Am 29. Dezember 2020 verstarb viel zu früh Alexi Laiho. Zuvor allerdings designte der langjährige ESP-Endorser zusammen mit den Japanern eine aus fünf Modellen bestehende Reihe neuer Signature-Instrumente. Eigentlich sollte die Serie im Januar letzten Jahres veröffentlicht werden, aber das wurde aus Pietätsgründen verschoben.
Die neue Alexi Signature Line besteht aus zwei Hexed- (Custom Shop und LTD) und drei Ripped-Modellen (Custom Shop, E-II und LTD), deren Korpusdecken und Kopfplatten allesamt Purple Fade Satin lackiert wurden. Die Ripped unterscheiden sich durch schwarze ausgefranste Pinstripes an den Deckenrändern, die wegen der violetten Grundfarbe jedoch nur eingeschränkt zur Geltung kommen und – eher ungewöhnlich für den Finnen – durch den zusätzlichen Hals-Singlecoil (!). Für diesen Test haben wir uns das japanische E-II-Modell auserkoren.
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SPITZEN-BODY
Wie alle anderen Alexi-Laiho-Signature-Gitarren kommt auch die Ripped E-II mit durchgehendem, in Längsrichtung dreifach gesperrtem Ahornhals, an dem zwei Korpusflügel aus Erle angesetzt wurden. Identisch facettierte Kanten auf Vorder- und Rückseite bieten einen gewissen Tragekomfort. Anders als man es gemeinhin von Neck-Thru-Konstruktionen kennt, hat man den Halsübergang nicht ganz so fließend ausgearbeitet, wenngleich sich auch hier die höchsten Lagen problemlos bespielen lassen.
(Bild: Dieter Stork)
Ein Strat-Buchsenblech trägt die Klinkenbuchse an der hinteren Zarge des oberen Korpusflügels, wo auch einer der beiden ESP-Security-Lock-Gurtknöpfe Platz findet. Den anderen findet man auf der Rückseite neben dem Halsfuß. Eine Kunststoffplatte verschließt das großzügig bemessene E-Fach, die Federkammer des originalen Floyd-Rose-Vibratos liegt hingegen offen. Das eingelassene Edelstahl-Batteriefach mit Schwenkdeckel beherbergt den über einen stabilen Clip angeschlossen 9-Volt-Block, der ausschließlich den bordeigenen Booster speist.
Obwohl der gesperrte schlanke Ahornhals enorme Stabilität besitzt, hat ESP den Übergang zur rückwärtig geneigten Kopfplatte mit einem Kragen verstärkt. Kann ja nicht schaden. Das in den Bünden 19-24 ausgehöhlte (scalloped) Ebenholzgriffbrett trägt 24 inklusive der verrundeten Kanten vorbildlich abgerichtete und polierte Xtra-Jumbo-Bünde. Es handelt sich dabei um richtig fette Dinger, die eigentlich das Scalloping der hohen Lagen überflüssig machen.
Sägezahn-Inlays und fluoreszierende Sidedots erleichtern die Navigation – auch im Dunkeln. Über den optimal ausgerichteten FR-Klemmsattel und unter der String Bar hindurch erreichen die Saiten die präzise und geschmeidig arbeitenden Gotoh Traditional Locking Tuner.
Passive EMG-HZ-Pickups, ein S2-Singlecoil am Hals und ein FH2- Humbucker in der Stegposition, wandeln die Saitenschwingungen. Kontrolliert werden sie per Master-Volume und in die Decke eingelassenem Dreiweg-Toggle. Der hintere Kippschalter aktiviert den ESP Alexi Laiho Signature Preamp & Booster MM-04, dessen Verstärkung im E-Fach per Trimmer von +4,5 bis +18 dB variiert werden kann. Zudem bietet ein Vierfach-DIP-Schalter durch verschiedene Schaltkombinationen sieben Höhen-EQ-Presets im Bereich von 2-5 kHz. Das werksseitig optimal justierte, unterfräste FR-Vibrato gestattet ausladende Down- und Up-Bendings.
ABFLUG
Dank der günstig positionierten Straplock-Knöpfe hängt die E-II Alexi Ripped perfekt ausgewogen am Gurt. Nimmt man den unteren Korpusflügel zwischen die Beine, lässt sie sich auch im Sitzen überraschend entspannt spielen, und das sogar ohne Gurt. Die extrem hohen Bunddrähte erfordern in Kombination mit den werksseitig aufgespannten .009-.042-Elixir-Saiten saubere Intonation, erst Recht bei Akkordspiel in den unteren Lagen. Schließlich kann hier übermäßiges Drücken die Stimmung eines Tons schon mal um bis zu 40 Cent erhöhen.
Trotz seiner geringen Masse liegt der Hals komfortabel in der Hand, und die vorzüglich bearbeiteten Bundkanten bremsen schnelle Lagenwechsel nicht aus. Zudem bietet der seidenmatt lackierte Halsrücken angenehmen Grip. Das optimal eingestellte Floyd-Rose-Vibrato arbeitet wie es soll und garantiert auch nach intensivster Beanspruchung stabile Stimmung.
Die japanische Alexi Ripped legt ein sehr intensives und vitales Resonanzverhalten an den Tag, das sich in direkter, spontaner Ansprache, flinker Tonentfaltung und langsam und kontinuierlich abklingendem Sustain äußert. Dabei reagiert sie sensibel auf variablen, nuancierten Anschlag, was ihr gute Dynamikwerte beschert. Plakativer ausgedrückt: Sie spielt sich fast wie von selbst. Ohne Strom liefert sie ein nicht allzu kraftvolles und voluminöses, dafür aber ausgewogenes, spritziges Klangbild mit reichem Obertongehalt.
Überraschenderweise hatte sich Alexi Laiho, dessen Gitarren man bislang nur mit einem Steg-Humbucker kannte, für die neuen Ripped-Modelle einen Hals-Pickup gewünscht, und dann auch noch einen Einspuler! Unsere Protagonistin erweist sich daher mit dem EMG S2, der zwei gestackte Spulen besitzt, als klanglich erheblich flexibler. Wer jedoch nun Strat- oder gar Tele-Klänge erwartet, dürfte enttäuscht sein, denn damit hat das vorliegende Ergebnis überhaupt nichts zu tun, obwohl EMG explizit damit wirbt.
Okay, der S2 liefert am cleanen Amp ausgewogene, glasklare und glockige Klangbilder mit hellen spritzigen Höhen, drahtigen aber dennoch warmen Mitten und kompakten Bässen. Somit ist er schon mal für cleanes Rhythmusspiel und Arpeggien prädestiniert. Jedoch überzeugt er auch bei High-Gain-Zerre, und zwar mit eigenständigen, sustain-reichen Rhythmus- und Leadsounds und extrem geringen Nebengeräuschen.
Paart man den S2 mit dem Steg-Humbucker, verändert sich der Klang weniger als ich erwartet habe. Cleansounds tönen etwas mittiger und brillanter, erscheinen luftiger und irgendwie frischer. Aber auch hier sind geschmack- und charaktervolle Leadsounds im Angebot. Der leistungsstarke FH2-Steg-Humbucker – das „F“ steht für Floyd Rose Spacing – kommt mit Keramikmagneten, die für definierte, helle, transparente und spritzige Cleansounds mit drahtigen Mitten und knackigen Bässen sorgen. Meine Ohren würden noch Attribute wie kernig und sogar filigran hinzufügen.
Erwartungsgemäß liegen die Vorzüge des FH2 im Zerrbereich, vorzugsweise High Gain. Mehrstimmige Akkorde überträgt der Humbucker ebenso lebendig, offen und jederzeit definierbar wie Powerchords und tieffrequente Riffs. Dank durchsetzungsfreudiger Mitten und bissiger Höhen zeigt er auch bei Leadsounds Durchsetzungsvermögen, die vom Sustain getragen werden und gerne auch in ihre Obertöne wechseln.
Als weitere Möglichkeit der Klanggestaltung drängt sich der bordeigene Gain-Booster mit seinen wirkungsvollen Höhen-EQ-Schaltern auf, die wie die Pickups sehr nebengeräuscharm arbeiten. ESP hat beide auf die von Alexi Laiho präferierten Settings voreingestellt, sie können jedoch jederzeit im E-Fach variiert werden. Während der Booster seine größte Wirkung bei cleanen Sounds entfaltet, nimmt die wahrnehmbare Gain-Anhebung mit zunehmender Verzerrung am Amp ab. Das etwas zäh rotierende aber gleichmäßig und präzise agierende Volume-Poti lässt sich dank seines gerändelten Reglerknopfes noch komfortabel handhaben.
RESÜMEE
Von den drei neuen ESP-Alexi-Ripped-Modellen stellt die japanische Vertreterin quasi die Mittelklasse dar. Dies betrifft jedoch lediglich den Preis, denn qualitativ ist die E-II über jeden Zweifel erhaben. Da stellt sich die Frage, wie das mehr als doppelt so teure Pendant aus dem Custom Shop dies toppen will? Beste Klanghölzer und Hardware, original FR-Vibrato, makellose Verarbeitung, super Bespielbarkeit und nicht zuletzt erstklassige, von Gain-Booster und Höhen-EQ unterstützte Clean- bis High-Gain-Sounds machen die E-II Alexi Ripped zu einer echten Waffe, ihr Design sowieso. Kurz: Tolle Gitarre, die mit ihrem zusätzlichen Hals-Singlecoil gerne auch mal unverzerrt Gehör finden darf.