Angefangen haben Nadav Tabak und Alex Champ als Straßenmusiker. Mittlerweile spielt das Duo auch auf großen Festivalbühnen und rockt auf Nylonstring-Instrumenten richtig ab. Ihre Musik geht mit ausgefallenen wie spannenden Kompositionen weit über die Grenzen des Genres hinaus …
Die beiden Musiker stammen ursprünglich von pazifischen Inseln: Nadav Tabak aus Neuseeland und Alex Champ aus dem zu Frankreich gehörenden Neukaledonien. Heute leben beide im australischen Melbourne. 2014 gründeten sie Opal Ocean, ein Jahr später kam die ,Terra‘-EP heraus, das darauf enthaltene ,J.A.M.‘ avancierte zum Hit. 2016 erschien mit ,Lost Fables‘ das erste komplette Album, im vergangenen Jahr folgte ,The Hadal Zone‘.
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Puristen sind die Endzwanziger nicht. Immer wieder kontrastieren E-Gitarren-Sounds das Spiel auf der Akustischen. Einflüsse aus Flamenco, dem großen Erbe Django Reinhardts oder auch mal griechischer Musik werden spannend miteinander verbunden. Und das eben auch mit fetten Riffs und energisch angeschlagenen Akkorden, die man sich auch gut mit E-Gitarre und verzerrtem Amp vorstellen kann. Zudem ist das Album geradezu beseelt vom Geist des Progressive Rock – es gibt also viele überraschende Wechsel und Breaks, opulente Melodien oder Pickings mit Hang zu Dramatik und Mut zum Experimentieren. Gekoppelt ist all dies mit perkussivem Spiel auf dem Korpus, wie man das aus dem Flamenco kennt.
(Bild: Flowfish Records)
INTERVIEW
Hallo Nadav und Alex, lasst uns von vorne beginnen. Habt ihr euch in Melbourne kennengelernt?
Nadav: Ja. Wir haben dort beide viel Straßenmusik gemacht. Damals hat mich die Freundin von Alex spielen gehört und mit ihm verwechselt, weil wir beide ähnliche Musik machten.
Alex: Die ersten Sachen, die wir zusammen gespielt haben, waren keine bekannten Songs, sondern wir haben richtig frei gejammt. Aus diesen Jams sind unsere ersten eigenen Stücke entstanden. Das war eine tolle Zeit.
Wann habt ihr bemerkt, dass ihr musikalisch verbunden seid?
Nadav: Als wir uns das erste Mal trafen, war sofort klar, dass wir nicht nur dasselbe Alter hatten, sondern auch dieselbe Musik mochten. Wir sind aufgewachsen mit Progressive Metal, Heavy Metal, Rock, klassischen Bands wie Pink Floyd und moderneren Prog-Bands wie Dream Theater und Opeth. Ich erinnere mich, dieser erste Jam war so cool, wir redeten viel über Musik …
Alex: … und ich konnte nur denken: Du bist in meinem Kopf, Mann! (lacht)
Nadav: Damals spielten wir etwas unterschiedlich. Ich war mehr auf der Flamenco-Seite, Alex spielte eher Jazz im Stil von Django Reinhardt.
Alex: Ich spielte in einem Gypsy-Jazz-Trio und war dadurch beeinflusst. Damals bereitete ich mich gerade darauf vor auf das Berklee College Of Music zu gehen. Ich hatte kurz zuvor die Aufnahmeprüfung geschafft und musste eine Entscheidung treffen – zwischen Berklee oder hier zu bleiben. Irgendetwas in mir sagte, dass es besser sei, mit Nadav weiterzumachen, als in die Staaten zu gehen.
Nadav: Hinzukam, dass ich die preiswertere der beiden Optionen war. (lacht)
(Bild: Flowfish Records)
Kommen wir zur Musik. In Live-Videos kann man gut eure Spieltechnik beobachten. Ihr wechselt zwischen Plektrumspiel in Soloparts und dem Spiel mit den Fingerkuppen bzw. der gesamten Anschlaghand für Rhythmus-Sachen und den perkussiven Sounds auf dem Gitarren-Body. Wer von euch spielt was?
Nadav: Wir tauschen oft. Wir merkten irgendwann, wie anstrengend es für die Arme ist, ständig Rhythmus zu spielen. Dass wir uns die Lead-Gitarren teilen, ist bei uns ziemlich cool. Auf der Bühne heißt es dann: Willst du im nächsten Song Rhythmus oder Lead spielen? Es ist wirklich ein Spaß dies aufzubrechen. Manchmal willst du eben über die Bühne rennen und dabei einen Rhythmus-Part raushauen und ein anderes Mal willst du fokussierter die Lead-Gitarre spielen.
Alex: Ja, und es nimmt auch den Druck, die ganze Zeit perfekt die Leads zu spielen. Als Gitarrist ist es ein großer Spaß, den Rhythm-Part zu übernehmen, du hast diesen dicken Sound und es ist wie bei einem Schlagzeug, du haust einfach rein!
Bild: Opal Ocean
Die Yamaha NTX 1200R Nylonstring von Nadav Tabak
Bild: Opal Ocean
Das Setup von Alex Champ: Yamaha NTX 1200R Nylonstring und Line 6 Helix
Da ihr permanent perkussive Sounds durch das Schlagen auf die Gitarrendecke produziert: Ist das Bracing eurer Instrumente entsprechend kräftiger?
Nadav: Das Problem ist, je kräftiger das Bracing, desto weniger vibriert die Decke. Wir brauchen eine Balance zwischen beidem.
Alex: Ich habe schon Gitarren gespielt, die so tot waren, dass, wenn du auf die Decke geschlagen hast, deine Hand nicht zurückgefedert ist.
Nadav: Unsere Yamahas sind ziemlich solide. Wir benutzen sie hauptsächlich live, denn die Decke vibriert nicht so sehr, sodass wir auch weniger Feedback-Probleme haben. Im Studio setzen wir jedoch dickbauchige Klassikgitarren ein.
Alex: Und sie haben 22 Bünde und sind sehr einfach zu spielen.
Plektrum: Custom Grover Allman Delrinex ISO Shape mit Opal-Ocean-Logo, ca. 1,2 mm
Effekte: Super Octave, Line 6 HX Effects, Electro Harmonix Slammi Plus Polyphonic Pitch Shifter
Sonstiges: Strymon Ojai Multi-Netzteil, Line 6 Relay G70 Wireless System, Yamaha DTX500 Drum Trigger Module mit modifiziertem HiHat-Pedal
ALEX CHAMP
Gitarre: Yamaha NX Series Acoustic-Electric Nylon-String
Saiten: D‘Addario EJ44 Pro Arté Nylonsaiten
Plektrum: Dunlop Jazz III, Grover Allman Delrinex ISO Shape mit Opal-Ocean-Logo, ca. 1,2 mm
Effekte: Line 6 Helix, Boss OC-3 Super Octave
Sonstiges: Line 6 Relay G70 Wireless System, Yamaha DTX500 Drum Trigger Module mit modifiziertem HiHat-Pedal
Habt ihr live Ersatzgitarren?
Alex: Wenn wir auf Tour gehen, muss alles in ein Auto passen. Das bedeutet, dass wir mit wenig Gepäck unterwegs sind und nur zwei Gitarren dabeihaben. Aber wir sollten eigentlich immer noch eine weitere mitnehmen. Die können wir uns hoffentlich in der Zukunft mal leisten.
Was macht ihr, wenn auf der Bühne eine Saite reißt?
Alex: Wir sind sechs Jahre zusammen und uns beiden ist weniger als zehn Mal eine Saite gerissen. Das Coole an klassischen Nylonsaiten ist, dass sie lang sind und du viele Umwindungen auf die Mechaniken aufziehen kannst. Wenn eine Saite reißt, dann meistens unten an der Bridge. Und dann musst du nur oben die Mechanik lockern und die Saite schnell durch die Brücke ziehen und wieder befestigen.
Nadav: Und du kannst sie sehr lange drauflassen. So alle drei Monate tausche ich die umwickelten Bass-Saiten, da sie an Attack und Brillanz verlieren.
Alex: Genau, je länger du die Melodiesaiten drauflässt, desto besser klingen sie. Keine Ahnung warum, das ist eine Wissenschaft für sich. Ich weiß, dass die Flamenco-Jungs wirklich darauf schwören, eben die Bass-Saiten zu wechseln und die reinen Nylonsaiten draufzulassen.
Nadav: Inzwischen ordern wir die Einzelsaiten in den USA und wir fänden es klasse, wenn wir Teil der D’Addario-Familie wären. Wir bestellen wirklich eine Menge Saiten dort. Für das Hadal-Album haben wir auch eine alte Nylonstring eingesetzt, aus der wir eine Baritongitarre gemacht haben, und dafür haben wir extra dicke Saiten bestellt. Alles war runtergestimmt auf G, A oder B. Damit haben wir die Bass-Harmonien gespielt.
Was ist denn eure Hauptstimmung?
Alex: Vieles ist in Standardstimmung. Für das neue Album war es aber meistens Drop-D.
Nadav: Wir haben auch eine dickere Saite als tiefe D-Saite benutzt, damit sie sich straffer anfühlt, eben wie eine normal gestimmte tiefe E-Saite. Sie war so etwa .064 oder .068 dick.
Eure Songs klingen zum Teil so, als würde eine komplette Band spielen. Ich vermute ihr habt beide Band-Erfahrung?
Nadav: In Neuseeland war ich in einer Garagenband und wir coverten viel von Tool. Wir fingen an eigene Sachen zu schreiben, aber die waren nie so richtig gut.
Alex: Ich hatte verschiedene Bands in einem Music Performance Program. Es ging darum, eine Band mit deinen Klassenkameraden zu bilden, und alle zwei Wochen hast du gewechselt und so mit anderen Leuten gespielt. Das war wirklich fantastisch, denn so habe ich Reggae, HipHop, Jazz, Pop und Country gespielt. Ich war ziemlich unrhythmisch und konnte nicht im Takt klatschen, war also wirklich schlecht. In diesen Bands zu sein hat meinen eigenen inneren Rhythmus sehr stark aufgebaut. Dennoch kann ich nicht empfehlen, nur in Bands zu spielen, denn der Rhythmus z. B. eines Flamenco-Stücks ist etwas ganz anderes.
Nadav: Wenn du mit einer Band spielst, muss dein Timing ziemlich genau sein. Wir sind darin nicht gerade gut, denn wir haben seit Jahren nicht mehr mit Bassisten und Drummern gespielt. Wir haben unseren eigenen inneren Puls, dem wir folgen. Meistens spielen wir im 4/4-Takt und geben das Tempo mit dem Fuß vor. Manchmal bewegen wir uns auch im 3/4-Takt und vieles passiert bei uns auf den Downbeats.
Alex: Ich nehme an, dass deine Frage darauf abzielt, dass wir durch unsere früheren Banderfahrungen verstanden haben, was Kompositionen sind und was es braucht, um wie eine Band zu klingen. Davon ausgehend fragen wir uns: Wie können wir mit zwei Gitarren so fett wie möglich klingen.
Genau das ist das Interessante bei euch, dass ihr wie eine komplette Band klingt. Einige Parts auf ,The Hadal Zone‘ hören sich nach Metallica an. Und ein Stück hat mich an Tool erinnert.
Nadav: Das ist das Titelstück. Es ist eine Art Tribute an Tool, das Ganze steht im 7/4-Takt. Du hast gerade auch Metallica erwähnt, das trifft zu 100% zu. Wir sind mit klassischen Alben wie ,Justice For All‘ aufgewachsen. Es ist sehr schön, die Freiheit zu haben, Einflüsse von Bands die wir lieben auf die Akustikgitarre zu übertragen.
Ein Markenzeichen von euch ist der WahWah-Effekt.
Alex: Über die Jahre haben wir verschiedene WahWah-Typen ausprobiert. Es ist ein kraftvolles Werkzeug und grundsätzlich ja ein Filter. Ich benutze es daher oft wie ein DJ, um diese Überblendungen zwischen zwei Songs zu erzeugen. Oder wir machen damit live diese sprechartigen Sounds.
Nadav: Das ist auch etwas, das wir gerne live machen. Auf ,The Hadal Zone‘ wollten wir aber diesmal auch im Studio mehr mit solchen Sounds experimentieren.
Alex: Ich denke, dass ich das WahWah zum ersten Mal bei Rodrigo Y Gabriela gehört habe – und das klang cool. Sie hatten viele Metallica-Cover im Programm.
Nadav: Sie mischen die Genres und das war etwas, dem wir uns verwandt fühlen. Unser erstes Album war sehr stark von ihrem Sound inspiriert. Über die Jahre fanden wir unsere eigene Stimme und unsere Leidenschaft für die progressivere Seite der Musik. Unsere Sounds sind mittlerweile anders als ihre. Da wir inzwischen auch Line-6-Geräte und deren Boxen-Simulationen benutzen, gibt das dem Ganzen auch mehr Griffigkeit.
Alex: Wir werden oft mit ihnen verglichen, aber mit ,The Hadal Zone‘ merkten wir schließlich: Das sind wir!
Wow!!! Die sind echt cool.