE EINDRÜCKE
Das Source Audio kommt im Pedalboard-freundlichen Format daher und wirkt dank seines Alu-Gehäuses sowohl robust, als auch erstaunlich leicht. Es gibt jeweils zwei In- und Outputs, sowie einen Control-Input, einen Anschluss fürs Netzteil und einen für das USB-Kabel.
Auf der Oberfläche finden sich lediglich vier Potis, welche aber in der Software beliebigen anderen Funktionen zugewiesen werden können. Immerhin zwei davon sind auch hardwareseitig mit einer alternativen Funktion belegt. So kann man sechs Parameter direkt am Gerät regeln.
Mit Drive, Level, Sustain, Treble sowie Bass und Mid per Alt-Funktion sind diese gut gewählt und praxisnah. Dank des kleinen Schalters in der Mitte und erneut des Alt-Schalters, kann man direkt auf sechs Presets zugreifen. Insgesamt stehen einem also auch ohne jeden Editor viele Möglichkeiten und verschiedene Sounds zur Verfügung – einstellen sollte man diese allerdings zunächst per Editor.
So ist es beispielsweise möglich, die ersten Presets für Overdrive, Distortion und Fuzz zu nutzen, die zweite Ebene dann aber „nur“ für EQ, Kompressor und Tremolo.
EDITOREN
Dem Ultra Wave liegen zwei Kabel bei: Ein USB-Kabel zum Anschließen an einen Windows- oder Mac-Rechner und ein Stereo (TRS-) Klinkenkabel, welches auf der einen Seite in Input 2 des Ultra Wave und auf der anderen in dein Smartphone kommt. Auch hier gibt es Editoren – sowohl für Android, als auch iOS. Mal schauen, wann Source Audio auf Bluetooth umsteigt, immerhin haben heutzutage längst nicht mehr alle Smartphones überhaupt Kopfhörerbuchsen.
Beide Arten der Verbindung funktionieren ohne Probleme und auch die Editoren laufen sämtlich ohne merkliche Bugs. Der Windows-Editor sieht dabei etwas in die Jahre gekommen aus, überzeugt aber funktional auf ganzer Linie. Die Apps wiederum sind schick gestaltet und nutzen die Touch-Funktionen gut aus. Allerdings kann man sich hier schnell vom Funktionsumfang erschlagen fühlen – da scrollt man schon eine ganze Weile, bis man alles eingestellt hat. Für mich ist die App somit die Nothilfe für letzte Änderungen in der Probe. Zumal das Kabel auch nicht wahnsinnig lang ist, und man sicher nicht immer so nah über seinem Bodenpedal hängen will. Dann lieber in Ruhe am Rechner einstellen. Cool ist natürlich die Möglichkeit, deutlich mehr Presets zu speichern, als es die sechs Direktzugriffe am Gerät vermuten lassen würden. 128 Speicherplätze stehen einem insgesamt zur Verfügung. Die Zahl kommt einem doch bekannt vor? Klar, das Ultra Wave kann auch per MIDI angesprochen werden.
Falls einem selber die Ideen ausgehen sollten, so kann man sich auch fremde Presets aus der Cloud laden. Hier gibt es schon einige gute Sachen zu finden, insgesamt ist es aber noch etwas „leer“ – das Pedal ist natürlich auch noch vergleichsweise neu.
(PRESET-)SOUNDS
Um zu verdeutlichen, was von Werk aus schon aufgespielt – und möglich – ist, bewegen wir uns doch mal kurz durch die Werks-Presets. Die ersten drei sind recht fuzzlastig gefüllt, was natürlich sehr gut den Schwerpunkt des Geräts zeigt. Preset Nummer 2 (Quad Fuzz) teilt das Signal nach dem Kompressor in vier Bänder und verzerrt hier insbesondere die tieferen Frequenzen. Das gibt gefühlt mächtig Schub im Bass, lässt aber alles ab 750 Hz weitestgehend „intakt“ und sorgt so dafür, dass man einen sehr fuzzigen Sound erhält, der aber in den Höhen total entspannt und nicht etwa sägend daherkommt.
Beim „Technical Ecstasy“-Preset werden alle zehn Bänder und zusätzlich noch das Tremolo genutzt. So entsteht ein Sound, der im Fuzz komplexer ist und durch das Tremolo-Pattern (kein einfaches auf und ab) klingt, als wäre ein Arpeggiator hinzugeschaltet. Auf den nächsten drei Presets, welche sich über den Alt-Schalter erreichen lassen, befinden sich Sounds, die nicht ganz so abgedreht sind, angefangen beim „Snappy Compressor“. Und der gefällt mir richtig gut!
Da die Werte der Regler per MIDI eingestellt werden können, haben sie auch immer einen entsprechenden Wert. Daher kann ich nur sagen: Ratio steht auf 200 (von 254), also ziemlich hoch. Attack und Release sind ziemlich mittig eingestellt und der Mix voll aufgedreht. Es erklingt ein komprimierter Sound, der nie pumpt oder knackt, sondern einfach den Ton perfekt anfettet und insbesondere Singlenote-Licks zu mehr Gleichmäßigkeit und Durchsetzungsfähigkeit verhilft. Natürlich kann man dies auch gerne als leichten Boost nutzen.
Beim „Light Touch Octave“-Preset lernen wir den Octave-Fold-Algorithmus für die Zerre kennen. Dieser erzeugt – wer hätte es gedacht – die Oktave des aktuellen Tons und verzerrt mittels Foldback-Distortion. Ein sehr besonderer, cooler Sound. Durchsetzungsfähig und irgendwie schon Synthie-, oder vielleicht sogar ein bisschen Orgel-like.
Die Werks-Presets zeigen also schonmal gut, was möglich ist. Hier kann man sich auch zwischendurch immer wieder Inspirationen für eigene Sounds holen und einfach das Preset kopieren und nach Gusto anpassen. Wie sieht es nun aus, wenn man von null anfängt?
EIGENE SOUNDS ERSTELLEN
Eigene Sounds erstellt man natürlich im Editor, am Gerät selber kann man ja „nur noch“ vorhandene mit den Reglern feintunen. Hm, wo wollen wir denn klanglich hin? Bei den Worten Fuzz, Kompressor und (quasi) Arpeggiator lande ich gedanklich schnell bei Muse. Wie wäre es mit dem Song ‚Map of the Problematique‘ als Referenz?
Vor einem leicht zerrenden Amp stelle ich nun einen sanften Pre-Distortion-Kompressor ein, wähle ein 10-Band-Preset mit High-Pass-Filter und Diode-Gate-Distortion-Algorithmus, bei dem ich die Bänder logarithmisch absteigend einstelle und Drive generell etwas zurücknehme. Dazu das Post-Distortion-Multiband-Tremolo mit einem aufs Tempo getappten LFO und einem ansatzweise passenden Pattern (hier kann man eine Menge wählen, aber genau auf Muse passt natürlich keins). Klingt schon ziemlich gut. Und da ich in diesem Preset den Treble-Regler am Gerät quasi nie brauchen werde, kann ich auch gleich die LFO-Rate dorthin mappen. Das Ganze dann noch anderen Neuro-Nutzern in der Cloud zur Verfügung stellen und fertig.
Alles gelesen? Alles verstanden? Wenn ja, ist das hier auf jeden Fall das Gerät für dich! Wenn nein: Kein Problem. Man kann es wirklich auch einfach als Hardware-Pedal mit super Presets und den Potis nutzen (wie die allermeisten anderen Pedale ja auch). Und wenn man sich dann doch mal in den Editor wagt, dreht man einfach so lange an den Knöpfen, bis man den Sound mag. Gar nicht so schwer.
RESÜMEE
Das Source Audio Ultra Wave kann viel! Es ist ein (bis zu) 10-BandKompressor, Fuzz, Distortion, Overdrive, Booster, EQ und Tremolo mit sehr variablen und komplexen Möglichkeiten. Klar, die muss man nicht anfassen und kann einfach mit der Hardware glücklich werden. Diese allein bringt schon sehr interessante und komplexe Sounds hervor. Aber wirklich glücklich wird man erst mit den Editoren. Ein großes Plus ist, dass diese für nahezu alle Betriebssysteme bereitstehen und wirklich gut zu bedienen sind.
Das Ultra Wave ist ein Pedal für Spezialisten und all jene die schon ziemlich genau wissen, was sie wollen, oder wirklich mal abseits des Mainstreams experimentieren möchten. Ja, es kann auch „normale“ Diodenverzerrung, aber dafür kann man auch 1000 andere Pedale kaufen. Das hier ist – im besten Sinne – wirklich mal was anderes.
PLUS
Verarbeitung
sehr vielseitig
Effekt-Sounds
lädt zum Experimentieren ein
Editoren für quasi alle Betriebssysteme
MINUS
steile Lernkurve, um wirklich alle Einstellungen zu verstehen